Legale Rüstungsexporte
"Im Unterschied zu einer Reihe anderer Staaten" sei die Rüstungsexportpolitik für die deutsche Bundesregierung "kein Instrument ihrer Außenpolitik", schrieb das Bundeswirtschaftsministerium. Wenige Sätze zuvor wird der Export von Kriegsschiffen nach Südafrika und Malaysia außen- und handelspolitisch begründet: "Im Einzelfall können auch sicherheitspolitische Erwägungen für einen Export sprechen. So liegt die Sicherung der vielbefahrenen Seewege vor Südafrika und Malaysia nicht nur im Interesse Deutschlands, sondern bedeutet ebenso einen Sicherheitsgewinn für die internationale Gemeinschaft."
"Keine Lieferung in Krisengebiete"
"Keine Lieferung in Krisengebiete" betont weiterhin das Ministerium. Der Rüstungsexportbericht mache deutlich, "dass die Bundesregierung eine restriktive Rüstungspolitik verfogt". Damit Rüstungsgüter aus Deutschland nicht dazu verwendet würden, "Krisen zu verschärfen" oder "im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden", liege jeder Entscheidung "eine genaue Prüfung des Einzelfalls" zugrunde. "Dabei ist die Beachtung der Menschenrechte für jede Exportentscheidung "von hervorgehobener Bedeutung".
Die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsgegner (DFG-VK)" betont hingegen, dass Länder wie Malaysia, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur und Saudi-Arabien in "Spannungsgebieten" lägen. Nach dem aktuellen Jahresbericht von amnesty international sei die Menschenrechtslage in diesen Ländern "äußerst bedenklich".
Für Peter Strutynski von der "AG Friedensforschung an der Universität Kassel" ist es ein "Skandal", dass sich Länder wie Kolumbien, Kambodscha, Kasachstan, Namibia oder Pakistan unter den Empfängern deutscher Waffen befänden. "Völlig ins Zwielicht gerät die Exportpraxis indessen, wenn man sieht, dass es kaum ein Land im Nahen Osten gibt, das nicht beliefert würde", so Strutynski. "Genehmigt werden regelmäßig Exporte nach Ägypten, Iran, Israel, Jordanien, Kuwait, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Länder dieser Kriegs- und Krisenregion." Damit verstoße die Bundesregierung gegen ihre eigenen Exportrichtlinien vom 19. Januar 2000, wonach "Exporte in Spannungsgebiete" nicht erlaubt seien.
Auch nach Auffassung von amnesty international "widerlegt die Bundesregierung mit ihren Exportgenehmigungen für Indien, Nigeria, etliche Staaten des Nahen Ostens und Südostasiens ihre eigene Verlautbarung, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern". "Unverständlich" seien Lieferungsgenehmigungen nach Ägypten, Mexiko, Saudi-Arabien und Thailand.
Von den Grünen werden die Exporte in den Nahen Osten sowie "in einzelne Länder Asiens" als "kritisch" bewertet.
"Kleinwaffen sind Massenvernichtungswaffen"
"Insbesondere im Kleinwaffen und Munitionsbereich" ist es nach Auffassung der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und dem Wehrexperten der grünen Bundestagsfraktion Winfried Nachtwei "zu Genehmigungen und Exporten gekommen, die wir vor dem Hintergrund einer menschenrechtsorientierten und restriktiven Rüstungsexportpolitik nur schwer nachvollziehen können."
?Als katastrophal" ist auch für Jürgen Grässlin von der DFG-VK die Entwicklung im Bereich der Kleinwaffen anzusehen. "Kleinwaffen sind Massenvernichtungswaffen, mit denen weltweit 95 Prozent der Kriegsopfer getötet werden. Obwohl Rot-Grün dies weiß, sind die Einzelgenehmigungen für Kleinwaffenexporte in Drittstaaten von 4,2 auf 8,5 Millionen Euro verdoppelt worden" so Grässlin.
Kritik am Außenwirtschaftsgesetz und der "Freiheit des Handels"
Von den Grünen kam auch Kritik an den Genehmigungen für den Export der so genannten "sonstigen Rüstungsgüter". Dabei handelt es sich beispielsweise um Ersatzteile für Munitionsfabriken. Hierfür gelte nicht das strengere Kriegswaffenkontrollgesetz, sondern "das schwächere Außenwirtschaftsgesetz", das die "Freiheit des Handels" besonders hervorhebe. Antragsteller, also Rüstungsfirmen hätten deshalb einen "nur schwer zu beschränkenden Genehmigungsanspruch".
Eine solche "rechtliche Einladung zum weltweiten Rüstungsexport" gebe es sonst nur noch in Österreich. "Weil auch Rüstungsgüter, die keine Kriegswaffen im engeren Sinne sind, sehr sensible Güter sein können", wollen die Grünen, "dass es auch in Deutschland künftig keinen grundsätzlichen Genehmigungsanspruch mehr gibt."
Tatsächlich Genehmigungen für mehr als 7 Milliarden Euro?
Die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsgegner (DFG-VK)" wies darauf hin, dass die reale Zahl der genehmigten Rüstungsexporte nicht bei den in den Medien allseits genannten 4,9 Milliarden, sondern "deutlich über 7 Milliarden Euro" liege.
So müssten neben den Einzelgenehmigungen auch die Sammelausfuhren sowie Dual-Use-Güter berücksichtigt werden. Die 11 958 Einzelgenehmigungen summieren sich laut Rüstungsexportbericht 2003 auf 4,864 Milliarden Euro. Hinzu kommen "Sammelausfuhrgenehmigungen" im Gesamtwert von etwa 1,3 Milliarden Euro. Die im Rüstungsexportbericht ausgewiesenen Genehmigungen summieren sich demnach auf etwa 6,1 Milliarden Euro. Unter Berücksichtigung von "Dual-Use-Gütern" ergibt sich für die DFG-VK ein Gesamtvolumen von deutlich über 7 Milliarden Euro.
Auch amnesty kritisierte, dass der diesjährige Rüstungsexportbericht erneut die Genehmigungen für Dual-use-Güter sowie für Elektroschockwaffen und andere Ausrüstung für Polizei und Sicherheitskräfte verschweige. Als Beispiel für die Problematik von Dual-use-Gütern nennt die Organisation "deutsche Dieselmotoren, die im Jahr 2003 als Antrieb für ukrainische Schützenpanzer über die Ukraine nach Myanmar (Burma) gelangt sein sollen - trotz eines EU-Waffenembargos".
Genehmigte Rüstungsexporte an kriegführende Staaten
Der Rüstungsexportbericht weist nach Staaten gegliedert aus, für welche Rüstungsgüter im Jahr 2003 Genehmigungen erteilt wurden. So konnten in die Vereinigten Staaten, die mehrere Kriege führen, beispielsweise Gewehre, Revolver, Pistolen, Scharfschützengewehre, Maschinenpistolen, Maschinengewehre und Waffenzielgeräte geliefert werden. Waffen, mit denen möglicherweise im Häuserkampf irakischer Städte derzeit auf Menschen geschossen wird.
Auch Hubschrauber, Schleppflugzeuge, Triebwerke, Bodengeräte, Drohnen, Teile für Flugzeuge und Bordausrüstung durften aus deutschen Rüstungsfabriken an die USA geliefert werden. Weiterhin auf der Liste: Nebelmunition, Abschuss- und Treffersimulatoren, Minenräumsysteme, Minenvernichtungssysteme, Teile für Bomben, Granaten, Raketen, Flugkörper, Abschuss- und Treffersimulatoren, Handhabungsausrüstung, Minenräumsysteme. Weiterhin: Teile für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Landfahrzeuge. Nicht zuletzt: Waffen-Übungsgerät und Teile für Simulatoren und Ausbildungsgeräte.
Vom finanziellen Wert her nahezu bedeutungslos erscheint beispielsweise eine Genehmigung für Exporte in die Republik Niger. Für 6200 Euro durften mit Billigung des Bundeswirtschaftsministeriums 31 000 Schuss Munition für Gewehre in das westafrikanische Land exportiert werden.
Der Rüstungsexportbericht weist aus, dass 2003 insgesamt 4040 Handfeuerwaffen, 142 großkalibrige Waffen, 1077 Munitionseinheiten, eine Anzahl von 228 "Bomben, Torpedos, Flugkörper", 1643 militärische Ketten- bzw. Radfahrzeuge sowie 379 Kriegsschiffe exportiert werden durften.
Hinsichtlich des finanziellen Wertes lag der Schwerpunkt der Ausfuhrgenehmigungen mit einem Anteil von rund 40 Prozent auf militärischen Ketten- und Radfahrzeugen, also Panzern, Transportfahrzeugen und ähnlichem. Es folgen die Kriegsschiffe mit einem wertmäßigen Anteil von etwa 23 Prozent.
Die Namen der Rüstungsfirmen wie den Panzerherstellern Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, die die Exporte beantragt haben, werden in dem Bericht nicht genannt. Krauss-Maffei Wegmann ist nach eigenen Angaben "die führende Systemfirma auf dem Gebiet gepanzerter Rad- und Kettenfahrzeuge in Europa".