"Die EU verfolgt ihre handelspolitischen Liberalisierungs- und Deregulierungsziele auf mehreren Ebenen: Gleich der Fahrt auf einer mehrspurigen Autobahn wechselt die EU auf dem Weg zur umfassenden WTO-plus Agenda nach Bedarf zwischen bilateraler, regionaler und multilateraler Strategie", beschreibt Klaus Schilder, Referent für EU-Nord-Süd-Politik bei WEED, die europäische Position.
Das EU bietet einen verbesserten Marktzugang im Agrarbereich an, "die eine Hälfte heute, die andere Hälfte später" als Zugeständnis im Rahmen der WTO-Agrarverhandlungen. "Die EU hat mit dieser ‚Teile-und-Herrsche’-Strategie die Spaltung der sog. G20 in den WTO-Agrargesprächen im Auge. Damit will die EU die von der G-20 eingeforderten notwendigen Reformen des Agrarsubventionssystems verhindern", kritisiert Marita Wiggerthale, WTO-Agrarexpertin bei Germanwatch.
Auf der Verhandlungsagenda des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mercosur stehen neben der Landwirtschaft aber auch die Bereiche Investitionen, öffentliches Beschaffungswesen, Marktzugang für Industriegüter sowie bei Dienstleistungen im Finanzsektor, der Telekommunikation und dem maritimen Handel. Um den Widerstand der Mercosur-Länder bei der weitgehenden Liberaliserung in diesen Bereichen zu brechen, hat die EU kürzlich ein lukratives Verhandlungsangebot im Agrarbereich unterbreitet: Erhöhung der Einfuhrquoten für Rindfleisch, Zucker, Geflügel und Ethanol - alles Exportprodukte von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für den Mercosur.
"Die wirtschaftlichen und technologischen Unterschiede zwischen der EU und den Ländern des Mercosur sind enorm. Verpflichtet sich die EU nicht dazu, diese Asymmetrien in einem fairen Abkommen zu reduzieren, werden wir alle zu den Verlierern des Freihandels zählen", kommentiert Claudia Torelli von der uruguayischen Organisation REDES die Gipfelvorbereitungen.
Noch ist unklar, ob ein neues Handelsabkommen bis Oktober zustande kommt. Brasilien, der Wortführer des Mercosur, hat bereits angekündigt, sich im Lichte der WTO-Verhandlungen keine politischen Erpressungsversuchen zu beugen. Bereits am 14. Juni wird auf einem "Mini-Ministertreffen" in Sao Paulo weiterverhandelt.