Sechs Jahre lang bekamen Menschenrechts- und Kinderrechtsorganisationen von der Regierung Kohl-Kanther zu hören, die Verabschiedung der KRK sei ein ‚Meilenstein’ in der Entwicklung der Menschenrechte; seit ebenfalls sechs Jahren lobt die Regierungskoalition sie als ‚Sternstunde der Menschenrechte’. Obwohl die Rücknahme der Vorbehalte Bestandteil der Koalitionsvereinbarung ist, boykottiert Bundesinnenminister Schily die Umsetzung gegen den Willen des Parlaments. "Opfer dieser vom Bundesinnenminister verletzten Fürsorgepflicht des Staates sind Tausende von Kinderflüchtlingen, die seit 12 Jahren, oft ohne hinreichende Prüfung der Betreuungsmöglichkeiten und einer dem Kindeswohl entsprechenden gesicherten Lebensperspektive in ihnen fremde Länder abgeschoben werden," erklärte PRO ASYL Vorstandsmitglied Heiko Kauffmann.
PRO ASYL fordert den Bundesinnenminister auf, sich nicht länger aus der politischen Verantwortung zu stehlen und die Beschlüsse des Bundestages und des Petitionsausschusses endlich umzusetzen. "Es ist die unendliche Fortsetzung eines beispiellosen Skandals über Kinderfeindlichkeit, institutionellen Rassismus und staatliche Missachtung von Völkerrechtsnormen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung maßgeblicher Konventionsbestimmungen für Flüchtlingskinder seit 12 Jahren entledigt", so Heiko Kauffmann weiter. Dies, weil sie sich durch ihre "Vorbehalts"- oder sogenannte "Interpretationserklärung" das Recht anmaße, (gegen die Bestimmungen der KRK) Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen.
Gerade diese Unterschiede mache die KRK eben nicht; sie gebe allen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren die gleichen Rechte und berücksichtige ihr Wohl und Interesse vorrangig vor allen staatlichen gesetzgeberischen und verwaltungsmäßigen Maßnahmen.
Auch die Kommission der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes in Genf - die schon bei Vorlage des ersten deutschen Staatenberichts 1995 (durch die Regierung Kohl/Kanther) heftige Kritik geübt und wesentliche Schutzbestimmungen für Flüchtlingskinder als "offensichtlich nicht gewährleistet" angesehen hatte - bekräftigte in den Verhandlungen über den zweiten deutschen Staatenbericht am 30.01.2004 ihre Kritik und Besorgnisse über die deutsche Praxis. Mit den Worten Prof. Dr. Lothar Krappmanns, deutsches Mitglied der Kommission für die Rechte des Kindes: "Die Kommission spricht der Bundesrepublik keineswegs das Recht ab, zu prüfen und zu entscheiden, ob sie jungen Menschen Aufenthalt gewährt. Sie erwartet jedoch, dass die Bundesrepublik sich dabei sowohl im Aufnahmeverfahren als auch bei der Gestaltung des Aufenthalts an die Regeln und Garantien hält, denen sie in internationalen Abmachungen und Verträgen selber ausdrücklich zugestimmt hat."
Auch Prof. Dr. Christian Tomuschat führt in seiner Stellungnahme für PRO ASYL: "Die Vorbehalte der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen für die Rechte des Kindes" aus, "dass ein Vorbehalt wie dieser, der gegen das Herzstück des menschenrechtlichen Schutzsystems gerichtet ist, in dem er eine Scheidelinie zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen aufrichtet, unter Art. 19 Abs. c) (des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge) fällt. Er ist damit unwirksam..." (S. 7) Unterscheidungen nach Staatsangehörigkeit seien in dem Übereinkommen zwar nicht verboten: "Aber es ist die zentrale Leitlinie aller Menschenrechtsabkommen, dass eigene und fremde Staatsangehörige im Grundsatz gleichgestellt sein sollen. ... Wenn indes ein genereller Vorbehalt gemacht wird, wird die Axt an einen Grundpfeiler des Menschenrechtsschutzes gelegt. Wie im 19. Jahrhundert werden die Grundrechte auf Rechte der Bürger des eigenen Staates reduziert." (S. 5/6)
Entgegen ihren erklärten Absichten fördere diese Politik fahrlässig Ausgrenzung und Rassismus, so Heiko Kauffmann. PRO ASYL appelliert an die rotgrüne Regierungskoalition und an die Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien, die Empfehlungen der Kommission für die Rechte des Kindes in Genf vom 30.1.2004 und des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages vom September 2001 ggf. durch einfach gesetzliche Regelungen - außerhalb des Zuwanderungsgesetzes - durchzusetzen.