DIE Internet-Zeitung
Jahresbilanzen der Umweltverbände

Parteipolitik und Lobbyismus behindern Umweltschutz

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Parteipolitisch motivierte Blockaden im Bundesrat haben im Jahr 2004 notwendige Reformen im Umwelt- und Tierschutz verhindert. Diese Bilanz zog der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fasste das abgelaufene Jahr zusammen, die Umweltpolitik befinde sich "in den Fängen des Raubtierlobbyismus großer Konzerne". Während es in der Umweltpolitik der 90er Jahre darum gegangen sei, gesetzliche Regelungen für einen besseren Umwelt- und Verbraucherschutz durchzusetzen, müssten heute Umwelt- und Verbraucherverbände für die Einhaltung der Gesetze kämpfen. Teile der Wirtschaft versuchten zunehmend, unter massivem Druck auf die Politik Recht und Gesetz zu umgehen.


Ein aktuelles Beispiel sei der kürzlich bekannt gewordene Brief des Verbandes der Automobilindustrie, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und des an den Bundeskanzler, in dem dieser aufgefordert werde, eine Woche vor Auslaufen der Übergangsfrist die seit vier Jahren in nationales Recht umgesetzte EU-Luftreinhalterichtlinie "im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung" zu "korrigieren", so die DUH.

Die EU-Richtlinie aus dem Jahr 1999 legt seit dem 1. Januar gültige Grenzwerte für Feinstäube in der Luft wie Rußpartikel aus Dieselfahrzeugen fest. Bei Überschreiten der Grenzwerte werde es zu Verkehrsbeschränkungen in Innenstädten kommen, prophezeit die DUH. Sie will - ebenso wie auch der BUND - Musterklagen betroffener Anwohner unterstützen.

"Die Deutsche Umwelthilfe fordert die Bundesregierung auf, den Forderungen der Raubtierlobbyisten nach Aufweichung der Umweltstandards eine klare Abfuhr zu erteilen", sagte Resch. Während andere europäische Staaten die dreijährige Übergangsfrist genutzt und Förderprogramme für Dieselruß-Partikelfilter aufgelegt sowie rigide Verkehrsbeschränkungen für ungefilterte Diesel-Kfz beschlossen haben, verhindere die deutsche Automobilindustrie die notwendigen Entscheidungen durch Einflussnahme auf Politiker.

Besonders erfolgreich sei dabei offenbar der 40-köpfige Bereich "Regierungsbeziehungen" des Volkswagenkonzerns. Kein anderes deutsches Unternehmen habe eine vergleichbar effiziente Abteilung zur Politikbeeinflussung. So sei es VW im Sommer 2004 gelungen, eine parlamentarische Entscheidung der Regierungsfraktionen zur Förderung des Partikelfilters durch einen zunächst dementierten und später bestätigten Brief an Parlamentarier um Monate zu verzögern und den Kanzler zur Aussage zu bewegen, bis 2008 eine VW-freundliche Regelung bei der steuerlichen Förderung zu finden.

Diese von den Umweltverbänden erbittert bekämpfte "Lex VW" hatte jedoch keinen Bestand. Ende November entschied sich die EU-Kommission gegen die von VW-Chef Bernd Pischetsrieder geforderte Regelung. "Zum Jahresbeginn 2005 sitzt Deutschland in Sachen Dieselfilter immer noch im Ruß-Nebel", kritisierte Resch. Eine Förderung des Rußfilters - obwohl von Bundeskanzler Gerhard Schröder für Anfang 2005 versprochen - liege in weiter Ferne. "So werden wir uns zur Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub auf Verkehrsbeschränkungen in den Kommunen konzentrieren", kündigte der DUH-Geschäftsführer an.

Mehr Jobs durch mehr Umweltschutz

Lichtblick des zurückliegenden Jahres sei das neue Gentechnikgesetz meint der BUND, das der gesamten Europäischen Union als Vorbild dienen könne. Neuer Auftrieb für die Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse sei von der Weltenergiekonferenz in Bonn ausgegangen. Deutschland werde jedoch sein Ziel verfehlen, bis 2005 die Klimagase im Vergleich zu 1990 um 25 Prozent zu reduzieren.

Durch mehr, nicht durch weniger Umweltschutz würden neue Arbeitsplätze entstehen, sagte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt. "Beim Stromsparen und Wärmedämmen, bei erneuerbaren Energien, im Ökolandbau und Naturtourismus - überall gibt es ungenutzte Potentiale." Dringend erforderlich sei zum Beispiel die Gleichstellung von Bahn und Flugzeug in Steuerfragen, damit wieder mehr Fahrgäste im Zug sitzen und mehr Güter auf der Schiene bewegt würden. "Außerdem muss das Gesetz zur Endlagersuche für den Atommüll jetzt kommen", forderte Zahrnt.