DIE Internet-Zeitung
Flugaffäre

Verteidigungsminister bleibt vorerst im Amt

Am

Verteidigungsminister Rudolf Scharping bleibt vorerst im Amt. Bundeskanzlers Gerhard Schröder und die Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten stärkten Scharping auch nach neuen Vorwürfen demonstrativ den Rücken. Der Minister selbst machte am Donnerstag deutlich, dass er nicht zurückzutreten gedenke. Union und FDP gehen dagegen davon aus, dass Scharping nicht zu halten ist. Die Vorwürfe der Opposition konzentrieren sich auf die Inlandsflüge Scharpings mit Bundeswehrmaschinen sowie den umstrittenen Flug nach Mallorca im Anschluss an die Bundestags-Sondersitzung zu Mazedonien. Scharping versicherte vor der Fraktion, die Vorwürfe gegen ihn seien unberechtigt.


Scharping hatte Rücktrittsgerüchte schon vor der Fraktionssitzung dementiert. Er wolle weiter an der Fortführung der Bundeswehrreform arbeiten und den Mazedonien-Einsatz begleiten. Am Abend wollte der Minister zum zweiten Mal die Truppe in Mazedonien besuchen.

Struck sagte, bisher sei die Opposition den Beweis schuldig geblieben, dass Scharping unberechtigt die Flugbereitschaft für Flüge nach Frankfurt am Main benutzt habe. Dort wohnt Scharpings Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung soll der Minister seit August 2000 bis zu 20 Mal und damit öfter als bisher bekannt mit der Flugbereitschaft nach Frankfurt geflogen sein. Dort wohnt Scharpings Lebensgefährtin. Dort habe sich der Minister mit Mitarbeitern der (GEBB) getroffen. Ein Sprecher der ministeriumseigenen Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb bestätige geschäftliche Treffen mit Scharping in Frankfurt. Die GEBB hat ihren Sitz aber in Bonn und Berlin. Am Montag steht Scharping dem Verteidigungsausschuss Rede und Antwort.

Der CDU-Wehrexperte Paul Breuer verlangte, der Kanzler müsse die "Hängepartie Scharping beenden". Aus Sicht von FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper ist ein Rücktritt Scharpings nur "eine Frage der Zeit". FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen brachte den SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose als Nachfolger ins Gespräch. Klose sei ein Politiker von Format, der die "Vertrauenskrise der Bundeswehr beenden" könne.

Bundesverteidigungsminister Struck plant Verfassungsbruch

Interventions-Wehrpflicht

Die Wehrpflicht-Planungen des Rüstungsministers Peter Struck verstoßen gegen das Grundgesetz. Sein Modell der Interventions-Wehrpflicht steht unter dem Primat, die Bundeswehr vollständiger und schneller als bisher geplant zur weltweiten Kriegführung umzubauen, warnt die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. Am 1. Oktober legte Struck eine neue ?Weisung für die Weiterentwicklung der Bundeswehr? vor. Um finanzielle Mittel für den Aufbau von Interventionskapazitäten frei zu haben, soll die Personalstärke der Bundeswehr um 35.000 Soldaten reduziert werden. Gegenüber den bisherigen Planungen sollen nochmals weniger Wehrpflichtige einberufen werden. Konkretere Zahlen nannte er nicht.

Bisherige Planungen sahen vor, etwa 70.000 Wehrpflichtige auf 53.000 Dienstposten für Grundwehrdienstleistende einzuberufen. Da jedes Jahr 400.000 junge Männer in die Wehrpflicht hineinwachsen, hätte nicht einmal jeder Fünfte zum Wehrdienst einberufen werden können.

Strucks Auffassung, dass ?die Wehrpflicht nicht daran geknüpft (ist), dass jeder eingezogen wird?, widerspricht einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1978. ?Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens? und stehe unter dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz).

Struck führte weiter aus, dass er sich ?deutlich auf die Vorstellungen der Weizsäcker-Kommission? zubewege. Im Mai 2000 hat diese Kommission mehrheitlich vorgeschlagen, jährlich 30.000 Wehrpflichtige auf 25.000 Stellen einzuberufen. Der einzige Staatsrechtler dieser Kommission, Prof. Dr. Knut Ipsen, bezeichnete dieses Modell der ?Auswahl-Wehrpflicht? in einem abweichenden Votum als verfassungswidrig.

Die Wehrpflicht habe keinen verfassungsrechtlichen Boden. Zur Abschaffung der Wehrpflicht gibt es nach Auffassung der Kampagne keine Alternative.

Am 08-10-2003

Bundesanwaltschaft muss nicht gegen US-Verteidigungsminister Rumsfeld ermitteln

Oberlandesgericht Stuttgart

Die Bundesanwaltschaft muss nicht gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere US-Offizielle wegen der Gefangenenmisshandlungen im irakischen US-Gefängnis Abu Ghraib ermitteln. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bestätigte jetzt eine entsprechende Entscheidung von Generalbundesanwalt Kay Nehm. Dieser habe "bei richtiger Rechtsanwendung und Ausübung des ihm möglichen Ermessens gesetzesgemäß entschieden", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Die Antragsteller beriefen sich auf das deutsche Völkerstrafgesetzbuch, das am 30. Juni 2002 in Kraft trat. Demnach können Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord selbst dann in Deutschland verfolgt werden, wenn keine Deutschen beteiligt sind und die Tat nicht in der Bundesrepublik begangen wurde. Laut Nehm legitimiert dieses Weltrechtsprinzip aber keine uneingeschränkte Strafverfolgung. Er verwies auch auf den Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten. Damit befand erstmals ein Gericht über das Vorgehen Nehms in der Angelegenheit. Das von mehreren irakischen Klägern zunächst angerufene Oberlandesgericht Karlsruhe hatte sich Ende Juni für unzuständig erklärt.

Nehm hatte im Februar erklärt, dass in der Sache für Aktivitäten deutscher Ermittlungsbehörden rechtlich "kein Raum" sei. "Vorrangig zuständig" für die Strafverfolgung seien die USA.

Die bei der Bundesanwaltschaft erstattete Strafanzeige der US-Menschenrechtsorganisation "Center for Constitutional Rights" (CCR) und von vier nach eigenen Angaben misshandelten Irakern war damit verworfen worden. Sie richtete sich auch gegen den früheren US-Geheimdienstchef George Tenet und mindestens acht weitere Funktionäre von Militär und US-Regierung.

Den US-Offiziellen wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen begangen sowie gegen das Völkerrecht und die UN-Folterkonvention verstoßen zu haben. Sie sollen Untergebenen Weisungen zur Behandlung von Gefangenen erteilt haben, die gegen international geltende Schutzvorschriften verstießen.

Trotz Kenntnis der Misshandlungen hätten sie keine Schritte zur Verhinderung weiterer Übergriffe eingeleitet. In der Strafanzeige sind 44 Fälle von Misshandlungen in Abu Ghraib zwischen September 2003 und Januar 2004 aufgelistet. (AZ: 5 Ws 109/05 - Beschluss vom 13. September 2005)

Am 16-09-2005

Verteidigungsministerium will einige Wehrpflichtige mehr einberufen

"Trotzdem keine Wehrgerechtigkeit"

Zur Erhöhung der Wehrgerechtigkeit beabsichtigt das Verteidigungsministerium die ursprüngliche Zielvorgabe von jährlich 30.000 einzuziehenden Wehrpflichtigen "deutlich anzuheben", berichtet die Leipziger Volkszeitung unter Berufung auf den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU). Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisierte, eine Erhöhung der Einberufungszahl um einige tausend ändere nichts an der "eklatanten Wehrungerechtigkeit", wenn bei Jahrgangsstärken um 400.000 Männern nach den bisherigen Planungen nur etwa 40.500 jährlich einberufen werden sollten. Das Verwaltungsgericht Köln hatte im vergangenen Frühjahr die Wehrpflicht auch nach den neuesten Gesetzesänderungen als willkürlich und damit verfassungswidrig bezeichnet und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Nach Informationen der Kampagne soll die Zielvorgabe von 30.000 Planstellen um 4.000 bis 5.000 erhöht werden. Wie sich dadurch die Zahl der wirklichen Einberufungen verändern würde, sei aber unklar, denn die Planstellenerhöhung solle sowohl für "normal" Grundwehrdienstleistende mit 9 Monaten Dienstzeit, als auch für freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL) mit Dienstzeiten bis zu 23 monaten gelten.

"Das erklärte Ziel von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, die Wehrgerechtigkeit zu erhöhen, führt zu abenteuerlichen Zahlenspielereien", sagte Kampagnen-Sprecher Ralf Siemens. Angesichts der Jahrgangsstärken von um die 400.000 jungen Männern sollten nach den bisherigen Zielplanungen jährlich etwa 40.500 Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst einberufen werden. "Eine Erhöhung der Einberufungszahl um einige tausend ändert nichts an dieser eklatanten Wehrungerechtigkeit", so Siemens, "sie wäre lediglich eine kosmetische Übung auf Kosten der Wehrpflichtigen". Wehrgerechtigkeit lasse sich nicht herstellen. "Die Wehrpflicht verletzt massiv die Grundrechte der ihr Unterworfenen, und es ist bemerkenswert, mit welcher Ignoranz Politiker ihre Sandkastenspiele betreiben."

Staatssekretär Schmidt sagte, er gehe von einer Erhöhung der Haushalts-Gelder aus, wie sie für verstärkte Einberufungen nötig wäre.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte mehrfach entschieden, die Einberufungsgrundsätze, die seit Oktober 2004 im Wehrpflichtgesetz geregelt sind, verstießen gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz der Wehrgerechtigkeit.

Nach der neuen Einberufungspraxis sind größere Gruppen von Wehrpflichtigen von vorne herein von einer Einberufung ausgenommen. Dies betrifft u.a. Verheiratete, über 23-jährige und Wehrpflichtige, die mit dem früher geltenden eingeschränkten Tauglichkeitsgrad T 3 gemustert worden sind. Nach Auffassung der Kölner Richter kann deswegen nicht mehr die Rede davon sein, dass die Wehrpflicht allgemein greife, also normalerweise jeden jungen Mann treffe. Aktuell würden nur noch deutlich weniger als die Hälfte der für eine Einberufung in Frage kommenden jungen Männer zum Wehrdienst herangezogen.

Am 04-01-2006

Wie die Medien für Rücktritts-Stimmung sorgen

Verteidigungsminister Jung im Visier

Wie nie zuvor hängen Spitzenpolitiker in Deutschland vom Wohlwollen der Medien und der hinter ihnen stehenden Kräfte ab. Viel diskutiert war der Aufstieg des "Medienkanzlers" Gerhard Schröder, der auf der Woge einer positiven Medienberichterstattung Bundeskanzler Helmut Kohl abgelöst hatte, dem die Wirtschaft keinen Reformeifer mehr zutraute. Jahre später kritisierte Schröder die Medien - sie hätten seine Abwahl herbeigeschrieben. Schröder sprach von "Medienmacht und Medienmanipulation". Neben vielen anderen vor ihm "weggeschriebenen" Spitzenpolitikern gerät jetzt Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung in die Kritik. Ngo-online dokumentiert einen bemerkenswerten Bericht der Nachrichtenagentur ddp vom 1. November im Wortlaut: Jung auf dem Schleudersitz - Die Forderungen nach einem Rücktritt des glücklosen Verteidigungsministers werden lauter

"Pleiten, Pech und Pannen." So umriss ein Abgeordneter aus den eigenen Reihen am Mittwoch die einjährige Amtszeit des CDU-Verteidigungsministers Franz Josef Jung. Parlamentarier aller Schattierungen rechnen schon bald mit dem Ende der einjährigen "unglücklichen Ära Jung". Der FDP-Wehrexperte Rainer Stinner brachte es auf den Punkt: "Jung ist nicht mehr tragbar".

Jung, der "Abgesandte" des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU), hatte sich bei der Bildung der großen Koalition Hoffnungen auf den Posten des Landwirtschaftsministers gemacht. Jung ist Winzersohn aus dem Rheingau. Als er zum Chef der Bundeswehr "auserkoren" wurde, staunte er selber. Als Jung im Ministerium vor der Fotogalerie seiner Vorgänger stand, sagte er: " Ich hätte nie gedacht, mal in dieser Linie zu landen". Schnell wurde über den "Provinzling" gespottet, er verstehe von Sicherheitspolitik "so viel wie ein Flusspferd vom Hochseefischen".

Jung trat mit einer Charmeoffensive bei der Truppe an. Beobachter bestätigten ihm, dass er sich schnell eingearbeitet habe. Mit Bedauern wurde allerdings registriert, dass sich der "Mann aus der hessischen Landespolitik nur schlecht etwas sagen ließ". Die Bundespolitik und speziell die Sicherheitspolitik "erfordert eben einen ganz anderen Horizont als die Landespolitik", stellte einer seiner Berliner Berater fest. Wohl aus Verlegenheit suchte der Minister sein Heil im Lächeln. "Immer und bei allem nur lächeln hilft letztlich nicht", meinte ein CDU-Abgeordneter.

"Ich bin erprobt in politischen Kampfeinsätzen", gab Jung immer wieder lächelnd zum besten. Aber im Gewirr der politischen Fallstricke auf der politischen Bühne Berlins geriet Jung immer wieder ins Stolpern. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit machte Jung klar, er wolle mit einem neuen "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" Zeichen setzen. Das Werk sollte schon im Frühjahr fertig sein, konnte jedoch wegen der Querelen mit der SPD über den Einsatz der Bundeswehr im Innern erst im Herbst erscheinen - ohne dass sich Jung wirklich mit seinen weitreichenden Vorstellungen zum Inneneinsatz durchsetzen konnte.

Die Vorbereitung für die Beteiligung der Bundeswehr am UN-Einsatz im Kongo wurde Jung als "dilettantisch" angekreidet. Mit der Libanon-Mission brachte Jung wegen der unklaren Einsatzregeln die Bundeskanzlerin in arge Verlegenheit. Die Opposition fühlt sich hinters Licht geführt, weil Merkel über die Einschränkungen des Einsatzes offenbar zunächst selbst nicht informiert war.

Der letzte "Negativ-Coup" von Jung beherrscht seit dem vergangenen Wochenende die Schlagzeilen. Mit der Ankündigung eines Plans für einen abgestuften Abzug deutscher Soldaten aus Bosnien-Herzegowina entfachte er einen Streit über die Kriterien deutscher Auslandseinsätze. Die Begründung für den Abzug klang wenig überzeugend: Im "Weißbuch" werden als "Zielvorgabe" für Auslandseinsätze 14 000 Mann angegeben. Tatsächlich sind derzeit gerade mal rund 9 000 Soldaten in Auslandseinsätzen. Jung gab an: Der Abzug müsse wegen Überlastung und Überforderung der Truppe vorgenommen werden. Überall herrschte Unverständnis.

In der Tat herrscht nach Angaben von Offizieren ein Mangel an Ärzten, Sanitätern, Pionieren, Logistikern, Fernmeldern und Piloten. Aber deswegen könne nicht generell davon gesprochen werden, dass die Grenze der Belastbarkeit der Truppe erreicht sei, argumentieren die Offiziere. Der Abzugsplan für die deutschen Soldaten aus der EU-geführten Bosnien-Schutztruppe "EUFOR" hätte nach Meinung von Merkel damit begründet werden müssen, dass sich die Lage in Bosnien weitgehend beruhigt und stabilisiert hat. Das Kanzleramt ist über Jung verärgert. Zudem hatte er sein Vorpreschen laut Informationen aus Brüssel nicht vorher mit der EU abgestimmt.

Der Stuhl des Bundeswehrchefs gilt im Kabinett seit jeher als "Schleudersitz". Mancher der bisherigen 13 "IBuKs", der "Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt," hat damit seine Erfahrungen machen müssen. Dieses Schicksal könnte demnächst auch Jung ereilen, ist inzwischen die Meinung vieler Abgeordneter.

Am 01-11-2006

Gottlieb verteidigt den Verteidigungsminister Guttenberg

Kommentar zum Kommentar

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist des Plagiats beschuldigt. In seiner 2006 vorgelegten Doktorarbeit wurden jetzt viele Passagen entdeckt, die zuvor schon andere Autoren formuliert hatten. Das ist zwar in der Wissenschaft üblich, aber nur mit Quellenangabe und nur, um aus den Erkenntnissen anderer eigene Schlussfolgerungen zu ziehen oder die eigenen Aussagen mit denen kompetenter Fachleute zu untermauern. Keinesfalls ist es zulässig, Zitate nicht als solche zu kennzeichnen und dadurch fremde Texte als eigene auszugeben, sich also mit fremden Federn zu schmücken. Genau dies wird zu Guttenberg vorgeworfen. Die entsprechende Nachricht in den ARD-Tagesthemen vom 16. Februar 2011 durfte Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk kommentieren. Gerd Kallweit kommentiert den Kommentar: Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein Meister der Imagepflege. In seinen Ämtern als Wirtschafts- und als Verteidigungsminister ist es ihm bisher immer gelungen, andere für schuldig zu erklären, wenn ein Schatten auf seine Lichtfigur zu fallen drohte. Schnell und rigoros setzte er angebliche Schuldige vor die Tür. Im Fall des Plagiat-Vorwurfs bestreitet er jede Absicht und lässt verlauten, Zitatzeichen und Quellenangabe könnten vielleicht hier und dort vergessen worden sein. Das soll wohl ungefähr heißen: Ich habe den Text diktiert, die oder derjenige, die/der ihn dann getippt hat, könnte den einen oder anderen Zitat-Hinweis überhört haben. Diesmal dürfte es dennoch nicht ganz leicht sein, den Schwarzen Peter weiterzureichen. Aber wozu hat man Freunde bei den Medien? Es blieb Sigmund Gottlieb vorbehalten, nach Schuldigen zu suchen, und der bediente sich einer altbewährten Methode: Er drehte den Spieß einfach um.

„... Jetzt soll er auch noch abgekupfert haben“, lässt Gottlieb zunächst wissen. Was nach Feststellung der Professoren, die Guttenbergs Dissertation überprüft haben, eine Tatsache ist, schiebt Gottlieb in den Bereich der Gerüchte. Und das in einem Tonfall, der die Annahme nahe legt, auch die bisherigen Vorwürfe gegenüber dem Minister entbehrten wahrscheinlich jeder Grundlage.

„Was an dem Vorwurf dran ist oder nicht, wird man sehen“, fährt der BR-Kommentator fort, „Jetzt wird geprüft“. Und dann holt er zum vernichtenden Schlag aus: „Warten wir doch einfach aufs Ergebnis, auch wenn es manchen schwerfällt, zum Beispiel der Opposition, die verzweifelt hofft, vielleicht lässt sich aus einer solchen Gelegenheit doch ein wenig politisches Kapital schlagen.“ Bisher hat die Opposition sich stark zurückgehalten und das Thema weitgehend den Medien überlassen. Gottlieb kann also kaum kritische Aussagen zitieren, aber er weiß, dass die Opposition „verzweifelt hofft“. Damit sind die Schuldigen gefunden: Die Politiker der Parteien, die im Bundestag nicht die Regierung stützen, werden selbstverständlich aus der Mücke einen Elefanten, aus einer (noch nicht einmal bewiesenen) Lappalie einen Skandal machen. Da ihnen das nicht gelingen wird, sind sie selbst in ihrer Hoffnung jetzt schon verzweifelt.

Guttenberg hingegen „glänzt mit den Markenzeichen Glaubwürdigkeit und Erklärungskompetenz“, stellt Gottlieb fest. Da ist sie also wieder, die Lichtgestalt. In diesem Zusammenhang ausgerechnet Glaubwürdigkeit anzuführen, das klingt, als wolle man einen auf frischer Tat ertappten Einbrecher zum Hausbeschützer deklarieren. Übrigens, Herr Gottlieb, hatten Sie nicht gerade empfohlen, „Warten wir doch einfach aufs Ergebnis ...“ ?

Mit einem anscheinenden Versöhnungsangebot an die Opposition (wer weiß, wozu man die vielleicht noch braucht) klingt der Kommentar aus: Guttenberg habe Maßstäbe gesetzt, an denen er jetzt gemessen werde. Soll wohl heißen: Ich verstehe ja, dass ihr ihn kritisieren wollt, wo er doch mit seiner Untadeligkeit die Messlatte so hoch gelegt hat. Auch dieser Satz dient aber eigentlich nur der Überhöhung des Ministers. Welche Maßstäbe hat er denn wirklich gesetzt – außer dem, immer schnell Schuldige für Fehler und Schäden zu benennen?

Der Plagiat-Vorwurf trifft nicht den Politiker, sondern den Menschen zu Guttenberg. Und Menschen machen Fehler. Dieser menschliche Fehler ist natürlich auch im Zusammenhang mit politischen Leistungen bzw. Verfehlungen zu bewerten. Ob es sich um einen Skandal handelt, sei dahingestellt. Ein Skandal ist es aber, dass ein derart die Tatsachen verdrehender Kommentar in den ARD-Tagesthemen ausgestrahlt wurde.

Am 17-02-2011

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politik
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