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Afrika

Lage in Simbabwe laut Augenzeugenbericht schlimm wie nie

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Der österreichische Lehrer Christian Schreckeis war zu einer Hilfsmission in Simbabwe und brachte folgenden Bericht mit: "Ich bin seit 1964 in Zimbabwe und habe alle Höhen und Tiefen dieses Landes hautnahe miterlebt. Aber so schlimm wie jetzt war, war es noch nie", empfängt mich ein Pfarrer, der aus Angst vor Repression nicht genannt werden will, in der zweitgrößten Stadt Simbabwes, Bulawayo. "Nicht einmal die Hungerblockade des Matabelelandes 1982/83, mit der die Regierung versucht hat Aufstände dort niederzuschlagen, hat diese Ausmaße an Leid hervorgerufen", fährt er fort. Und nach einem ersten Lokalaugenschein im in Bulawayo scheint sich dies auch zu bewahrheiten.


Ausgelöst durch die 2000 in Kraft getretene Vertreibung weißer Farmer unter der Regierung des Präsidenten Robert Mugabes, hat sich die humanitäre und ökonomische Lage in den letzten Monaten dramatisch zugespitzt. Die ohnehin schwierige Nahrungsmittelsituation wird dieses Jahr durch eine schwere Dürre noch verstärkt. 2003 werden nur noch 80.000 metrische Tonnen Mehl produziert werden können (nach 130.000 in 2002), was dazu führt, dass zum Beispiel die Brotpreise im Juli von umgerechnet € 0,25 auf € 0,60 angestiegen sind (durchschnittliches Monatseinkommen € 7,50). Auch das zweite Grundnahrungsmittel, Mais bzw. Maismehl, können sich die meisten Leute nicht mehr leisten. Bereits 20.000 Menschen leben auf der Suche nach Essbarem auf den Müllbergen rund um Bulawayo. Eine Hungersnot biblischen Ausmaßes steht knapp bevor.

"Derzeit werden überhaupt nur noch 30 Prozent des Landes bewirtschaftet, da durch die Vertreibung der weißen Farmer die Ernte meist ausbleibt", so Pius Ncube, katholischer Erzbischof von Bulawayo. Er ist einer der wenigen, die trotz Morddrohungen seitens der Regierung noch offen über die Missstände in seinem Land berichten. Ganz schlimm hungert das Matabeleland: "Der westliche Teil von Zimbabwe, rund um die Millionenstadt Bulawayo, gehört Großteils der Oppositionspartei MDC (Movement for Democratic Change) an. Mit Lebensmittelblockaden - wer mehr als 150 Kilogramm Lebensmittel mit sich führt, dessen Nahrungsmittel werden konfisziert - versucht uns die Regierung auszuhungern", berichtet ein katholischer Priester, welcher namentlich aber auch nicht genannt werden will. Historischer Hintergrund: Der schon fast 200 Jahre alte Konflikt zwischen den im Norden des Landes lebenden Shona, zu denen Mugabe gehört, und den im Süden lebenden Ndebele, denen die Opposition angehört.

Unvorstellbare 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Simbabwes von 11,3 Millionen hungern bzw. müssen mit maximal einer Mahlzeit Maisbrei pro Tag auskommen. Dies hat bereits zu einer generellen Apathie gegenüber weiteren sozialen Missständen geführt. Anders ist es kaum zu erklären, dass in Simbabwe noch kein größerer Aufstand stattgefunden hat. Abgesehen von akuter Lebensmittelknappheit, fehlt es dort nämlich auch an Benzin. Seit ein paar Monaten haben es die Leute aufgegeben an den Tankstellen um das schwarze Gold anzustehen. "In der Spitze verbrachten meine Familie und ich bis zu 17 Tage in der Warteschlange um Benzin tanken zu können", erzählt eine Einwohnerin von Bulawayo. "Ich wohne 13 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt, aber der Transport mit dem öffentlichen Bus würde mich Z$ 1.000.- (€ 0,50) pro Tag kosten. Ich verdiene aber nur Z$ 20.000 brutto (€ 10.-) pro Monat", berichtet ein verzweifelter Arbeiter. Die Inflationsrate liegt schätzungsweise bei 600 Prozent.

Eine weitere Auswirkung der hohen Inflation ist, dass im gesamten Land kaum mehr Banknoten erhältlich sind. Banken dürfen maximal umgerechnet € 2 pro Konto und Tag auszahlen. Die Schlangen vor den geöffneten Banken und Bausparkassen sind dementsprechend. Lohnauszahlende Stellen werden nicht bevorzugt, was dazu führt, dass für Geldscheine ein Aufpreis auf die Nominale von bis zu 100 Prozent gezahlt werden muss. Auch Geldwechseln wird zum Erlebnis, da man für U$ 50.- einen Rucksack voll mit Geldscheinbündeln erhält. Die Schlangen an den Kassen der wenigen noch offenen Supermärkte kann man sich vorstellen, da das Geld per Hand durchgezählt wird.

Ein weiteres großes Problem Simbabwes ist natürlich AIDS. Etwa 35 Prozent der Bevölkerung sind laut Angaben der katholischen Kirche HIV-positiv, was vor Botswana und Swaziland Platz eins der Welt bedeutet. Ein trauriger Rekord. "Die Regierung leugnet AIDS aber als Todesursache Nummer eins. Offiziell sterben diese Leute an ganz anderen Krankheiten um die AIDS-Rate niedrig zu halten", so Erzbischof Pius Ncube. Programme gegen AIDS werden deswegen von der Regierung nicht unterstützt, das das Problem gar nicht existiert.

All diese Probleme haben bereits dazu geführt, dass die besser Qualifizierten dem Land schon den Rücken gekehrt haben. "600.000 der am Besten ausgebildeten Leute, wie Ärzte, Akademiker, Krankenschwestern, Ingenieure oder Lehrer sind schon aus Simbabwe weggezogen, Großteils nach Großbritannien", berichtet Pius Ncube. Eine Tatsache die auch Andrew Meldrum, der letzte aus Simbabwe vertriebene ausländische Korrespondent, in der britischen Zeitung "The Guardian", bestätigt.

Die Bevölkerung Simbabwes zeigt sich aber schon viel zu eingeschüchtert und hat die Hoffnung auf einen Wandel bereits aufgegeben. Nicht einmal eine beginnende Stromkrise - große Teile Harares waren den ganzen Juli über ohne Strom - veranlassen die Menschen auf die Straße zu gehen. Zu groß ist die Furcht vor Sanktionen seitens der Regierung. Die Oppositionspartei MDC agiert in diesem Umfeld sehr vorsichtig: "Bei der letzten Gemeinderatswahl, wurden unsere Kandidaten auf dem Weg zur Nominierung, zusammengeschlagen, weshalb es keine Gegenkandidaten gab", berichtet etwa der zur Opposition gehörende Bürgermeister von Bulawayo.

Europa und die USA kritisieren die Lage in Simbabwe zwar scharf, aber mehr als Worte und Sanktionen sind nicht zu erwarten. Trotz Drängen von US-Außenminister Colin Powell - der nach Rücksprache mit Erzbischof Pius Ncube eine baldige Lösung fordert - versäumte es US-Präsident George Bush bei seinem Besuch in Pretoria im Juli die südafrikanische Regierung wegen der gescheiterten "stillen Diplomatie" in Simbabwe zu ermahnen. Schlimmer noch: Er lobte sie dafür. Präsident Mbeki hält sich gegenüber dem ungezügelten Nachbarn Mugabe in Simbabwe vor allem deshalb so zurück, weil er fürchtet, die Anarchie könnte auch sein Land erfassen. Ein nicht zu unterschätzendes Szenario. Das stille Leid in Simbabwe geht also noch einige Zeit weiter.

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