DIE Internet-Zeitung
Umfrage

Kriegsbeginn im Irak ist Nachricht des Jahres

Am

Die Bekanntgabe des Kriegsbeginns im Irak ist die Nachricht des Jahres 2003. Zu diesem Ergebnis ist eine Umfrage der Internationalen Medienhilfe (IMH) gekommen, an der sich 1.400 Menschen beteiligt haben. Zum "Unwort des Jahres" wurde unterdessen von einer wissenschaftlichen Jury der Begriff "Tätervolk" gewählt. Die IMH hatte für das Ranking eine Liste der bedeutendsten Nachrichten des abgelaufenen Jahres erstellt.


Die Auswertung ergab, dass der Kriegsbeginn im Irak die Menschen weltweit am meisten bewegt hat. Mit 46 Prozent landete die entsprechende Meldung auf Platz 1 der Liste. Dahinter folgte mit 17 Prozent ebenfalls ein Irak-Thema, die Festnahme Saddam Husseins am 13. Dezember. Acht Prozent der Nennungen entfielen auf den Ausbruch der SARS-Epidemie im März. Die Explosion der Columbia am 1. Februar brachte es mit fünf Prozent der Stimmen auf Rang 4, drei Prozent entfielen auf die Einweihung der Bernsteinzimmer-Nachbildung in St. Petersburg.

Bereits zum 13. Mal hat sich eine Jury von Wissenschaftlern und Medienvertretern auf die Suche nach dem "Unwort des Jahres" gemacht. Dabei landete "Tätervolk" aus der umstrittenen Rede des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann auf Platz eins vor dem Ausdruck "Angebotsoptimierung". Damit sollte die Verringerung von Dienstleistungen beschönigt werden. Platz drei ging an "Abweichler". Dieser Ausdruck wurde im Vorjahr zur Beschreibung von Bundestagsabgeordneten missbraucht, die ihre grundgesetzlich verankerte Pflicht zur Gewissensentscheidung über einen Fraktions- oder Koalitionszwang stellten.

Am 20-01-2004

Hilfe zur Selbsthilfe für irakische Wissenschaftler

Minderheiten schützen

Beim Wiederaufbau des Irak helfen auch deutsche Wissenschaftler mit: In einem Kurs für zehn von der deutschen Vertretung ausgewählte irakische Wissenschaftler unterrichtet Dr. Hans-Joachim Heintze (Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der RUB, IFHV) über Minderheitenschutz. Dieses Seminar ist eines von fünf, die ab dem 10. Februar in Berlin stattfinden. Mit aktuellen Erkenntnissen aus Politikwissenschaft und Völkerrecht will man Möglichkeiten diskutieren, wie multiethnische Konflikte in dem vom Krieg gezeichneten Land gelöst werden können.

Der Kurs ist Teil der von der Bundesregierung zugesagten Hilfe für den Wiederaufbau des Irak. Ziel ist es, die lange Zeit vom internationalen Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossenen irakischen Wissenschaftler mit verschiedenen Modellen für die staatsorganisatorische Gestaltung von multiethnischen Gesellschaften vertraut zu machen. Damit sollen die irakischen Universitäten in den Stand versetzt werden, aktiv an einer neuen Nachkriegsordnung mitzuwirken.

Als Beispiel dienen auch die Erfahrungen der Deutschen, wie sie den Zweiten Weltkrieg und die Hitlerdiktatur überwunden haben. Dr. Heintze vom IFHV wird zwei Veranstaltungen zum Minderheitenschutz in Berlin durchführen. Sie handeln davon, wie ethnische Konflikte mit Hilfe von Autonomie- und Föderalismusregelungen gemildert werden können. Ethnische Konflikte spielen im Irak eine große Rolle, da die Bevölkerungsgruppen der Schiiten, Sunniten und Kurden in der Vergangenheit zumeist nicht friedlich zusammengelebt haben.

Das IFHV wurde 1988 vom Bochumer Völkerrechtler Prof. Knut Ipsen gegründet. Die beteiligten Wissenschaftler bearbeiten Fragen des Völkerrechts in Kriegen und bewaffneten Konflikten und bilden in interdisziplinären Studiengängen "Humanitäre Hilfe" und "Menschenrechte und Demokratisierung" unter anderem Helfer für "Blauhelmeinsätze" aus. Sie kooperieren dabei mit mehreren Universitäten europäischer Länder. Das IFHV ist auch mit einem Büro in Den Haag am Internationalen Gerichtshof vertreten.

Am 05-02-2004

US-Soldaten als Kriegsverbrecher

Irak

Vor laufender Kamera haben US-Soldaten im Irak auf Verwundete geschossen. Dies belegen Videos, die dem ARD-Magazin PANORAMA vorliegen. US-General Robert G. Gard, der heute für die amerikanische Stiftung der Vietnam-Veteranen arbeitet, bezeichnet in PANORAMA diese Vorfälle als "unentschuldbare Morde". Auch für den Hamburger Völkerrechtler Prof. Stefan Oeter wäre das Erschießen von Verwundeten ein "Kriegsverbrechen". Das US-Verteidigungsministerium lehnt hingegen auf PANORAMA-Anfrage jegliche Auskünfte ab. Theoretisch ließen sich solche Vorfälle auch durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag untersuchen. Allerdings sind die USA dem entsprechenden Abkommen bisher nicht beigetreten.

Einer der beiden dokumentierten Vorfälle ereignete sich am 1. Dezember 2003 nördlich von Bagdad. Die Luftaufnahmen stammen aus der Zielkamera eines Apache-Helikopters der 4. U.S.-Infanteriedivision. Sie zeigen drei Personen am Boden, die sich nachts neben zwei Fahrzeugen treffen und einen Gegenstand neben die Straße legen, den die Soldaten für eine Waffe halten. Die Hubschrauber-Besatzung erhält daraufhin über Sprechfunk den Befehl, die Personen zu erschießen. Nachdem zwei bereits getötet sind und einer sich schwer verletzt auf dem Boden windet, fragt ein Soldat aus dem Hubschrauber, ob er den Verwundeten auch noch erschießen soll. Die Antwort über Sprechfunk: "Hit him!" ("erschieß ihn!"). Direkt danach wird eine weitere Salve aus dem 30-MM-Bordgeschütz auf den Verwundeten abgefeuert. Insgesamt fallen fast 100 Schüsse.

Der zweite dokumentierte Vorfall wurde am 8. April 2003 von einer CNN-Kamera aufgenommen. Eine Einheit der US-Marines erschießt während der Durchsuchung eines Industriegebiets bei Bagdad einen vorher bereits schwer verwundeten Iraker. Danach ist auf dem Video Jubel der US-Soldaten zu hören. Nach Ansicht von Experten spricht auch hier vieles für eine eindeutige Verletzung des Völkerrechts, die eine Untersuchung dringend erfordern würde. Denn nach der Genfer Konvention ist das Erschießen von kampfunfähigen Verwundeten weder im Krieg noch in einer Besatzungssituation erlaubt.

Am 02-03-2004

Zivilbevölkerung und Soldaten im Irak mit Uran verseucht

Amerikanische Waffen

Zivilbevölkerung und Soldaten im Irak sind stärker durch abgereichertes Uran belastet als bisher offiziell zugegeben. Forscher der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main) konnten abgereichertes Uran im Boden wie auch zum Teil in geringen Mengen im Urin von Bewohnern der von den Golfkriegen I und II betroffenen Gebiete und der dort eingesetzten amerikanischen Soldaten nachweisen. Abgereichertes Uran wird und wurde als Kern in zahlreichen Geschossen verwendet, da es ihnen aufgrund der hohen Dichte des Urans eine erhöhte Durchschlagskraft verleiht. Der Uranstaub, der bei der Detonation beziehungsweise dem Einschlagen der Geschosse freigesetzt wird, steht im Verdacht, beim Einatmen die Gesundheit zu schädigen.

Im Golfkrieg I und II, aber auch im Kosovokonflikt, wurde die als gesundheitsgefährdend eingeschätzte Munition mit abgereichertem Uran vielfach eingesetzt. Kritiker bemängelten, dass bisherige Untersuchungen die Gefahr verharmlosten und das Problem bagatellisierten. Offiziell wurde erklärt, dass sich das abgereicherte Uran kaum oder gar nicht in der Umwelt und erst recht nicht im Urin von Menschen nachweisen lasse, es sei denn, die Kontamination erfolge über eine Wunde.

Neue, besonders genaue Untersuchungen des Instituts für Mineralogie der Universität beweisen jetzt das Gegenteil. Das Uranium Medical Research Center in Toronto, eine privat finanzierte Forschungseinrichtung, die von einem ehemaligen Arzt der amerikanischen Armee gegründet wurde, hatte die Entnahme von Bodenproben sowie Urin-Proben der Zivilbevölkerung im Irak im vergangenen September ohne offiziellen Auftrag veranlasst und diese von den Frankfurter Forschern untersuchen lassen. Die Urinproben der amerikanischen Armeeangehörigen wurden von der Tageszeitung New York Daily News beschafft. Die Forscher fanden in den Urin-Proben einen Anteil abgereicherten Urans von 0,2 bis etwa 10 Prozent des gesamten Urans. Dies sei zwar wenig, lasse aber noch keine abschließende Bewertung hinsichtlich des gesundheitlichen Gefährdungspotenzials zu.

Denn wenn die Uranpartikel durch Inhalation von Staub in die Lunge aufgenommen würden, lasse der Urintest nur bedingt eine Abschätzung des Ausmaßes der eingeatmeten Menge zu. Diese unter sehr hohen Temperaturen gebildeten Partikel sind nahezu unlöslich in der Lungenflüssigkeit und verbleiben daher möglicherweise über Jahrzehnte im Körper. Die radioaktive Wirkung des Urans, die äußerlich eher vernachlässigbar ist, hat im Inneren des Körpers eine andere Qualität, da die beim Zerfall entstehenden Alphateilchen sehr energiereich sind und direkt und über lange Zeit auf das Gewebe einwirken können.

Abgereichertes Uran (Depleted Uranium) fällt als Abfallprodukt beim Herstellungs- und Wiederaufbereitungsprozess von reaktorfähigem Uran an und behält dabei etwa 60 Prozent seiner Radioaktivität. Natürliches Uran kommt in der Natur vorwiegend gebunden im Kristallgitter von Mineralien vor, aus dem es sich nur schwer herauslösen lässt. Der Mensch nimmt es in kleinsten Mengen (ppm; parts per million bzw. parts per billion = milliardstel) über die Nahrung oder beim Trinken auf. Weniger als 1 Prozent davon gelangt in den Blutkreislauf, aus dem es zu über 90 Prozent innerhalb der ersten 24 Stunden wieder mit dem Urin ausgeschieden wird. Normale Uran-Konzentrationen im Urin sind häufig so niedrig (wenige ppt, parts per trillion = billionstel), dass sie unterhalb der Nachweisgrenze der meisten Bestimmungsmethoden liegen.

Am 02-04-2004

Berichte aus Falludscha belegen Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung

Irak-Krieg

Der renommierte australische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger prangert die Einsätze der US-Armee im Irak an: "Mit den tödlichsten Waffen, die Milliarden Dollar kaufen können" so, "und der durch Panik genährten Brutalität ihrer Fußsoldaten, haben mehr als 120.000 Invasoren eine Nation zerissen, die die Jahre Saddam Huseins überlebt hatte." Für Pilger sind diese Invasoren die ausländischen Terroristen: "Sie haben in den Irak eine tägliche mörderische Gewalt gebracht, die jene eines Tyrannen übertrifft, der nie eine Demokratie-Imitation versprach.", so schreibt er im "New Statesman" vom 16. April 2004.

Pilger kritisiert scharf die westlichen Medien, die kaum etwas von dem, was im Irak geschieht, berichten und durch den gehorsamen Gebrauch, der vom Pentagon vorgegebenen orwellschen Begriffe die Verhältnisse auf den Kopf stellen. Dem der die Wahrheit wissen will, empfiehlt er u.a. die mutigen täglichen Berichte von Jo Wilding, einem britischen Menschenrechtsbeobachter, aus Bagdad.

Jo Wilding berichtet von einer Fahrt nach Fallujah mit einem Medikamententranport. Die gesamte Stadt war nach dem Tod von vier Angestellten von Blackwater Security abgeriegelt worden und litt unter der Kollektivbestrafung von Wasser- und Stromsperren seit mehreren Tagen. Wilding erlebte eine Stadt im Krieg. In der kleinen Klinik, wohin die medizinischen Hilfsgüter von INTERSOS, einer italienischen Nichtregierungsorganisation geliefert wurden, erlebte er einen endlosen Strom von Frauen und Kindern, die von Scharfschützen der Amerikaner getroffen worden waren.

Wilding berichtet, dass es keinen Waffenstillstand gibt und offensichtlich nie gegeben hat. Irakische Frauen und Kinder würden von amerikanischen Scharfschützen beschossen. Über 600 Iraker seien schon jetzt durch die amerikanische Aggression getötet worden und die Anwohner hätten zwei Fußballfelder in Friedhöfe verwandelt. Selbst Krankenwagen würden von den Amerikanern beschossen. Und jetzt bereiteten sie eine vollständige Invasion der Stadt vor.

Am 19-04-2004

Zwei Journalisten im Irak getötet

Gefährlichster Ort für Journalisten

Im Irak sind am vergangenen Freitag südlich von Bagdad zwei Journalisten getötet worden. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen. Waldemar Milewicz, polnischer Kriegsreporter, und Munir Buamran, Algerier mit polnischem Pass, arbeiteten für den polnischen Fernsehsender TVP. Ein dritter Journalist, der polnische Kameramann Jerzey Ernst, wurde verletzt. Insgesamt seien 25 Journalisten und Medienmitarbeiter seit Beginn des Krieges im März 2003 im Irak getötet worden, zwölf davon allein in diesem Jahr. Damit gelte der Irak als der weltweit gefährlichste Ort für Journalisten.

Das Team der drei TVP-Journalisten, der Reporter Waldemar Milewicz, der Bildredakteur Munir Buamran und der Kameramann Jerzey Ernst, sei 30 Kilometer südlich von Bagdad in einen Hinterhalt geraten. In dem gleichen Gebiet habe es bereits zuvor Hinterhalte durch Aufständische gegeben.

Der irakische Medienmitarbeiter Assir Kamel Al-Kazzaz, der mit dem TVP-Team unterwegs war, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Ein Wagen tauchte hinter uns auf, seine Insassen schossen auf uns und töteten den polnischen Journalisten. Wir hielten an und ich stieg mit dem algerischen Kollegen und dem polnischen Kameramann aus. Das Auto drehte und kam zurück. Weitere Schüsse töteten den Algerier und verletzten den Polen."

Der 48-jährige Waldemar Milewicz hatte bereits von den Konflikten auf dem Balkan, aus Kambodscha, Ruanda und Tschetschenien berichtet. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Preise; 2001 wurde er in Polen zum Journalisten des Jahres gewählt. Sein Team war am 5. Mai aus Warschau abgereist.

Einheimische und ausländische Journalisten sind im Irak zahlreichen Risiken ausgesetzt, so die Organisation. Seit Kriegsbeginn seien sie häufig Opfer von Raubüberfällen und Angriffen durch bewaffnete Gruppen, die irakische Journalisten von US-finanzierten Medien im Visier hätten geworden. Durch Schüsse US-amerikanischer Soldaten seien allein sechs Journalisten umgekommen. Das Pentagon habe es jedoch bislang versäumt, die Fälle konsequent und unparteiisch zu untersuchen. Zudem seien mindestens sechs Journalisten - drei Tschechen, zwei Japaner und ein Franzose - als Geiseln genommen worden. Diese Arbeitsbedingungen schränkten eine Berichterstattung aus dem Land stark ein.

Am 10-05-2004

Britische Soldaten töten Zivilisten ohne Notwehr

Irak

Ein Bericht, den Amnesty International (ai) veröffentlich hat kommt zu dem Schluss, dass Britische Soldaten Zivilisten im Südirak erschossen haben, ohne dass sie unmittelbar bedroht gewesen wären. Unter den Opfern sei auch ein achtjähriges Kind sowie ein Gast einer Hochzeitszeremonie, so ai. Zahlreiche dieser Vorfälle seien nicht untersucht worden. In den Fällen, in denen die britische Militärpolizei Untersuchungen vornahm, erhielten die Angehörigen der Opfer keine oder ungenügende Informationen.

Der Bericht basiert auf Untersuchungen einer ai-Delegation im Südirak im Februar und März diesen Jahres. Die ai-Mitarbeiter befragten Angehörige der Opfer, Augenzeugen der Erschießungen, irakische Polizisten und Vertreter der irakischen Übergangsregierung. "Es reicht nicht, dass die britische Armee interne Untersuchung durchführt, wenn Personen getötet worden sind", sagte die Irak-Expertin der deutschen ai-Sektion Ruth Jüttner. ai fordert in allen Fällen eine umfassende, unparteiische und von einer zivilen Instanz durchgeführte Untersuchung.

Die achtjährige Hanan Saleh Matrud wurde im August 2003 durch einen Soldaten des King's Regiments erschossen. Ein Augenzeuge widerspricht der Version der britischen Armee, wonach das Mädchen zufällig durch einen Warnschuss getroffen worden sei. Er erklärte gegenüber ai, dass der Soldat aus ungefähr 60 Metern Entfernung auf das Mädchen zielte und dann einen Schuss auf sie abgab.

Im Januar dieses Jahres wurde dem 22-jährigen Ghanem Kadhem Kati' vor seiner Haustür in den Rücken geschossen. Britische Soldaten gaben aus gut 50 Metern Entfernung fünf Schüsse auf den unbewaffneten Mann ab. Sie reagierten auf Schüsse, die Teilnehmer einer Hochzeitsfeier in die Luft abgegeben hatten. Die Soldaten schossen, obwohl ein Nachbar sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es sich bei den Schüssen um Freudenschüsse gehandelt habe. Die britische Militärpolizei hat eine Untersuchung eingeleitet. Die Angehörigen des Toten sind bisher nicht informiert worden, wie sie eine Entschädigung geltend machen können.

Der Bericht dokumentiert auch Tötungen aus politischen oder "moralischen" Gründen durch bewaffnete Gruppen im britisch kontrollierten Süden des Irak. ai begrüßt die Anstrengungen Großbritanniens und anderer Regierungen, die irakischen Polizeikräfte zu stärken. Die irakische Polizei muss aber bereit sein, in allen Fällen von Gesetzesverletzungen aktiv zu werden. Bisher wurde keine einzige Untersuchung in Fällen von politischem Mord eingeleitet..

Am 11-05-2004

Ärzte warnen nach Folter durch Besatzer: Schäden für Generationen verursacht

Irak

Im UN-"Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" vom 10.12.1984 heißt es in Artikel 2, Abs. 2: "Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden." Die aktuellen Versuche, das Folterverbot angesichts des "Krieges gegen den Terror" zu relativieren oder Folter sogar zu rechtfertigen (in den USA Rumsfeld, Bush, Cheney; in Deutschland Wolfssohn), können nach ener Erklärung der IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg) nicht hingenommen werden.

Die IPPNW fordert, das UN-Übereinkommen ohne irgendwelche Einschränkungen strikt einzuhalten. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung gelinge es Folterern im allgemeinen nicht, mit ihren sadistischen "Verhörmethoden" relevante Informationen zu erhalten. Folter ziele vielmehr darauf ab, den Willen, die Selbstachtung, die Persönlichkeit des Opfers zu zerbrechen. Das soziale Umfeld des Gefangenen soll in Angst und Schrecken versetzt, das Netzwerk der oppositionellen Bewegung zerschlagen werden.

Folterer wollen ihre Opfer erniedrigen, sie ihrer Menschenwürde berauben. Folter zerstöre auf perfide Art den Menschen als Sozialwesen, ohne ihn zu töten. Folter schlage seelische Wunden, die lebenslang nicht verheilen. Folter erzeugt Entsetzen, Scham, Schuld- und Ohnmachtgefühl, Wut, Hass, Angst, Rachegedanken. Nach der Befreiung empfindet sich der Gefolterte als geschädigt, er ist unsicher und misstrauisch, schreckhaft und schlaflos. Er durchlebe die furchtbaren Ereignisse immer wieder, fühlt sich ständig bedroht und in Gefahr, kann seine Emotionen nicht kontrollieren, sieht keinen Sinn mehr im Leben, grübelt, zieht sich zurück, zerbricht. Kurz: "Ein Gefolterter wird nicht mehr heimisch in dieser Welt." (Amery)

Nicht nur der Gefolterte selbst leide lebenslang unter diesem "Beschädigtsein", sondern auch seine Familie, insbesondere die Kinder. Diese werden durch widersprüchliche, unkontrollierte und hilflose Reaktionen der Eltern verwirrt; es kann zur Rollenumkehr kommen ("Kinder werden Eltern ihrer Eltern"), zu Entfremdung und Hass. Diese Folterfolgen werden oft über mehrere Generationen weiter gegeben.

Rehabilitation von Folteropfern verlange eine jahrelange intensive Therapie, die ein hohes Maß an Geduld, Einfühlungsvermögen und Stresstoleranz voraussetzt. Ohne ein schützendes, sicheres Umfeld ist jede Therapie aussichtslos. In Deutschland gibt es 22 Zentren, in denen professionelle Hilfe möglich ist. Rehabilitation von Folteropfern stelle einen wichtigen Beitrag zur Überwindung von Gewalt, ein Stück Friedensarbeit dar.

Im Irak und in Afghanistan ist eine angemessene Behandlung von Folteropfern z.Z. völlig undenkbar. Erst wenn die Besatzungstruppen, die Folter zulassen oder sogar anordnen, die Länder verlassen haben, werde sich die Situation allmählich verbessern können.

Am 19-05-2004

Drei Reuters-Mitarbeiter von US-Soldaten misshandelt

Irak

Kurz vor Beginn des ersten Verfahrens im Skandal um die Misshandlungen irakischer Gefangener sind neue Anschuldigungen gegen die US-Armee erhoben worden. Ein Unteroffizier des US-Militärgeheimdienstes sagte am Dienstag dem US- Fernsehsender ABC, das wahre Ausmaß des Skandals werde vertuscht. In die Misshandlung von Gefangenen im Gefängnis Abu Ghraib seien dutzende Soldaten verwickelt gewesen, sagte der Unteroffizier Samuel Provance. Auch drei irakische Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters wurden nach eigenen Angaben von US-Soldaten in Irak misshandelt.

Die Agentur Reuters teilte am Dienstag mit, drei ihrer irakischen Mitarbeiter seien am 2. Januar festgenommen worden, als sie über den Abschuss eines US-Helikopters in der Nähe von Falludscha westlich von Bagdad berichten wollten. Während der dreitägigen Haft in einem Militärlager seien die beiden Reporter und ihr Fahrer sexuell erniedrigt, gedemütigt, bedroht und währenddessen fotografiert worden. Die Agentur habe sich entschlossen an die Öffentlichkeit zu gehen, weil die US-Armee trotz Nachfragen den Vorwürfen nicht nachgehe.

In einem ersten Bericht habe die US-Armee behauptet, die Misshandlungen der Reuters- Mitarbeiter seien nicht nachzuweisen, erklärte Reuters. Auf Nachfrage habe der US- Oberbefehlshaber für die Bodentruppen in Irak, Ricardo Sanchez, diesen Bericht als "gründlich und objektiv" bezeichnet. Reuters habe das Pentagon aufgefordert, die Ermittlungsergebnisse zu überprüfen, habe bislang darauf jedoch keine Antwort bekommen. Dass die Armee einen Abschlussbericht vorlege, "ohne überhaupt mit die mutmaßlichen Opfer befragt zu haben, spricht - zusammen mit anderen Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten - Bände darüber, wie ernst die US-Regierung diese Angelenheit nimmt", erklärte Reuters-Chef David Schlesinger in einem Brief an das US-Verteidigungsministerium.

In Bagdad muss sich am Mittwoch als erster von sieben angeklagten Militärpolizisten der Reservist Jeremy Sivits wegen der Affäre vor einem Militärgericht verantworten. "Es wird auf jeden Fall vertuscht", peophezeit Provance dem Fernsehsender ABC. Die Soldaten schwiegen entweder aus eigenem Antrieb oder weil es ihnen so befohlen worden sei. Provance war im September in Abu Ghraib für das Computer-Netzwerk des Militärgeheimdienstes zuständig; zurzeit ist er in Deutschland stationiert. Er habe die Misshandlungen zwar nicht selbst gesehen, doch hätten ihm Verhörspezialisten erzählt, dass sie die Militärpolizei zu einem groben Umgang mit den Gefangenen angewiesen hätten.

Am 19-05-2004

Friedensbewegung bereitet Tribunal gegen den Krieg vor

Nein zur Irak-Besatzung

Der Bundesausschuss Friedensratschlag, der sich in den letzten Wochen wiederholt mit der Situation im Irak und im Nahen Osten befasst hat, hält die jüngste Rede des US-Präsidenten für eine politische Katastrophe. Bushs 5-Schritte-Strategie zur Herstellung der Souveränität und zur Befriedung des Irak sei eine explosive Mischung aus Ignoranz und Arroganz. Bush verkenne den Ernst der Lage im Irak, wenn er davon ausgehe, dass die Besatzung von der irakischen Bevölkerung gutgeheißen und die versprochene Freiheit begrüßt würden.

Die Umfragen im Land, die Situationsberichte über die Stimmung in der Bevölkerung und der zunehmende Widerstand gegen die Besatzung (der sich keinesfalls nur in verbrecherischen Terrorakten gegen die Zivilbevölkerung ausdrückt) sprechen eine deutliche Sprache: Die Bevölkerung wünscht sich nichts sehnlicher als den Abzug der ausländischen Truppen und die Herstellung der vollen Souveränität des Landes, die auch die freie Verfügung über die Ressourcen des Landes einschließt.

Die Besatzung hat sich durch die bekannt gewordenen Folter- und Misshandlungszustände in den Gefangenenlagern selbst immer mehr ins Unrecht gesetzt und auch bei "gut meinenden" Irakern jeden Kredit verspielt. Eine Armee und ein Geheimdienst, die in einem fremden Land derart außerhalb jeden Gesetzes und internationalen Rechts Krieg führen und Menschen "behandeln", haben jeden Anschein einer Aufenthaltsberechtigung verloren.

Bush sitzt noch einer zweiten Lebenslüge auf: Seine Besatzungstruppen würden weiterhin benötigt, um das Land vor dem "Chaos" zu bewahren. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Je länger fremde Truppen im Land sind, desto größer wird das "Chaos", desto zahlreicher werden Anschläge und Terrorakte, desto mehr leidet die Bevölkerung unter Kriminalität, Plünderungen und Gesetzlosigkeit. Einer aktuellen AP-Erhebung zufolge starben seit dem offiziellen Ende des Irakkriegs (1. Mai 2003) pro Monat durchschnittlich 357 Bagdader eines gewaltsamen Todes. Im Jahr 2002 waren es dagegen nur 14 pro Monat.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag setzt dem 5-Schritte-Plan des US-Präsidenten eine in sich schlüssige Exit-Strategie entgegen, die aus folgenden fünf Elementen bestehen könnte: Schnellstmöglicher und geordneter Abzug aller Besatzungstruppen der "Kriegsallianz" aus dem Irak (Abschluss des Abzugs am 30. Juni). Abzug der US-Militärpersonen (einschließlich Geheimdienstmitarbeiter und privater Sicherheitsleute) aus den Gefangenenlagern; Unterstellung der Gefängnisse unter eine irakisch-internationale Kommission, wobei die internationale Komponente vom Roten Kreuz und vom Roten Halbmond gebildet werden sollte.

Der UN-Sicherheitsrat und die zum 1. Juli eingesetzte irakische Übergangsverwaltung bereiten allgemeine, gleiche und geheime Wahlen vor. Der Irak erhält die volle Souveränität und Verfügungsgewalt über seine natürlichen Ressourcen, insbesondere der Ölquellen. Der UN-Sicherheitsrat berät ein Programm zum wirtschaftlichen und infrastrukturellen Wiederaufbau des Landes; zu dessen Finanzierung sollen vor allem die Staaten der ehemaligen Kriegsallianz herangezogen werden (Reparationsleistungen).

Die Bundesregierung wird aufgefordert, keiner Resolution im UN-Sicherheitsrat zuzustimmen, welche die militärische Präsenz der Kriegsallianz im Irak verlängern würde. Wer Nein zum Krieg gesagt hat, muss heute auch Nein zur Besatzung sagen.

Die Friedensbewegung wird am 19. Juni in Berlin eine Anhörung zur Vorbereitung eines internationalen Irak-Tribunals veranstalten. Dort werden nicht nur die Handlungen der Kriegsallianz während des "offiziellen" Teils des Krieges, sondern auch jene Verstöße gegen die Genfer Konvention, die in der Zeit der 13-monatigen Besatzung begangen wurden, verhandelt. Bis dahin will der Bundesausschuss Friedensratschlag seine Aufklärung über die reale Lage im Irak verstärken und und dabei insbesondere für seine Exit-Strategie werben.

Am 26-05-2004

Deutsche Auftaktkonferenz zum Irak-Tribunal am 19. Juni 2004 in Berlin

Verantwortliche für Krieg benennen

Auf dem Kasseler Friedensratschlag im Dezember 2003 gründete sich eine bundesweite Initiative für einen deutschen Beitrag zum internationalen Tribunal über den Irak-Krieg. In verschiedenen Ländern der Welt, so in Japan, der Türkei, England, Belgien und der Ukraine, dort durchgeführt von Vertretern des Slawischen Bundes, fanden bereits Anhörungen statt, in anderen laufen Vorbereitungen dazu.

Ziel des Tribunals ist es, mit den Methoden eines Gerichtsverfahrens die Vorgeschichte des Irak-Krieges einschließlich des Embargos, die Kriegsbegründungen, Vorgehensweisen im Krieg und danach sowie die aktuellen Maßnahmen der Besatzungsmacht zu untersuchen. Die Anhörungen auf nationaler Ebene dienen der Erhebung gerichtsverwertbarer Beweise. Ihre Ergebnisse sollen in einem im kommenden Jahr stattfindenden internationalen Tribunal, wahrscheinlich in Madrid oder London, zusammengeführt werden, wo sie die Grundlage für eine öffentliche Anklage gegen die Verantwortlichen bilden werden.

Mit der Dokumentation gut recherchierter Fakten und ihrer völkerrechtlichen Beurteilung auf nationaler wie auf internationaler Ebene wollen die Initiativen angesichts weit verbreiteter Verharmlosung des Krieges und seiner Folgen Gegenöffentlichkeit schaffen.

Folgende Persönlichkeiten haben sich u. a. bereit erklärt, das Berliner Hearing durch ihre Mitarbeit zu unterstützen: Prof. Norman Paech (HWP Hamburg), Jitendra Sharma (IADL Intern. Association of Democratic Lawers Indien), Prof. Lennox Hinds (IADL), Dr. Hans v. Sponeck (ehemaliger Koordinator des humanitären UN-Hilfs-Programms für Irak, Elmar Schmähling (Flottillenadmiral a.D.).

Am 27-05-2004

Strafprozess gegen Kriegsgegner endet mit Niederlage für die Staatsanwaltschaft

Irakkrieg

Richter Rupp vom Frankfurter Amtsgericht hat am Montag, 14.6.2004, fünf angeklagte Kriegsgegner zu einer Geldbuße von je 5 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen zwischen 375 und 1.750 Euro gefordert. Die Betroffenen hatten während des Irakkrieges am 29.3.2003 an einer gewaltfreien Sitzdemonstration vor der US-Airbase Rhein/Main teilgenommen. Rupp gestand in seiner Urteilsbegründung den Kriegsgegnern zu, dass diese zu Recht in ihren Begründungen von einem völkerrechtswidrigen Krieg gesprochen haben. Obendrein wurde versucht, diesen nicht gerechtfertigten Krieg mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten zu verkaufen, so Richter Rupp.

Richter Rupp hatte die von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafbefehle ursprünglich nicht unterzeichnet. Daraufhin zwang ihn die Staatsanwaltschaft über das Landgericht, dennoch eine Hauptverhandlung durchzuführen. Wenn Richter Rupp nicht wegen des Nötigungsvorwurfs bestrafen wolle, müsse er zumindest in ein Ordnungswidrigkeitenverfahren überführen, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Im Prozess forderte die Staatsanwaltschaft erneut die strafrechtliche Verurteilung wegen Nötigung (§ 240 StGB). Richter Rupp lehnte dies unter Bezugnahme auf die Verfassungsgerichtsentscheidung (sog. Sitzblockadenentscheidung) von 1995 eindeutig ab. Bei gewaltfreien Sitzblockaden sei das Tatbestandsmerkmal der Gewalt nicht erfüllt. Außerdem könne er im Verhalten der Angeklagten kein sozialwidriges, rechtswidriges, mithin verwerfliches Handeln erkennen, worauf es aber für die Verwirklichung des Nötigungstatbestandes ankomme.

Der Staatsanwaltschaft warf Rupp vor, das Ordnungswidrigkeitenrecht als Hebel benutzt zu haben, um ihn zu einer Verurteilung zu drängen. Am liebsten - so Rupp - hätte er die Einstellung auch des Ordnungswidrigkeitsvorwurfs beschlossen. Da dies ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung nicht möglich sei, vollzog er eine "symbolische Verurteilung" (Rupp) der Angeklagten.

Die Kampagne "resist the war", die die Blockadeaktionen gegen den Irak-Krieg mitinitiiert hatte, wertet dieses Prozessergebnis als großen politischen Erfolg. Erstmals habe in den Frankfurter Verfahren ein Richter eindeutig von der Völkerrechtswidrigkeit des Irak-Krieges gesprochen und zugleich den Nötigungsvorwurf der Staatsanwaltschaft mit klarer verfassungsrechtlicher Begründung zurückgewiesen.

Am 15-06-2004

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