Die andere Hälfte wünscht sich "eine vorsichtige Öffnung zu Gunsten der embryonalen Stammzellforschung." Auch wenn die Bürger "keine gemeinsame Meinung über den Zeitpunkt finden konnten, ab dem der Embryo als Mensch geschützt ist", lehnen sie die embryonale Stammzellforschung "in jedem Fall ab", wenn "Embryonen zum Zweck der Forschung hergestellt werden" und "Frauen ihre Eizellen zu anderen als Fortpflanzungszwecken gespendet haben". Zehn Teilnehmer sprechen sich gegen jegliche Form des Klonens aus, zwei billigen das therapeutische Klonen zur Gewinnung von Stammzelllinien.
Zur Begründung ihres Votums, "Forschung und Therapie mit adulten Stammzellen" verstärkt zu fördern heißt es weiter: "Sie ist das mildere Mittel. Die adulten Stammzellen sind nach unserem Eindruck für therapeutische Zwecke bisher besser geeignet und bieten Vorteile (keine Immunabwehr bei körpereigenen Zellen, bessere Steuerbarkeit der Zellentwicklung, geringeres Risiko der Tumorbildung, geringes Risiko der Fähigkeit, ein ganzes Individuum heranzubilden), die von den Vorteilen der embryonalen Stammzellen (Differenzierungspotential, Teilungsfreude) nicht aufgewogen werden."
Das Bürgervotum ist das Ergebnis eines mehrmonatigen Prozesses mit mehreren moderierten Klausurtagungen. Zuletzt hatten 12 Bürger in einer "Öffentlichen Anhörung zur Stammzellforschung" am 12./13. März 2004 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in Berlin Experten aus den Bereichen Stammzellforschung, Philosophie, Theologie, Sozialethik, Politik und Rechtswissen-schaften befragt. Darunter waren die ehemalige Bundesjustizministerin Prof. Herta Däubler-Gmelin (Berlin/Tübingen), der Entwicklungsbiologe Prof. Hans-Werner Denker (Universitätsklinikum Essen), die Professorin für Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin, Regine Kollek (Universität Hamburg), der katholische Ethiker Prof. Dietmar Mieth (Universität Tübingen) und die ehemalige Vorsitzende der Bundestags-Enquête-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin", Margot von Renesse. Zu der Anhörung waren rund 130 Besucher gekommen.
Veranstaltet hatten die Bürgerkonferenz im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Arbeitsgruppe "Bioethik und Wissenschaftskommunikation" am MDC und das Forschungszentrum Jülich (FZJ). Vor Beginn der Konferenz im Dezember 2003 hatte die MDC-Arbeitsgruppe 14 000 Bürger in Berlin, Petershagen (Brandenburg) sowie in Bernau (Brandenburg) angeschrieben. Von den über 400 Bürgern, die geantwortet hatten, wurden 20 Teilnehmer ausgelost, zuletzt hatten 15 bzw. 12 an der Konferenz teilgenommen. Sie hatten sich seit Oktober 2003 über Stammzellforschung und die damit verbundenen ethischen Fragen informiert.
Die Kosten für die Konferenz belaufen sich auf rund 85 000 Euro. Ihre Ergebnisse sollen als Buch veröffentlicht werden. Weiter wollen die Veranstalter untersuchen, inwieweit das "Instrument Bürgerkonferenz" geeignet ist, die Öffentlichkeit in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Berliner Bürgerkonferenz ist die zweite Veranstaltung dieser Art in Deutschland. Die erste Bürgerkonferenz fand 2001 in Dresden zu Fragen der Gendiagnostik statt.