Als "Wirtspflanze" für die Gentechnik-Medizin ist neben Tabak auch Mais, eines der Hauptnahrungsmittel, im Gespräch. Käme diese nicht verordnete Medizin in die Nahrungskette, könnte dies lebensbedrohliche Folgen für die Konsumenten haben, warnt das Umweltinistitut. "Neuartige Lebensmittelskandale wie ungewollte Tollwutimpfungen durch in die Nahrungskette gelangten Pharma-Mais drohen", befürchtet Andreas Bauer, Gentechnik-Experte beim Umweltinstitut München. Schon bei Freisetzungsversuchen in den USA sei klargeworden, dass selbst in einem streng überwachten Rahmen keinerlei Sicherheit gewährleistet werden könne: Transgene Maiskörner, die einen Impfstoff gegen eine Viruskrankheit bei Schweinen produzieren, wurden in einem Silo in Nebraska zwischen Sojabohnen gefunden."Pflanzen können kostengünstig angebaut werden", wirbt Professor Julian Ma von der St. George?s Hospital Medical School in London, wissenschaftlicher Koordinator des Genforscher-Konsortiums. "Wenn wir diese gentechnisch so verändern, dass sie die genetische Information für ein Medikament enthalten, können wir große Mengen an Impfstoffen oder Pharmazeutika zu niedrigsten Preisen produzieren."
Umweltinistituts-Gentechnik-Experte Bauer kritisierte, die EU-Kommission mache sich "wieder einmal" zum Erfüllungsgehilfen eines Projekts, das ausschließlich den Profitinteressen der Industrie diene. "Die Folgen des Anbaus genmanipulierter Nahrungspflanzen auf die Umwelt sind schon katastrophal genug", kritisiert er. "Medikamente mit menschlichen Genen, die sich selbstständig auf Feldern und in der Nahrungskette verbreiten, sind ein Alptraum." Sogar nach Ansicht des britischen Gentechnikbefürworters Jeremy Sweet vom britischen National Institute of Agricultural Botany in Cambridge sei ihr Anbau daher "schlichter Wahnsinn".
Heute bestreite niemand mehr, dass sich transgene Pflanzen in der Natur unkontrollierbar verbreiten und nicht wieder rückholbar sind. Durch Wind, Wildinsekten oder Bienen kann Pollen über große Entfernungen verfrachtet werden. Auch bei Ernte und Verarbeitung kommt es zu Gen-Verschmutzungen. "Die Geister, die die Gentechnikindustrie gerufen hat, wird sie schon jetzt nicht mehr los", meint das Institut: Monokulturen, Super-Unkräuter und resistente Schädlinge seien die Konsequenz des "völlig verfehlten" Ansatzes der Gentechniker. Was mit Vögeln oder Insekten geschehe, die mit Pharma-Pflanzen in Kontakt kommen, sei vollkommen ungeklärt, scheine aber angesichts der erwarteten Gewinne uninteressant.
Das Forscherkonsortium hat als Erprobungsstandort neben Orten in Europa auch Südafrika im Sinn. "Europäische Verbraucher haben sich klar gegen Agro-Gentechnik ausgesprochen", stellt Bauer fest. Offensichtlich wichen die Forscher wegen der öffentlichen Ablehnung in der EU und niedriger Umweltstandards in anderen Ländern auf Südafrika aus. "Das ist der Gipfel von Zynismus und Verantwortungslosigkeit in der Wissenschaft", konstatiert Bauer.
Das Umweltinstitut München forderte ein weltweites Verbot der Freisetzung "vermehrungsfähiger Gen-Medikamente" und aller übrigen genmanipulierten Pflanzen.