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Referenden

Deutschland steht vor einem heißen Herbst der Bürgerbegehren

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Deutschlands Bürger begehren auf. "Schluss mit dem Bankenskandal" fordert eine Berliner Initiative. Hamburg kämpft für die städtische Wasserversorgung. Die Brandenburger wehren sich gegen die Zwangsfusion ihrer Gemeinden. Und die Wähler Schleswig-Holsteins sammeln Unterschriften gegen die "Bildungswüste Grundschule". "Überall drückt die Menschen der Schuh. Sie wollen die Politik nicht länger nur den Parlamenten überlassen. 2003 könnte zum Rekord-Jahr der direkten Demokratie werden", erklärte Claudine Nierth, Vorstandssprecherin von Mehr Demokratie, am Donnerstag in Berlin.


25 Initiativen auf Landesebene registrierte der Fachverband in diesem Jahr ­ das sind bereits jetzt mehr als im gesamten Vorjahr (2002: 18 Initiativen). Hinzu kommen über 100 lokale Bürgerbegehren. In Frankfurt soll auf diesem Weg die umstrittene Privatisierung der U-Bahn, in München die Schließung von Bibliotheken und des Deutschen Theaters verhindert werden. Mit sieben Anträgen entwickelt sich Hamburg zur Hauptstadt der Bürgerbeteiligung. Im Mai leiteten 110.000 Wähler einen Volksentscheid gegen die geplante Privatisierung der Landeskrankenhäuser ein. Weitere Abstimmungen sind möglich, wenn die Initiativen für ein demokratischeres Wahlrecht und für 18.000 neue Kita-Plätze im Herbst genügend Stimmen zusammen bekommen.

250.000 Eintragungen will ein Aktionsbündnis in Sachsen-Anhalt ab dem 1. September sammeln, um allen Kindern sichere Krippen- und Kindergartenplätze zu sichern. Im Nachbarland Sachsen brachte es das Bündnis "Zukunft braucht Schule" auf beachtliche 380.000 Unterschriften, um Schulschließungen und größere Klassen zu verhindern. Zwar verfehlte die Initiative die hohe Hürde von 450.000 Stimmen für einen Volksentscheid ­ trotzdem kam die Landesregierung den Forderungen entgegen.

In zwei Referenden stimmen die bayrischen Wähler mit der Landtagswahl am 21. September über die Verankerung der Menschenwürde in der Landesverfassung und eine Reform der Gemeindefinanzen ("Konnexitätsprinzip") ab. Beide Artikel gehen auf Volksbegehren zurück, deren Anliegen der Landtag ganz oder teilweise übernommen hat.

"Der Boom der direkten Demokratie legt den Finger auf die größte Wunde der Politik: noch immer fehlt der bundesweite Volksentscheid . Den Bürgern ist nicht zu vermitteln, warum sie in den Ländern mitbestimmen dürfen, in wichtigen nationalen Fragen aber nicht", erklärte Nierth. "Wir fordern als ersten Schritt eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung."

Das Blockade-Trio Schröder, Fischer, Merkel - alle drei sind gegen ein Referendum - dürfe sich nicht gegen die Bürgermehrheit durchsetzen. Laut einer Umfrage wollen drei Viertel der Deutschen über das europäische Grundgesetz abstimmen. Nierth rechnet angesichts der bevorstehenden Volksbegehren in den Ländern und der Debatte über das Europa-Referendum mit einem "heißen Demokratie-Herbst".