Eine Freiwilligenarmee, wie sie von den Grünen gefordert wird, lehnte der Minister ab. Dies brächte "erhebliche Nachteile und Risiken" mit sich, warnte Struck. Die Beispiele in anderen westeuropäischen Ländern zeigten, dass die Alternativen eine enorme Aufstockung des Wehretats oder eine drastische Reduzierung der Truppenstärke seien. Beide Varianten seien nicht zu verantworten.
Da immer weniger Wehrpflichtige gebraucht werden, wachse die Dienstungerechtigkeit, betonte der Grüne Nachtwei. Deswegen liege die Zukunft der Bundeswehr in einem Umbau zur Freiwilligenarmee, der "bis zum Ende des Jahrzehnts" geschafft sein könnte. "Die Wehrpflicht ist längst keine gleich belastende Pflicht mehr", unterstrich Nachtwei.
Die faktische Struktur der Bundeswehr sei ohnehin die einer Freiwilligenarmee, mit einem immer kleiner werdenden Anteil von Grundwehrdienstleistenden, erklärte Ralf Siemens von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. "Wenn nur noch jeder Zehnte eines Jahrgangs zur Bundeswehr einberufen wird, kann von einer verfassungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen nicht die Rede sein", verwies Siemens zudem auf das verfassungsrechtliche Problem. Nicht der Verzicht auf die Wehrpflicht würde Miliarden kosten, sondern der Umbau einer Armee von Verteidigung auf weltweite Interventionen.
Die Frage der Wehrgerechtigkeit ist nach Ansicht Strucks dagegen weiterhin gegeben. Die künftige Zahl der Wehrdienstleistenden sei sicherlich "weniger als die, die zur Verfügung stehen". Doch werde die Quote weitgehend ausgeschöpft. Daher könne von einer Wehrungerechtigkeit keine Rede sein. Im Übrigen sei das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts gegen die Wehrpflicht nur eines von 14, fügte Struck hinzu. Alle anderen 13 Urteile hätten die Wehrpflicht bestätigt. Zudem werde das Verteidigungsministerium gegen dieses Urteil in Revision gehen. Bei den anderen Gerichtsentscheidungen, auf die Struck sich berief, handelt es sich allerdings nicht um Urteile, sondern nur um Beschlüsse im Eilverfahren.
Mehrere Verwaltungsgerichte hatten in Eilverfahren zu entscheiden, ob Wehrpflichtige bis zur Entscheidung im Hauptverfahren ihrem Einberufungsbefehl nachkommen müssen. Nur das Verwaltungsgericht Köln hatte dies verneint, auch wenn weitere Gerichte die Einberufungspraxis als rechtswidrig ansahen. Der Schaden für die Bundeswehr sei allerdings höher als der für den einzelnen Wehrpflichtigen, auch wenn dieser unrechtmäßig einberufen würde.
Im Hauptverfahren, in dem die Frage der Rechtmäßigkeit der Wehrpflicht eingehend geprüft wird, hat bisher nur das Verwaltungsgericht Köln entschieden und wiederum dem Wehrpflichtigen recht gegeben. Dass weniger als die Hälfte der Wehrpflichtigen auch tatsächlich einberufen werden, verstoße gegen das Willkürverbot des Grundgesetzes. Die weitere Personalplanung der Bundeswehr sieht gar vor, dass zukünftig nur noch jeder Zehnte eines Jahrgangs zum Grundwehrdienst einberufen werden kann.
Struck bezweifelte Darstellungen, wonach die Wehrpflicht in der öffentlichen Meinung ein Auslaufmodell sei und Forderungen nach Abschaffung der Wehrpflicht nur diese verbreitete Strömung aufnähmen. Struck betonte: "Der gesellschaftliche Druck existiert nicht. Der überwiegende Teil der Deutschen ist für die Beibehaltung der Wehrpflicht."
Als Ersatz für die Abschaffung der Wehrpflicht kommt für den Grünen-Fraktionsvize Nachtwei eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen nicht in Frage, wie sie von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan angeregt wurde. Dies werde schon an der für eine Verfassungsänderung notwendigen Zweidrittelmehrheit des Bundestages scheitern, sagte Nachtwei voraus. Auch würde eine solche Pflicht den Bund mit 7 Milliarden Euro pro Jahr belasten, der Zivildienst koste dagegen 850 Millionen Euro. Zudem sei eine allgemeine Dienstpflicht "unrealistisch", da 700 000 Einsatzplätze gefunden werden müssten.