DIE Internet-Zeitung
Nicht sicherer als früher

Scharfe Kritik am Export der Hanauer Plutoniumfabrik

Am

Gegen den möglichen Export der Hanauer Plutoniumfabrik nach China protestiert Greenpeace am heutigen Freitag mit einer Großbild-Projektion an der Fabrik. Greenpeace fordert von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne), den Export der Fabrik auf keinen Fall zu genehmigen. Die Plutoniumfabrik könne große Mengen waffenfähiges Plutonium verarbeiten und sei ein Risiko für die internationale Sicherheit, so die Umweltschützer. "Mit dem Export der Fabrik würde Außenminister Fischer seine eigene frühere Politik ad absurdum führen", sagt Stefan Schurig, Leiter des Klima- und Energiebereiches bei Greenpeace. Auch Klaus Traube, Atomexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) widerspricht Darstellungen, die Atomfabrik Hanau sei nach einer Inbetriebnahme in China nicht militärisch nutzbar.


In den neunziger Jahren sei Fischer die Anlage zu gefährlich gewesen, heute sei sie aber kein Stück sicherer geworden. Fischer hatte als hessischer Umweltminister den Betrieb der Hanauer Fabrik jahrelang verhindert. Begründung damals: Die Plutoniumwirtschaft ist ein Risiko für die internationale Sicherheit. Jetzt hat Fischer Medienberichten zu Folge bereits seine Zustimmung zu dem Export signalisiert.

Die Hanauer Fabrik sei eines der zentralen Elemente der so genannten zivilen Plutoniumwirtschaft, so Greenpeace. Diese beginnt in den Wiederaufarbeitungsanlagen. Dort werden abgebrannte Brennelemente chemisch getrennt in Plutonium, Uran und Spaltprodukte. Das Plutonium werde anschließend in Fabriken mit Uran gemischt und zu Mischoxyd (MOX)-Brennelementen verarbeitet - wie es auch in Hanau geplant gewesen sei. Die MOX-Brennelemente würden dann erneut in Atomkraftwerken, speziell in den Reaktoren vom Typ "Schneller Brüter" eingesetzt. Dieser Reaktortyp gelte als besonders riskant. Die Plutoniumwirtschaft sei aber nur scheinbar "zivil".

Tatsächlich führe sie dazu, dass waffenfähiges Plutonium in großen Mengen verarbeitet und transportiert werde. Eine lückenlose Überwachung sei nicht möglich. Damit öffne sie dem Missbrauch von Plutonium für militärische Zwecke - etwa dem Bau einer Atombombe - die Tür. Die Hanauer Fabrik scheine außerdem nicht der einzige Fall deutscher Pro-Atom-Politik im Ausland zu bleiben: Nach Medienberichten habe die Bundesregierung bereits entschieden, den Neubau eines Atomkraftwerkes durch Siemens in Finnland mit einer Millionenbürgschaft zu unterstützen. "Das ist Energiepolitik á la Jekyll & Hyde", kritisiert Schurig. "Zuhause schreibt sich die Regierung den Ausstieg aus der Atomwirtschaft auf die Fahnen - im Ausland will sie diese offenbar im großen Stil fördern."

"In Deutschland wurde das Projekt Schneller Brüter auch deshalb beerdigt, weil das in solchen Reaktoren anfallende hochgiftige Plutonium in vielfacher Hinsicht ein Sicherheitsrisiko darstellt. China hat vor, in die Schnelle-Brüter-Technik einzusteigen und damit erhöht sich auch das Risiko eines militärischen Missbrauchs.", so Traube vom BUND. Deutschland dürfe nicht dazu beitragen, nur weil Siemens ein Geschäft machen wolle. Die Bundesregierung müsse die Ausfuhr der Atomfabrik Hanau untersagen, nur so könne sie in dieser Angelegenheit ihre Glaubwürdigkeit bewahren.

Der Export der Hanauer Atomanlage sei auch nicht der optimale Weg zur Entsorgung von bereits vorhandenem Plutonium, wie es Bundeskanzler Gerhard Schröder darstelle. Um das chinesische Plutonium zu entschärfen gebe es weniger risikoreiche Möglichkeiten wie eine Verglasung oder Keramisierung des Materials in Kokillen. Diese könnten dann endgelagert werden. Der Plutoniumkreislauf wäre so durchbrochen. In den USA würden auf diese Weise große Mengen von Plutonium dem Kreislauf entzogen.

China jedoch scheine eher daran interessiert, neue MOX-Brennelemente auf dem internationalen Markt zu verkaufen. Auch deutsche Energieversorger könnten dann zu den Abnehmern zählen.

Am 05. Dez. 2003

Unfall in ehemaliger Atomfabrik Hanau

Verseuchte Erde aus Fässern ausgetreten

Bei einem Unfall auf dem Gelände des ehemaligen Brennelementewerks von Nukem in Hanau ist nach Angaben des hessischen Umweltministeriums aus vier Fässern leicht strahlende Erde ausgetreten. Der Bereich sei sofort abgesperrt und das Bodenmaterial, abgeschirmt in einem provisorischen Zelt, in die Fässer zurück verfüllt worden, teilte das Ministerium am Freitag in Wiesbaden mit. Proben der Raumluft im Zelt hätten keine erhöhten Strahlungswerte ergeben.

Der Unfall ereignete sich nach Angaben des Ministeriums, als ein Gabelstaplerfahrer eine Palette umwarf, auf der sich Abfallfässer mit dem Bodenmaterial befanden. Dabei hätten sich die Spanndeckel von vier Fässern geöffnet, hieß es. Eine endgültige atomrechtliche Bewertung des Vorfalls stehe noch aus. Sie erfolge nach der Vorlage eines Gutachterberichts.

Die ehemaligen Atom-Anlagen in Hanau befinden sich seit mehreren Jahren im Rückbau. Wegen Sicherheitsmängeln war die Brennelemente-Produktion Ende der 80er Jahre auf Anweisung der hessischen Landesregierung gestoppt worden.

Am 30. Jan. 2004

Hanauer Atomfabrik geht vorerst nicht nach China

Kein Interesse mehr

Die Hanauer Atomanlage wird vorerst nicht nach China exportiert. Die chinesische Regierung erklärte am Dienstag, sie sei nicht mehr an der Siemens-Anlage interessiert. Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges IPPNW begrüßten die Entscheidung, warnte aber, dass mit der chinesischen Erklärung nur der Staatsbesuch des chinesischen Ministerpräsident in Deutschland in der kommenden Woche von diesem Konflikt entlastet werden könnte. Die initiative "Hanau selber kaufen" der IPPNW hat unterdessen mehr als eine Million Euro gesammelt, um Siemens die Atomfabrik abzukaufen und dann verschrotten zu lassen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte Anfang Dezember letzten Jahres auf seiner China-Reise verkündet, die Regierung in Peking wolle die Hanauer Anlage kaufen: "Es sieht nicht so aus, als ob es unbedingt etwas gäbe, was dagegen spräche." Das sah nicht nur der grüne Koalitionspartner anders, sondern auch ein breites Bündnis an Atomkraftgegnern, Friedensgruppen und Prominenten. Die IPPNW startete die Initiative "Hanau selber kaufen", die bis zum vergangenen Wochenende Verpflichtungserklärungen von rund 8.000 Menschen über insgesamt mehr als eine Million Euro sammelte, um Siemens die Anlage abkaufen zu können.

IPPNW und Greenpeace forderten die Bundesregierung auf, den Exportantrag abzulehnen. Der Export der Hanauer MOX-Anlage an China oder ein anderes Land versetze die Besitzer in die Lage, große Mengen waffenfähiges Plutonium zu produzieren, sagte Stephan Kolb, Vorsitzender der IPPNW. Experten hatten gewarnt, dass die Anlage modular aufgebaut sei und daher zumindest teilweise direkt für militärische Zwecke eingesetzt werden könne.

Am 27. Apr. 2004

Greenpeace lässt in Hanau die Sektkorken knallen

"Atomfabrik jetzt verschrotten!"

Den Stopp des Exports der Hanauer Atomfabrik nach China feiert Greenpeace heute vor den Toren der Siemens-Fabrik. Die etwa 20 Umweltschützer haben Riesen-Sektflaschen mitgebracht und lassen die Korken knallen. Ein Banner fordert: "Atomfabrik Hanau jetzt verschrotten!" Gestern hatte die chinesische Regierung mitgeteilt, dass die Verhandlungen über einen Kauf der Anlage gestoppt sind. Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, sich nun für den Export zukunftsfähiger Energietechnik nach China einzusetzen: Erneuerbarer Energien, bei denen kein gefährlicher Atommüll entsteht und Arbeitsplätze geschaffen werden.

"Der gescheiterte Export nach China hat gezeigt: Ein Verkauf der Anlage, egal in welches Land, ist rechtlich und politisch nicht durchsetzbar", sagt Susanne Ochse, Atomexpertin von Greenpeace. Siemens müsse sich dieser Realitat endlich stellen und aufhören, seine gefährliche Plutoniumfabrik wie einen Ladenhüter feilzubieten. Bis zum Jahresende müsse die Anlage unbrauchbar gemacht werden. Bereits 1995 musste Siemens das Vorhaben aufgeben, die Fabrik in Deutschland in Betrieb zu nehmen. Daraufhin versuchte der Konzern im Jahr 2000, die Anlage nach Russland zu verkaufen - ebenfalls ohne Erfolg.

Im Fall China hatte die Bundesregierung keinen rechtlichen Spielraum, den Export zu genehmigen - das hat ein juristisches Gutachten im Auftrag von Greenpeace bereits im Dezember 2003 nachgewiesen. Die Bundesregierung hätte mit einer Genehmigung gegen das Aussenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstossen.

Am 28. Apr. 2004

Kategorien
arbeit
Stichworte

Auswahl an Beiträgen zu den Stichworten