"Die Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit von Kindern und Jugendlichen wird von der werbenden Wirtschaft immer subtiler ausgenutzt", so vzbv-Chefin Müller. Dabei stünden häufig Produkte im Mittelpunkt, die zu Fehlernährung und Übergewicht beitragen oder Schulden verursachen können. Mit 700.000 Postkarten und über eine Website ruft der vzbv Eltern, Lehrer und Erzieher dazu auf, Beispiele für besonders fragwürdige und für besonders altersgerechte Werbung mitzuteilen.
Mit einer Kaufkraft von jährlich rund 20 Milliarden Euro seien die etwa 11 Millionen Mädchen und Jungen in Deutschland im Alter zwischen 6 und 19 Jahren eine lukrative Zielgruppe der Werbewirtschaft. Dementsprechend hoch sei der Werbedruck, dem Kinder und Jugendliche in Jugendzeitschriften, auf Plakaten, per SMS, via Internet und besonders im Fernsehen ausgesetzt sind. Es wird geschätzt, dass Kinder und Jugendliche allein im Fernsehen 900 Werbespots pro Monat sehen. Zudem drängt Werbung immer stärker in Bereiche ein, die bislang weitgehend werbefrei waren, beispielsweise Schulen. "Gerade diese Entwicklung ist höchst bedenklich", meint Marcus Ostermann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes (DFV). Eltern fühlten sich mit den ihren Kindern suggerierten Konsumwünschen zunehmend überfordert und alleingelassen.
Der vzbv sieht in der Werbeflut einen Grund für das seiner Ansicht nach fehlgesteuerte Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen. "Man wird nie genau bestimmen können, wie groß der Einfluss von Werbung auf die Wünsche von Kindern und Jugendlichen tatsächlich ist. Aber wenn sich die Millionenausgaben für die Unternehmen nicht lohnen würden, würde es diese maßgeschneiderte Werbung nicht geben", so Edda Müller. "Es ist kein Zufall, dass jedes fünfte Kind in Deutschland übergewichtig ist und dass die 6- bis 12-Jährigen ihr Taschengeld in erster Linie für Süßigkeiten ausgeben, wenn im Umfeld von Kinderprogrammen massiv für Schokoriegel, gezuckerte Milchprodukte, Eis, Softdrinks oder Snacks geworben wird."
Alarmierend sei auch, wenn 13-Jährige in Umfragen angeben würden, schon mehrfach betrunken gewesen zu sein und der Zigarettenkonsum bei 12- bis 17-Jährigen in nur vier Jahren von 20 auf 28 Prozent gestiegen sei. Problematisch sei zudem die zunehmende Verschuldung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. "Häufig ist die intensive Handy-Nutzung quasi die Einstiegsdroge für eine Verschuldungskarriere."
Erstes Ziel der Kampagne ist die Firma Kellog's mit ihrer Aktion "Kellogg?s Frosties für Schulsport". Kellogg wirbt derzeit mit der Aussage "Kellogg?s Frosties für Schulsport". Dabei sollen Schülerinnen und Schüler "Tony Taler" sammeln und diese dann gegen Sportmaterialien für die Schule eintauschen. So erhalte man beispielsweise für 50 Taler ein Badminton-Set, für 300 eine Beach-Volleyball-Anlage. Die Taler erhält man unter anderem durch den Kauf von Kellogg?s Frosties oder Kellogg?s Chocos-Packungen. Um ein Badminton-Set zu kaufen, sei somit der Kauf von 50 Packungen zum Preis von 2,79 Euro erforderlich, was einem finanziellen Aufwand von 139,50 Euro entspreche, während neuwertige Badminton-Sets bereits ab 14,99 Euro erhältlich seien.
Um die gesammelten Taler eintauschen zu können, ist es notwendig, einen Stempel der Schule in dem Sammelheft vorzuweisen. Das Pikante an der Geschichte: Sie wird von der Deutschen Schulsportstiftung unterstützt, in deren Kuratorium sämtliche Kultusminister der Länder vertreten sind.
Der vzbv hält das Vorgehen von Kellog?s für wettbewerbswidrig und hat deshalb seinem Rechtsanwalt einen Klageauftrag erteilt. Gleichzeitig hat der vzbv die Kultusminister um Stellungnahme gebeten. Denn: Mit der Aktion drohe kommerzielle Werbung sozusagen mit dem Stempel der Schule Einzug in die Klassenräume zu halten. Dem hält der vzbv den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag entgegen, der auch beinhalte, Schülerinnen und Schüler wenigstens in der Schule vor einem Übermaß an Werbeeinflüssen zu schützen.