DIE Internet-Zeitung
Kritik an geplanter Gesetzes-Novellierung

Per Glücksspiel in die Pleite

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Glücksspielanbieter haben gegenwärtig Konjunktur. Ob Online-Casinos, Automatenbetreiber oder Lotto-Tippgemeinschaften - immer mehr Leute hoffen auf das schnelle Geld zu sparen und werden dabei abgezockt. "Über das Internetauktionshaus eBay werden beispielsweise regelmäßig Lottosysteme mit angeblich '100-prozentiger Gewinngarantie' versteigert", nennt Ariane Lauenburg, Expertin der Zeitschrift "Finanztest", eine beliebte Methode. Doch auch der Staat unterstützt die Spielsucht.


Verstärkt drängen inzwischen auch aus dem Ausland dubiose Anbieter auf den Markt, meist per Fax und E-Mail. Sie heißen "Honest Lottery International. Holland" oder "El Gordo Sweepstake Lottery" aus Madrid und schicken ungefragt vermeintliche "Gewinn"-Benachrichtigungen ins Haus. "Die Kontovollmachten sind aber gleich beigefügt", warnt Brigitte Niklas von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Ihr dringender Rat: "Finger weg von solchen Angeboten und auf keinen Fall irgendwelche Angaben über Kontoverbindungen geben!"

Aber auch Einrichtungen wie das am 1. Juli dieses Jahres von Hessen in Betrieb genommene Online-Casino der Spielbank Wiesbaden verlocken zum gedankenlosen Zock per Kreditkarte. "Solche niederschwelligen Angebote könnten noch mehr Menschen in den Ruin treiben", warnt die Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht, Ilona Füchtenschnieder. Es gebe bei derartigen Varianten "nicht die Spur einer sozialen Kontrolle".

Experten schätzen die Zahl der Spielsüchtigen auf "inzwischen mehrere Hunderttausend", sagt Füchtenschnieder. "Die Muster, wie die Spielsucht die Existenz zerstört, verlaufen fast immer in den gleichen Stufen: Zuerst verspielen sie die eigenen Mittel, dann auch noch das Geld von Familie und Freunden. Da klaut der Sohn schon mal den Schmuck der Mutter." Und schließlich wird ein erheblicher Prozentsatz der Glücksspielsüchtigen kriminell. Beschaffungsdelikte wie Diebstahl, Unterschlagung oder gar Bankraub seien keine Seltenheit.

Das größte Problem, so die Verbandsvorsitzende, seien die Geldspielautomaten, die für 80 Prozent der Spielsüchtigen sorgen, "offiziell aber gar nicht als Glücksspiel gelten". "Leider rechnen wir inzwischen damit, dass sich dieses Problem verschärft." Hintergrund ist die vom Bundeswirtschaftsministerium geplante Novellierung der Spielverordnung. Dadurch werden die Spielautomaten in Kneipen und Spielhallen schneller, denn die Einzelspielfolge verkürzt sich von zwölf auf drei Sekunden. Oder anders ausgedrückt: Spieler können ihr Geld dann wesentlich schneller verzocken.

"Geplant ist ein höchstmöglicher Verlust pro Stunde und Gerät von 95 Euro. Im schlechtesten Fall kann man so in dreieinhalb Stunden sein ALG II verspielen", formuliert es Füchtenschnieder sarkastisch. Zudem sollen mehr Automaten auf dergleichen Fläche aufgestellt werden. Sie fordert daher kurzfristig eine Abgabe auf die Automaten mit Suchtpotenzial - vergleichbar der Alkopopsteuer. Mittelfristig sollten die Automaten aus Gaststätten und Spielhallen vollständig abgebaut werden, wie es in der Schweiz ab 2005 der Fall sein wird. Glücksspielautomaten würden dann nur noch in Casinos stehen.

Der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie (VDAI), Paul Gauselmann, bewertet die Novelle naturgemäß ganz anders. Eine "zeitgemäße Neugestaltung des gewerblichen Spielrechts" sei notwendig, "um offensichtliche Nachteile im Wettbewerb mit den staatlichen Anbietern von Glücks- und Gewinnspielen auszugleichen". Eine neue Spielverordnung eröffne vielmehr "Chancen auf bis zu 20.000 neue Arbeitsplätze in diesem Wirtschaftszweig". In den Parteizeitschriften von SPD und Grünen - "Vorwärts" und "Schrägstrich" - hat der Lobbyverband der Automatenindustrie, AWI, bereits mehrere großformatige Anzeigen geschaltet.

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