DIE Internet-Zeitung
8. März

Fauler Kompromiss verschlechtert Rechtsstellung verfolgter Frauen

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Bei den Verhandlungen um das Zuwanderungsgesetz droht ein Kompromiss zu Lasten schutzsuchender Frauen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund droht durch Formulierungstricks leer zu laufen. Darauf weist PRO ASYL anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März 2004 hin und fordert die Parteien der Regierungskoalition auf, bei dem Thema der geschlechtsspezifischen Verfolgung keinen Schritt zurückzuweichen.


Nach neueren Informationen zum Verhandlungsstand soll die bisherige Formulierung im Zuwanderungsgesetz, die die Anerkennung geschlechtspezifischer Verfolgung regelt, aufgegeben und stattdessen eine derzeit auf EU-Ebene verhandelte Formulierung ins Gesetz aufgenommen werden. Die favorisierte Formulierung findet sich in der EU-Richtlinie über die Flüchtlingsdefinition. Deren Art. 12 Nr. 1. (d) lautet: "..., geschlechtsspezifische Aspekte können beachtet werden, ohne dass sie selbst alleine eine Vermutung für die Anwendbarkeit dieses Artikels begründen."

Im Klartext: Geschlechtsspezifische Verfolgung allein soll für die Anerkennung nicht genügen. Zu befürchten ist, dass Opfer von Genitalverstümmelung, Vergewaltigungen im staatlichen Gewahrsam und von systematischen Vergewaltigungen in Kriegssituationen kein Asyl bekommen würden. Dies wäre selbst im Vergleich zur bisherigen restriktiven Asylpraxis in Deutschland ein Rückschritt. Dass unter dem Deckmäntelchen einer Modernisierung des Zuwanderungsrechts der Menschenrechtsschutz in Deutschland weiter eingeschränkt wird, ist nicht hinnehmbar.

Flüchtlingsfrauen sind von aktuellen Strukturen politischer Verfolgung in besonderer Weise betroffen. Sie sind die Hauptleidtragenden in der um sich greifenden Gewalt in vielen Regionen dieser Welt, in denen staatliche Strukturen zerbrechen. Ihr Schutz gegen gewalttätige Warlords und Marodeure, gegen grausame Menschenrechtsverletzungen unter dem Deckmantel der Tradition darf nicht von der Frage abhängig gemacht werden, ob die Verfolgung von einem Staat ausgeht.

Die Anerkennung geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung sind unverzichtbare Bestandteile eines effektiven Flüchtlingsschutzes. Mit unzweideutigen Formulierungen muss der politische Wille klar gestellt werden, die Fluchtursachen von Frauen nicht länger als bloße private Übergriffe zu bagatellisieren.

Viele Frauen, die Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung geworden sind, leben in Deutschland lediglich mit einer immer wieder kurzfristig erneuerten Duldung. Unabhängig vom Schicksal des Zuwanderungsgesetzes muss ihrer Situation durch eine Bleiberechtsregelung Rechnung getragen werden, die eine Verfestigung des Aufenthaltes ermöglicht. "Dass heute afghanische Frauen, die vor der Willkürherrschaft und Frauenfeindlichkeit des Taliban-Regimes nach Deutschland geflohen sind, um ihre Zukunft bangen müssen, nachdem man ihnen jahrelang Asyl unter Hinweis auf den nichtstaatlichen Charakter der Verfolgung verweigert hatte, ist unerträglich", so PRO ASYL-Referentin Marei Pelzer.

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