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"Schwarzbuch Straße"

9.000 Kilometer Weg bis zum Endverbraucher

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Pervers bis zum Irrsinn ist der Transit in den Alpen: 1.800 Tonnen holländische Tomaten werden jährlich nach Italien geliefert und im Gegenzug 12.500 Tonnen italienische Tomaten nach Deutschland. Das schreiben die Autoren des am heutigen Donnerstag erschienenen "Schwarzbuch Straße". Tiefkühl-Pommes aus norddeutschen Kartoffeln würden zum Waschen und Schälen nach Italien transportiert, in Holland verarbeitet und zurück nach Deutschland gefahren. Die beiden Autoren, Andreas Reisinger und Else Rieger, beschäftigen sich im umfassenden Werk mit der Katastrophe im Straßenverkehr, die sich durch kilometerlange Staus, verstopfte Straßen, schwere Unfälle und steigende Schadstoffmengen manifestieren.


"Der grenzüberschreitende Lkw-Verkehr wird bis zum Jahr 2015 um 182 Prozent steigen", so Rieger. Kritisiert wird von den Autoren auch die hastig überstürzte Liberalisierung. "Autobahn ist ein Teil eines gewaltigen Fließbandes", meint Riegler. Waren würden, ehe sie bei den Endverbrauchern landen, zum Globetrotter. Als Beispiel führt die Autorin nicht nur offensichtlich aus fernen Ländern eingeflogene Produkte an, sondern ein normales Fruchtjoghurt, das in Stuttgart hergestellt werde und bis zur Endproduktion bereits 9.000 Kilometer Weg zurückgelegt habe. Nicht mit eingerechnet sei die Lieferung zum Haushalt. Die enormen Kosten, die der Verkehr tatsächlich ausmache, würden nicht bezahlt.

"Es gibt keine Kostenwahrheit im Lkw-Verkehr", so Rieger. Nach einer Studie des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben Pkw-Fahrer durch Kfz- und Benzinsteuer schon vor der Einführung der Ökosteuer etwa das Doppelte der von ihnen verursachten Kosten für die Infrastruktur berappt. Deutsche Lkw seien nach dieser Studie gerade für 66 Prozent der Kosten aufgekommen, ausländische Lkw zahlten überhaupt nur 14,3 Prozent der Kosten. Allerdings berücksichtigt diese Studie nur einen Bruchteil der Straßen.

Co-Autor Reisinger, selbst als Lkw-Lenker unterwegs, kennt die Szene nur zu gut. Dass Waren quer durch Europa transportiert werden, und sich diese Fahrten immer noch lohnen, schienen Politiker und Verantwortliche zu ignorieren, so die Kritik. Der Fall von frischgefangenen Nordsee-Krabben, die nur zum Schälen quer durch Europa bis nach Tanger/Marokko transportiert würden, seien kein Einzelfall. Zu der großen Zahl an Transporten komme noch ein anderer Aspekt hinzu: die Aushebelung sozialer Gesetze, illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit.

"Betrug ist zum Kavaliersdelikt verkommen", so Reisinger. Es gebe kaum eine rechtliche Vorschrift im Güterverkehr, die nicht von findigen Unternehmern ausgehebelt wurde." Aus dem Frächterskandal sei nicht gelernt worden, meint Transport-Fachsekretär Georg Eberl von der Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr. Fritz Gurgiser vom Transitforum Austria kritisiert das Fehlen einer gesamteuropäischen Verkehrspolitik in einem "gnadenlosen System". Alleine das Lohngefälle zwischen Österreich und osteuropääischen Staaten stehe im Verhältnis eins zu acht.

Mit der völligen Liberalisierung des Verkehrs befürchten die Experten nicht nur die Aufweichung heimischer Steh- und Fahrverbotszeiten, sondern auch ein nahezu unüberschaubares Ansteigen des gesamten Verkehrsaufkommens. Die Politik habe nicht erkannt, dass der Grundsatz "Verkehr ist Leben" nicht mehr gültig sei, so Gurgiser. "Eine Änderung kann es nur geben, wenn der Straßengüterverkehr seine Kosten selbst tragen muss".

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