November 2004
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Geschwister-Scholl-Preis 2004 für Soazig Aaron
Die französische Schriftstellerin Soazig Aaron ist für ihren ersten Roman "Klaras Nein" mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2004 ausgezeichnet worden. Die Tagebuch-Erzählung "Klaras Nein" schildert die fiktive Geschichte einer Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, die sich zurück in Paris kategorisch weigert, wieder ein "normales Leben" zu führen. "Doch sie kommt nicht wirklich, denn die, die da kommt, ist nicht mehr Klara. Sie will ihre kleine Tochter nicht mehr sehen, fragt nicht nach ihrem Mann, sie kommt lediglich, um sich zu verabschieden", heisst es in einer Rezension von buchtips.net. Klara sieht sich als ansteckende Gefahr für das Kind Victoire, als Verkörperung der Gefahr von Auschwitz, nichts als ein Minenfeld.
Erbschaftsteuer für Schulbildung in neun Einheits-Jahren
Grünen-Fraktionschefin Krista Sager fordert eine Erhöhung der Erbschaftsteuer zu Gunsten der Bildung. "Ganz große Vermögen sollten stärker belastet werden", sagte Sager der "Berliner Zeitung". "Die Mehreinnahmen sollten ausschließlich in das Bildungswesen investiert werden." Nach ihren Schätzungen könnten so allein zusätzliche 500 Millionen Euro im Jahr für die Schulen mobilisiert werden. Gleichzeitig machte Sager Druck für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Dieses System sei "gescheitert". Sie plädierte für eine Schule, in der alle Kinder neun Jahre gemeinsam unterrichtet und gemeinsam gefördert würden. Dies zwinge die Lehrer, stärker auf die individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen Schülers einzugehen.
Drohender Ärztemangel in Deutschland
Der Ärztemangel hat nach Angaben des NAV-Virchow-Bundes - Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands - inzwischen auch den Westen Deutschlands erreicht. Durch die zunehmende Bürokratisierung des Arztberufes sowie die seit Jahren andauernde Kostendämpfung werde der Beruf des niedergelassenen Arztes immer unattraktiver, sagte der Bundesvorsitzende der Organisation, Maximilian Zollner, am Montag anlässlich der diesjährigen Bundeshauptversammlung in Berlin. In einigen ländlichen Gebieten sei die Versorgung bereits kritisch.
Föderalismusreform soll nicht zum Dumpingwettbewerb auf Kosten der Natur führen
Wenn in der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung beschlossen wird, dass die Bundesländer ihre Naturschutzstandards einzeln und unabhängig setzen können, drohe ein Wettbewerb zulasten der Natur, warnten am Montag der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Naturschutzbund (Nabu). Der Bund müsse die Gesetzgebungskompetenz für alle naturschutzrelevanten Bereiche erhalten, insbesondere um ein einheitliches Umweltgesetzbuch realisieren zu können. Ein solches sei schon seit Jahren in Planung. Bundeseinheitliche Konzepte und Standards seien notwendig, da die Natur nicht an den Landesgrenzen ende. Würden den Ländern Zugriffsrechte auf die Naturschutzgesetzgebung und verwandte Bereiche zugestanden, könnte jedes Land mit seinen eigenen Vorstellungen vom Bundesgesetz abweichen, meint DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. Deutschland würde damit ein juristischer Flickenteppich.
Zeuge: Daschner setzte Folterdrohung gegen Meinung von Kollegen durch
Im Frankfurter Folterprozess hat ein Zeuge den angeklagten ehemaligen Polizei-Vizepräsidenten der Stadt, Wolfgang Daschner, schwer belastet. Der damals zuständige Polizeiführer in dem Entführungsfall berichtete am Montag vor dem Landgericht Frankfurt am Main, Daschner habe sich mit seiner Anweisung, dem Entführer des Bankierssohns Jakob von Metzler unter ärztlicher Aufsicht Schmerzen zuzufügen, über rechtliche Bedenken von Kollegen und ein alternatives Handlungskonzept hinweggesetzt. Daschner ist wegen Verleitung zur Nötigung angeklagt.
Patent auf Sonnenblumen
Wenige Wochen vor der Umsetzung der EU-Biopatent-Richlinie in deutsches Recht hat Greenpeace erneut ein weit reichendes Patent auf Saatgut aufgedeckt. Das Patent auf Sonnenblumen, die einen verbesserten Ölgehalt haben, habe die spanische Behörde Consejo Superior de Investigaciones Cientificas im September 2004 vom Europaeischen Patentamt (EPA) erhalten. Das Patent erstreckt sich auf jede Variante dieser Sonnenblume, so Greenpeace, unabhängig davon, ob sie aus normaler Züchtung stammt, aufgrund von Mutationen oder durch den Einsatz von Gentechnik entstanden ist.
Zentralrat der Muslime fordert mehr politische Teilhabe
Die Muslime in Deutschland fordern eine größere politische Teilhabe, um die Integration zu verbessern. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, sagte der in Kassel erscheinenden "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen", Sprachförderung sei nur ein erster Schritt. Man müsse auch mehr Mut haben, Muslime in die Parteien aufzunehmen und sie zur Mitwirkung in der Kommunalpolitik und in Rundfunkräten zu ermutigen.
Münchner entscheiden sich gegen Wolkenkratzer
Mit einem Bürgerentscheid beschlossen die Münchener am Sonntag ein Verbot weiterer Hochhausbauten von über 100 Metern Höhe. Mit einer knappen Mehrheit von 50,8 Prozent entschieden die Bürgerinnen und Bürger, dass die berühmten Frauentürme der Münchner Marienkirche künftig den Höhenstandard für neue Gebäude in der bayerischen Landeshauptstadt setzen sollen. Damit soll der Blick aus der Innenstadt auf die prächtige Alpenkette frei von störenden Beeinträchtigungen durch Wolkenkratzer bleiben. 21,9 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung beteiligten sich an der Abstimmung.
Verschärfte Kontrollen und Erhöhung der Haftpflicht für Tanker gefordert
Der Name "Prestige" steht zwei Jahre nach der Havarie für eine der bisher schlimmsten ökologischen Katastrophen der Seeschifffahrt: Rund 65.000 Tonnen Schweröls flossen seit dem 19. November 2002 in den Atlantik. Dazu kommen 1.500 Tonnen, die auch nach Abschluss der Arbeiten in diesem Herbst nicht aus dem Wrack geborgen werden konnten. Tausende Tonnen der giftigen Fracht haben sich als zäher Teppich über den Meeresboden gelegt und bilden dort nach WWF- Ansicht das schwerwiegendste Zukunftsproblem der Katastrophe.
Proteste gegen Folterbefürworter in verschiedenen Städten
Seit dem 18. November 2004 steht der vorläufig suspendierte Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner in Frankfurt vor Gericht. Daschner machte im Herbst 2002 eine Anweisung, einen Verdächtigen foltern zu lassen, aktenkundig, und beschwor damit gezielt eine öffentliche Debatte über die Legitimität und die Legalität von Folter herauf. In verschiedenen Städten organisierte Libertad! am Donnerstag und Freitag Protestaktionen gegen Folter und ihre Befürworter. In Saarbrücken wurde gegen Oskar Lafontaine protestiert und an seinem Haus plakatiert.
Massiver Eingriff in die Medien im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen
Die Regierung der Ukraine behindert nach Auffassung der Organisation "Reporter ohne Grenzen" die Medien an einer objektiven Berichterstattung über die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen am 21.November. Bereits im Vorfeld der ersten Wahlrunde vom 31. Oktober hätten die Medien ausschließlich zugunsten von Viktor Janukowitsch, dem jetzigen Premierminister der Ukraine, informiert. Nun versuche die Regierung weiterhin, Berichte über den Gegenkandidaten Viktor Juschtschenko zu unterdrücken. Reportern, die dennoch die oppositionelle Seite zu Wort kommen lassen wollten, würden Informationen verweigert. Sie würden sogar entlassen oder tätlich angegriffen.
Feinstaubkonzentration wegen Verkehrsbelastung "erheblich überschritten"
Das Umweltbundesamt warnt vor feinen Staubpartikeln, die die Gesundheit schädigen können. Vor allem in den Wintermonaten gebe es in Deutschland an einzelnen Tagen immer wieder flächendeckend zuviel Feinstaub in der Luft - so genannte Episoden. Dann werde der gesundheitlich bedenkliche Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an vielen Messstationen "erheblich überschritten". Die zulässigen Grenzwerte würden zum Teil um den Faktor 3 überschritten. Schuld ist offenbar das hohe Verkehrsaufkommen.
Mehr Engagement von Regierung und Bundestag zur Kinderarbeit gefordert
Weltweit verrichten rund 171 Millionen Kinder und Jugendliche gefährliche Arbeiten, die die Gesundheit und Entwicklung schädigen. Fast 8,5 Millionen Kinder werden als Sklaven missbraucht, in die Prostitution gezwungen oder als Soldaten zwangsrekrutiert. Weitere 67 Millionen Kinder arbeiten länger, als nach internationalen Bestimmungen erlaubt. Diese Zahlen meldet das NGO-Forum Kinderarbeit in einer Aufforderung an Bundesregierung und den Bundestag, die Anstrengungen zur Verwirklichung der Kinderrechte zu verstärken. Ein zentraler Aspekt hierbei sei die Armutsbekämpfung. Viele der ärmsten Länder hätten auf Druck von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank radikale Liberalisierungen durchgeführt, die oft zu katastrophalen Folgen für Kinder und Jugendliche führten.
Gesundheitskompromiss: Zwei Milliarden Euro mehr für Besserverdienende?
Nach Angaben des bisherigen Gesundheitspolitikers von CDU und CSU, Horst Seehofer, würde der "Gesundheitskompromiss" der in der Opposition befindlichen Union zu einer massiven Begünstigung von Besserverdienenden führen. Er selbst bekäme als Besserverdienender für seine drei Kinder im Monat 210 Euro für Versicherungsbeiträge, die er bislang selber bezahle, sagte er am Donnerstagabend in der ARD. Im Unions-Modell summierten sich diese Zuschüsse insgesamt auf zwei Milliarden Euro. Auf der anderen Seite müssten eine Million Kinder zur Sozialhilfe. Aufgrund seines nachhaltigen Widerspruchs verlor Seehofer am Donnerstag die Zuständigkeit in der Fraktion für den Bereich Gesundheit. Er soll künftig für Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig sein.
"Enduring Freedom wird fortgesetzt"
ngo-online dokumentiert einen Text der Grünen Bundestagsfraktion mit dem Titel "Enduring Freedom wird fortgesetzt - Die Mission ist Teil der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" vom 19. November 2004.
Überwachung des Bürgers durch Staat und Wirtschaft
Anlässlich der 28. Datenschutzfachtagung DAFTA "20 Jahre nach Orwell" vom 18. bis 19. November 2004 in Köln, hielt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz eine Rede zur "Überwachung des Bürgers durch Staat und Wirtschaft - Welche Perspektiven hat der Datenschutz?". ngo-online dokumentiert die Rede von Peter Schaar im Wortlaut.
Rot-Grün wegen Haltung zu Gen-Patenten kritisiert
Greenpeace und Misereor weisen die Behauptung einer Expertengruppe von SPD und Grünen, sie hätte mit ihrem Beschluss vom 11. November die Reichweite der umstrittenen Patente auf Gene wirkungsvoll begrenzt, als irreführend zurück. Der aktuelle Beschluss der rot-grünen Expertengruppe zur Umsetzung der EU-Patentrichtlinie in deutsches Recht sieht vor, dass die Antragsteller in Patentbeschreibung und Patentansprüchen darlegen, welche kommerziellen Anwendungen sie mit den patentierten Genen planen. Die Expertengruppe behauptet, hierdurch würde die Reichweite der Patente begrenzt. In dem Beschluss fehlt jedoch die notwendige Klarstellung, dass die Patente in ihrer Reichweite tatsächlich auf konkret dargelegte Funktionen des Gens begrenzt werden sollen.
Qualitätsvorsprung für Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau bewiesen
Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau hält, was es verspricht: Bei 92,1 Prozent aller Proben lassen sich keinerlei Pestizide oder lediglich Spuren im Bereich der Nachweisgrenze feststellen. Diese hervorragende Bilanz kurz vor Abschluss des bundesweiten Projekts "Monitoring-System für Obst und Gemüse im Naturkostfachhandel" präsentierte am Donnerstag der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) Herstellung und Handel e.V. in Hamburg.
Kostenexplosion beim Heizen und bei Klimaschäden
Die deutsche Solarwirtschaft fordert die kurzfristige Einleitung einer Gesetzesinitiative zum verstärkten Ausbau von Solarwärme. Durch ein solares Wärmegesetz könne der Klimaschutz deutlich voran gebracht und die Abhängigkeit deutscher Verbraucher von steigenden Öl- und Gaspreisen spürbar reduziert werden. In den letzten zehn Jahren haben sich die Heizkosten nahezu verdoppelt. Die stärkere Nutzung von Solarwärme gewinnt damit zunehmend auch unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit und zur Dämpfung volkswirtschaftlicher Belastungen an Bedeutung, sagten Wirtschaftsexperten am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Islamistendatei existiert bereits
Die von Bundesinnenminister Otto Schily geforderte Islamistendatei gibt es nach Angaben des Hörfunksenders NDR-Info bereits. Wie der Sender am Donnerstag berichtete, wird beim Bundeskriminalamt eine "Fundstellendatei islamistischer Terrorismus" (FIT) geführt. Dabei handele es sich um eine so genannte Indexdatei, in der verzeichnet ist, bei welchen Behörden Informationen über "verdächtige Islamisten" vorliegen. Die Innenminister der Länder beraten am Donnerstag und Freitag mit Schily in Lübeck auf einer Innenministerkonferenz unter anderem über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und über die Islamistendatei.