In einem am Montag veröffentlichten Positionspapier schreibt Nachtwei, "mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) ist nicht mehr die traditionelle Landesverteidigung, sondern die Teilnahme an multinationaler Krisenbewältigung für die Bundeswehr strukturbestimmend." Nach dem 11. September und mit diesen Richtlinien habe die deutsche Sicherheits- und Militärpolitik "eine enorme Entgrenzung" erfahren.
Die Praxis der Auslandseinsätze der Bundeswehr von Kosovo bis Afghanistan sei allerdings ernüchternd, "vom Irak ganz zu schweigen". Angesichts des Ausbaus schneller Interventionsfähigkeiten von NATO und EU, angesichts immer häufigerer Spekulationen über neue Einsätze stelle sich vor allem bei Soldaten, aber auch in der Öffentlichkeit vermehrt die Frage nach den "neuen Grenzen" von Auslandseinsätzen. Der Auftrag der Bundeswehr sei dringend zu klären. Die Diskussion über ein "Bundeswehraufgaben-Gesetz" könnte ein Katalysator in diesem dringenden Klärungsprozess sein, so Nachtwei. Bei der seit Jahren diskutierten Wehrreform gehe es um die Schlüsselfrage, "wofür wir welche Streitkräfte haben wollen".
Nachtwei sieht grundsätzlich die Gefahr einer "hemmungslos einsetzbaren Söldnertruppe". Dies wolle man nicht. Gleichzeitig bezeichnet er den "großen Verteidigungsfall", gemäß Grundgesetz der Auftrag der Bundeswehr, als "Vergangenheit". "Hauptauftrag der Bundeswehr ist, dem Schutz der Bundesrepublik und ihrer Verbündeten durch Beteiligung an multilateraler Krisenbewältigung im Rahmen des VN-Systems zu dienen."
"Dafür bedarf es kleinerer, hochprofessioneller, schnell einsatzbereiter und durchhaltefähiger Streitkräfte. Das Anforderungsprofil an Soldaten steigt. Grundwehrdienstleistende, die nach ihren Ausbildungsphasen nur wenige Monate zur Verfügung stehen, werden immer weniger gebraucht." Für Auslandseinsätze stünden sie wegen unzureichender Ausbildung gar nicht zur Verfügung. "Das ist ein Musterbeispiel für den ineffizienten Einsatz von Arbeitskräften", so Nachtwei.
Aus diesen Gründen verlangen die Grünen den Beginn eines Abschieds von der Wehrpflicht. Unter Verweis auf den Bericht der Weizsäcker-Kommission vom Mai 2000 schreibt Nachtwei, dass eine Freiwilligenarmee (Berufsarmee) von 220.000 Zeit- und Berufssoldaten den sicherheitspolitischen Anforderungen in vollem Umfang entspreche.
Der vom grünen Bundesvorstand unterstützte Weg hin zu einer Berufsarmee sieht unter anderem die Einführung eines "freiwilligen, flexiblen und attraktiven Kurzdienstes" von zwölf bis 24 Monaten vor. Nach einer entsprechenden Ausbildung sollten auch Kurzdienern Auslandseinsätze ermöglicht werden, und der Dienst soll Frauen wie Männern offen stehen.
Während das Positionspapier am 8. November 2004 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, begannen US-amerikanische und irakische Soldaten und Soldatinnen im Auslandseinsatz, Männer, Frauen und Kinder in der irakischen Stadt Falludscha zu erschießen.