Der vzbv verlangte außerdem die Festschreibung von Verbraucherschutzstandards bei der Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Infrastruktur wie Strom, Wasser, Post oder Verkehr. Beim WTO-Gipfel stehen diese Themen im Rahmen des Abkommens über Dienstleistungen (GATS) nicht auf der offiziellen Tagesordnung. "Das kann sich aber schnell ändern. Deshalb müssen öffentliche Dienstleistungen für alle Verbraucher - unabhängig von ihrem Wohnort - zu erschwinglichen Preisen und in hoher Qualität verfügbar sein", so von Braunmühl. "Wir wollen in Europa keinen Stromausfall für fünfzig Millionen Menschen, weil eine vernünftige Regulierung durch WTO-Regeln ausgehebelt wird."
Hintergrund für die Forderung nach einem besseren Schutz der Verbraucherinteressen im Welthandelsrecht ist das massive Vorgehen der USA gegen die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel in der EU. Eine deutliche Mehrheit der amerikanischen Verbraucher wünscht eine Kennzeichnung von Gentechnik bei Lebensmitteln - zu diesem Ergebnis kommen auch Umfragen industrienaher Institute wie der International Food Information Council Foundation. Dennoch hat die US-Regierung auf Druck der Biotech-Lobby im Juli eine Klage gegen die Europäische Union bei der WTO eingereicht, in der die vorgesehene Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel in der EU angegriffen wird.
Erhebliche Defizite sehen die Verbraucherschützer bei Verbraucherinformationen zur Umweltverträglichkeit von Produktionsverfahren. Zahlreiche WTO-Staaten werteten Kennzeichnungen zu umweltverträglichen Produktionsverfahren als Verstoß gegen die Welthandelsordnung. "Diese Position ist mit der Bedeutung des Umweltschutzes nicht vereinbar", so Patrick von Braunmühl. "Transparenz über die Umweltverträglichkeit von Produkten ist in einem globalen Markt unverzichtbar, wenn wir einen reinen Preiswettbewerb zulasten der Umwelt vermeiden wollen."Aus Sicht der Verbraucher komme bei dem WTO-Gipfel eine zentrale Bedeutung auch den Agrarverhandlungen zu. "Wir erwarten, dass die Industrienationen ihre Märkte stärker für die Länder des Südens öffnen, vor allem durch die Reduzierung von Einfuhrzöllen und Exportsubventionen zugunsten von mehr Wettbewerb und fairen Handelsbedingungen zwischen Nord und Süd", so von Braunmühl.
Während der Ministerkonferenz der WTO vom 10. bis 14. September kommen im mexikanischen Cancún Regierungsvertreter aus 147 Mitgliedsstaaten zusammen, um über zentrale Fragen der Welthandelsordnung zu entscheiden. Aus Verbrauchersicht bietet sich damit die Gelegenheit, die wirtschaftspolitischen Weichen international neu zu stellen. "Freihandel ist weder Selbstzweck noch Allheilmittel gegen Wirtschafts- und Versorgungskrisen", so von Braunmühl. "Alle Beteiligten müssen sich darüber klar sein, dass sich jede Liberalisierung am konkreten Nutzen für den Verbraucher messen lassen muss."