Auf Daschners Geheiß hin soll ein Kriminalbeamter dem Metzler-Entführer Gäfgen nach dessen Festnahme im Herbst 2002 Schmerzen angedroht haben, um den Aufenthaltsort des elfjährigen Jakob zu erfahren. Der Kriminalbeamte, der die Drohung ausgesprochen haben soll, wird ebenfalls der Nötigung beschuldigt. Im Falle eines Schuldspruchs droht beiden Beamten eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Der Prozess soll bis kurz vor Weihnachten dauern.
Daschner hat die Foltervorwürfe gegen ihn am Donnerstag vor Gericht bestritten. Der Foltervorwurf sei "absurd". Er räumte zugleich aber ein, einen Kriminalbeamten angewiesen zu haben, dem Entführer des Bankierssohnes Jakob von Metzler Gewalt anzudrohen, um den Aufenthaltsort des Jungen zu erfahren.
Daschner berief sich bei seinem Vorgehen auf das Notwehrprinzip. Dieses sei gesetzlich gedeckt. Es sei ihm darum gegangen, in einer Extremsituation das Leben des Kindes zu retten. Jakob habe sich damals nach seiner Einschätzung in höchster Lebensgefahr befunden. Auch der Kriminalbeamte Ortwin E., der die Drohung gegenüber dem Entführer Magnus Gäfgen aussprach, räumte die Androhung von Gewalt ein. Auch er berief sich aber auf Notwehr.
Mitwirkung des Innenministeriums unklar
Bezüglich der fraglichen Rückendeckung aus dem Wiesbadener Innenministerium nennt Daschner laut "Spiegel" nicht, mit wem genau er im Ministerium gesprochen habe, bevor er die in dem Vermerk dokumentierte Anweisung gab. Er habe jedoch Rückendeckung für sein Vorgehen mit den Worten bekommen: "Machen Sie das! Instrumente zeigen!" Das Ministerium versicherte dem Magazin dagegen, es gebe keine Hinweise auf eine solche Rückversicherung.
Alarmiert reagierte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Walter, auf den Spiegel-Bericht. Wenn Daschner tatsächlich aus dem Innenministerium Rückendeckung für seine Folterandrohung erhalten haben sollte, wäre das nach seiner Ansicht "ein Skandal ersten Ranges im Zuständigkeitsbereich von Innenminister Volker Bouffier".
Bouffier sagte, er habe im Zusammenhang mit ähnlichen Spekulationen bereits zu Jahresbeginn dienstliche Erklärungen "von allen, die im Ministerium und im Landespolizeipräsidium in Betracht kamen", gesammelt. Nachdem das Thema am Wochenende durch den "Spiegel"-Bericht noch einmal auf die Tagesordnung gerückt sei, habe er zusätzlich bei dem in der Zwischenzeit ins Amt gekommenen Landespolizeipräsident Norbert Nedela eine Diensterklärung eingeholt. Möglichkeiten und Veranlassung, noch weitere Nachforschungen anzustellen, sah er nicht.
Gewaltandrohung nicht erst als letztes Mittel?
Laut "Spiegel" ist weiterhin fraglich, ob Daschner sich in dem anstehenden Verfahren darauf berufen kann, Gewalt erst als letztes Mittel in Erwägung gezogen zu haben. So habe sich Jakobs Schwester Elena stundenlang im Polizeipräsidium für eine Gegenüberstellung mit dem ihr persönlich bekannten Gäfgen bereit gehalten.
Tatsächlich sei es aber nie zu einer solchen Konfrontation gekommen. Gäfgen selber soll dem Magazinbericht zufolge behauptet haben, bei einer Gegenüberstellung mit Elena von Metzler hätte er "sofort erzählt", wo Jakob sei. Anstelle des Gesprächs sei es zu der Folterandrohung gekommen.
Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass zahlreiche internationale und nationale Konventionen Folter ohne jede Ausnahme verbieten. "Das Verbot gilt absolut, es gilt auch für die Androhung von Folter und darf auch in Notstands- und Kriegszeiten nicht eingeschränkt werden. Das Verbot gilt auch im Fall Daschner", so Roth. Die Eindeutigkeit in dieser Frage habe einen guten Sinn. "Jede Ausnahme öffnet Grauzonen und führt auf die schiefe Ebene."
Nach einem Bericht von amnesty international sind polizeiliche Misshandlungen und unverhältnismäßige Gewaltanwendungen in Deutschland an der Tagesordnung. Selbst der UN-Anti-Folter-Ausschuss hatte der Bundesrepublik in der Vergangenheit empfohlen, über Misshandlungsvorwürfe schneller zu entscheiden und eine statistische Erfassung der relevanten Vorgänge vorzunehmen.