Die Regierung gestalte die Bundeswehr zum Zwecke der Interventions- und Angriffsfähigkeit um wie noch nie und bietet NATO und EU besonders schnell verfügbare Bundeswehrkontingente an: 6.200 Soldaten für die 21.000 Mann starke superschnelle Eingreiftruppe der NATO (NRF), die Beteiligung an vier der dreizehn so genannten „battle groups“ (wörtlich „Schlachtgruppen“) der EU, die ebenfalls innerhalb weniger Tage „vor allem in Afrika“ einsetzbar sein sollen. Das „Battle-group“-Konzept sieht keine ausschließliche Bindung an ein UN-Mandat vor.
Das vorliegende Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht vor, dass „Einsätze bei Gefahr in Verzug, die keinen Aufschub dulden“, keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages bedürfen. Die Zustimmung sei „unverzüglich nachzuholen“ (§ 5). Das Parlament tritt damit seine vom Bundesverfassungsgericht 1994 ausdrücklich bestätigte Kompetenz, über bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden („Parlamentsheer“), an die Regierung ab. Die Regierung kann über eine blitzartige Zusage, die Bundeswehreinheiten an multinationalen Eingreiftruppen teilnehmen zu lassen, Fakten schaffen. Eine Korrektur der Entscheidung durch das Parlament ist kaum denkbar, denn die Regierung wird darauf verweisen, dass ein deutscher Rückzug aus einem multinationalen Verband die gesamte Operation in Frage stellen würde.
Würde das Parlament vom im Entwurf des „Entsendegesetzes“ vorgesehenen Rückholrecht (§ 8) gegen den Willen der Regierung Gebrauch machen wollen, käme dies faktisch einem Sturz der Regierung durch die Regierungsfraktion gleich. Das Rückholrecht wird sich somit in der Praxis als Scheinrecht erweisen. Da im Gesetz eine Bindung an ein Mandat der UN unterlassen wird, ist hierdurch ein Einstieg in Präventivkriegsabenteuer von NATO und EU programmiert.
Für "Einsätze von geringer Intensität und Tragweite“ (im ersten Entwurf hieß es noch „von geringer Bedeutung") soll ein "Vereinfachtes Zustimmungsverfahren" (§ 4) eingeführt werden. Für Erkundungskommandos, die auch Waffen zur Selbstverteidigung tragen, aber auch für einzelne Soldaten, die in NATO, UNO oder EU einen Auftrag erfüllen, ist kein förmlicher Bundestagsbeschluss mehr notwendig. Er gilt als beschlossen, wenn nicht binnen sieben Tagen eine Fraktion oder fünf Prozent aller Abgeordneten widersprochen haben. So sind beispielsweise Einsätze von AWACS-Flugzeugen, die eine geringe Anzahl deutscher Soldaten an Bord haben, einer öffentlichen Debatte entzogen. Dieses Verfahren soll – schlimmer noch – auch Anwendung finden bei der Verlängerung von Missionen, so dass auch längere Auslandseinsätze einer öffentlichen Debatte entzogen werden.
Das Gesetz beschleunigt den Einsatz der Bundeswehr. Weltweite Interventionen der neu zu bildenden 35.000 Mann starken "Eingreifkräfte" im Rahmen von NATO und EU drohen der parlamentarischen und damit der öffentlichen Kontrolle zu entgleiten. Dieses Gesetz bildet zudem die Grundlage für die Globalisierung der Bundeswehr, dessen weltweite Ambitionen möglichst geräuschlos umgesetzt werden sollen.
Nachdem der Bundestag bisher allen Anträgen der Regierung auf Auslandseinsätze der Bundeswehr jeweils mit überwältigenden Mehrheiten zugestimmt hat, fragt man sich, was das Verteidigungsministerium denn nun vorhat, dass es sich die Entsendung von Soldaten in Kriegsgebiete nun noch leichter machen will. Das „Parlamentsbeteiligungsgesetz“ ist in Wahrheit also ein Parlamentsentmündigungsgesetz. Der Bundesausschuss Friedensratschlag lehnt aus den genannten Gründen das Entsendegesetz in Gänze ab.