Überblick
Die Bundesregierung hat für den Zeitraum 2002-2006 200 Millionen Euro für den Globalen Fonds zugesagt, von denen jedoch bislang nur 50 Millionen Euro eingezahlt wurden. ÄRZTE OHNE GRENZEN ruft die Bundesregierung auf, noch im laufenden Jahr zusätzliche 100 Millionen Euro bereitzustellen, damit der Fonds weiterarbeiten kann. Allein in diesem Jahr fehlen dem Fonds 1,4 Milliarden Euro.
Auf dem EU-Gipfel in Thessaloniki hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs bereits geplant, dem Fonds für das Jahr 2004 gemeinsam eine Milliarde US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Dieses Vorhaben wird jedoch bislang von der Bundesregierung blockiert. Stattdessen kündigte die Regierung am 2. Juli an, von 2005-2007 weitere 100 Millionen Euro in den Fonds zu bezahlen.
ÄRZTE OHNE GRENZEN begrüßt diese Zusage, warnt aber davor, dass das akute Finanzierungsproblem dadurch nicht gelöst wird. Ohne die Milliarde der EU befürchtet die Organisation, dass der Globale Fonds bald nicht mehr handlungsfähig sein wird. "Dies ist empörend, weil damit die Fortführung vieler erfolgreicher Projekte gefährdet wird. Die bisherige Haltung der Bundesregierung ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen von Patienten, die durch den Fonds neue Hoffnungen geschöpft haben", sagte Tobias Luppe von ÄRZTE OHNE GRENZEN.
CDU und CSU diskutieren über Gesundheitsfonds
Privatversicherte
In CDU und CSU ist eine Debatte über die Beteiligung der Privatversicherten am geplanten Gesundheitsfonds entbrannt. Nach Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger will auch sein thüringischer Amtskollege Dieter Althaus (beide CDU) die Privaten in die Pflicht nehmen. Andere Unions-Politiker wie der Gesundheitsexperte Jens Spahn wiesen den Vorstoß als "völlig inakzeptabel" zurück. Der Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, hat die Einführung eines Gesundheitsfonds abgelehnt. Diese "Umverteilung" mit dem Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags gehe voll zu Lasten der Versicherten. Hirrlinger warnt zudem vor einem "schleichenden Ausstieg aus der einkommensbezogenen Beitragsbemessung". .. contents:: Privatversicherte
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Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte: "Es wird sicher auch dazu kommen, dass ein Beitrag aus den Privaten Krankenversicherungen (PKV) mit zu leisten ist." Althaus sprach sich zugleich für mehr Eigenverantwortung der Versicherten etwa bei Risikosportarten aus. Oettinger hatte am Wochenende vorgeschlagen, zur Verbreiterung der Einnahmebasis sollten auch Privatversicherte in den Gesundheitsfonds einzahlen.
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wandte sich dagegen, die PKV in die Diskussion um die Gesundheitsreform einzubeziehen. "Bereiche, die funktionieren, müssen nicht in eine allgemeine gesundheitspolitische Debatte hineingezogen werden", sagte Wulff. Spahn, der auch der Koalitionsarbeitsgruppe zur Gesundheitsreform angehört, warnte, Oettingers Vorschlag würde das Ende der PKV bedeuten. Ziel bleibe der Erhalt der PKV als Vollversicherung.
CSU: Die Privatkassen arbeiten erfolgreich
Kritik kam auch aus der CSU. Eine Einbeziehung der Privaten sei für seine Partei "völlig indiskutabel", sagte der bayerische CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann. Die Privatkassen arbeiteten erfolgreich und kosteten den Steuerzahler nichts. CSU-Chef Edmund Stoiber hatte Medienberichten zufolge beim Koalitionsgipfel zur Gesundheitsreform in der vergangenen Woche seine Zustimmung zu einem Fondsmodell an die Bedingung geknüpft, dass die Privatversicherten nicht einbezogen werden.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte nach einer Präsidiumssitzung seiner: "Die Existenz der PKV wird von der CDU nicht in Frage gestellt." Dies sei "einvernehmlich" vom Präsidium so gesehen worden. Andererseits sagte Pofalla, bei den Reformverhandlungen würden auch die Wirkungsmechanismen zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung genau analysiert.
Teile der SPD sowie Grüne und Linkspartei dringen weiter auf eine Einbeziehung der privaten Krankenversicherungen. "Die Privaten müssen in die Pflicht genommen werden", forderte die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles. Zugleich lehnte sie ein Fondsmodell strikt ab. Alle vorliegenden Varianten seien entweder mit einem Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags oder mit einer "kleinen Kopfpauschale" verknüpft. Die künftige Kostendynamik dürfe aber keinesfalls allein zu Lasten der Arbeitnehmer gehen.
Grünen-Chefin Claudia Roth forderte die Aufhebung der Trennung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Scharf kritisierte sie das geplante Fondsmodell: "Jede Menge Bürokratie und von Solidarität oder echten Strukturveränderungen weit und breit keine Spur."
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, kritisierte das geplante Einfrieren des Arbeitgeberanteils und "damit den endgültige Ausstieg aus der paritätisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung". Zukünftig müssten die Versicherten alleine die Ausgabensteigerung im Gesundheitswesen tragen, während Arbeitgeber daran nicht mehr beteiligt würden. Die grundsätzlichen Finanzierungsprobleme der Krankenversicherung, die unter anderem ihre Ursachen in der Massenarbeitslosigkeit und der "Vernichtung von Vollzeitarbeitsplätzen" und "Realeinkommensabbau" hätten, wären damit nicht gelöst.
"Ausgabensteigerungen, die auf Anbieterdominanz, Pharmakartelle und Ineffizienz zurückzuführen sind, werden ebenso wenig begrenzt", kritisiert Spieth. Ein Gesundheitsfond ohne einen Risikostrukturausgleich werde unweigerlich "zu einem Vernichtungswettkampf unter den Krankenkassen führen". Mit den beabsichtigten 150 Euro pro Versicherten sei ein umfassender Krankenversicherungsschutz nicht bezahlbar. Die Großkoalitionäre würden dies offenkundig ebenso sehen, denn anders sei die Debatte um Herausnahme von Leistungen wie, beispielsweise, "selbstverschuldete Unfälle" und das Krankengeld nicht zu verstehen.
Sozialverband VdK: "Schleichender Ausstieg aus der einkommensbezogenen Beitragsbemessung"
Der Präsident des Sozialverbands VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, hat die Einführung eines Gesundheitsfonds abgelehnt. "Mit dem Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags verabschiedet sich die Regierungskoalition endgültig von der paritätischen Finanzierung. Diese Umverteilung geht voll zu Lasten der Versicherten. Reicht das Geld aus dem Fonds nicht, müssen die Versicherten für die Mehrausgaben der Kassen zahlen", sagte Hirrlinger.
Der VdK-Präsident kritisierte zudem die Einführung einer kleinen Kopfpauschale. Aus einer kleinen Pauschale könne schnell eine große werden und die Kosten würden auf die Versicherten abgewälzt. "Das ist der schleichende Ausstieg aus der einkommensbezogenen Beitragsbemessung in der Krankenversicherung", sagte Hirrlinger. "Dazu ist eine Kopfpauschale extrem bürokratisch."
Der VdK-Präsident forderte die Regierungskoalition in Berlin auf, zunächst grundsätzlich zu erklären, ob gesetzliche und private Krankenkassen auch weiterhin nebeneinander existieren sollen. Es dürfe nicht dabei bleiben, dass die gut Verdienenden und Gesunden sich privat versicherten und die gesetzlichen Kassen auf den Kosten für alle anderen Risiken mehr oder minder sitzen blieben. So könne das Solidarprinzip nicht funktionieren. Die Lasten müssten gleichmäßig verteilt werden.
Hirrlinger schlug vor, dass beispielsweise beide Kassenarten zu gleichen Bedingungen ihre Leistungen anbieten und Mitglieder aufnehmen. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich dann bei einer der beiden Kassenarten versichern. Beide Kassen würden in einen morbiditätsbezogenen Risikostrukturausgleich einzahlen. Zudem könnte die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung angehoben werden, um die Einnahmen zu erhöhen.
Am 12-06-2006
Diskussionen um den Gesundheitsfonds
Arbeitsplatzverluste
Am geplanten Gesundheitsfonds wird nun auch innerhalb der großen Koalition die Kritik lauter. SPD-Partei- und Fraktionsvize Elke Ferner äußerte am Donnerstag Zweifel am Sinn des Fonds, da er die Finanzlage der Kassen nicht verbessere. Laut AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens müssten sich die Versicherten auf eine Zusatzprämie von 140 Euro im Jahr einstellen. Rund 10.000 Mitarbeiter der gesetzlichen Krankenkassen wurden am Nachmittag zu Demonstrationen gegen die Gesundheitsreform in München, Bonn und Mainz erwartet. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht durch das Vorhaben bis zu 30.000 Arbeitplätze in Gefahr. Ferner sagte, durch die Weigerung der Union, die privaten Krankenkassen in den Fonds einzubeziehen, werde die finanzielle Situation der Kassen entgegen der ursprünglichen Planung nicht verbessert. In dieser Form mache der Fonds kaum Sinn. "Wir haben nicht auf diesem Fonds bestanden", betonte die SPD-Gesundheitsexpertin. Der Fonds sei der Preis dafür gewesen, dass es zu einem zielgenaueren Risikostrukturausgleich in der Krankenversicherung komme.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sagte, dass durch das Fondsmodell keine Arbeitsplätze verloren gehen würden. Ein Großteil der betroffenen Kassenangestellten werde auch weiterhin die Beiträge einziehen, nur eben nicht mehr für jede einzelne Kasse, sondern für den Fonds. Für die übrigen Mitarbeiter der Krankenkassen gebe es viele neue Aufgaben etwa in der Beratung.
Ver.di-Sprecher Günther Isemeyer äußerte Zweifel an den Beteuerungen der Ministerin. Wenn in der Industrie "Arbeitsplätze von A nach B" verlagert würden, biete man den Mitarbeitern ebenfalls an mitzukommen. "Trotzdem weiß jeder, dass die Hälfte der Jobs flöten geht, weil nicht alle so mobil sind." Im Beitragseinzug der Kassen seien vor allem Frauen beschäftigt, die aus Rücksicht auf ihre Familien nicht jeden Ortswechsel mitmachen könnten. ver.di sieht daher weiterhin bis zu 30.000 Arbeitplätze in Gefahr.
Auch die Kassen sperren sich weiter gegen Schmidts Pläne. AOK-Chef Ahrens sagte, es könnten nicht ohne Weiteres Mitarbeiter für den Gesundheitsfonds abgezogen werden. "Die Kassen sind keine Zeitarbeitsfirmen." Zugleich warnte er, wenn bis zu fünf Prozent der Gelder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) künftig über Zusatzprämien aufgebracht werden sollten, müsse von rund 50 Millionen Mitgliedern 2008 im Schnitt ein Jahresbeitrag von etwa 140 Euro eingezogen werden.
Das Gesundheitsministerium wies dagegen darauf hin, dass es von der Effizienz der jeweiligen Krankenkasse abhänge, ob ein Zusatzbeitrag erhoben oder Beiträge zurückgezahlt würden. Schmidt warf den Krankenkassen vor, "Gespenster" an die Wand zu malen.
Am 27-07-2006
Angeblich steigende Krankenkassen-Beiträge durch Gesundheitsfonds
"Bevölkerung darauf vorbereiten"
Wenige Monate vor dem Start des Gesundheitsfonds wächst die Sorge vor steigenden Kassenbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Chef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo Kailuweit, rechnet "spätestens zum 1. Juli mit einer neuen Beitragserhöhungswelle". Auch der Wirtschaftsweise Bert Rürup sagte: "Es spricht einiges dafür, dass es zu einem Anstieg kommt." Das Gesundheitsministerium warf am 25. März Kailuweit unseriöse Behauptungen vor und wies auch die Kritik Rürups am geplanten Gesundheitsfonds zurück. Nach Ansicht Kailuweits müssen sich die Arbeitgeber und die 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten auf einen Anstieg der Beiträge einstellen. Als Gründe nannte er die schwächere Konjunktur sowie steigende Gesundheitsausgaben. Auch hätten viele Kassen zum 1. Januar ihre Beiträge angeblich nicht so stark erhöht, wie es zur Deckung der erwarteten Ausgaben erforderlich gewesen wäre. Zu Jahresbeginn haben laut "Handelsblatt" 63 Kassen ihre Beiträge angehoben und 17 Kassen ihre Sätze gesenkt. Der Durchschnittbeitrag aller Kassen stieg demnach um 0,6 Punkte auf 14,82 Prozent. Kailuweit erwartet einen Anstieg auf 15,3 bis 15,5 Prozent bis zum Jahresende.
Rürup sagte, dass in der Einführung eines staatlich festgelegten Einheitsbeitragssatzes ein erhebliches politisches Risiko stecke. "Unmut wird die Regierung in jedem Fall ernten. Denn ganz gleich, wie sie den allgemeinen Beitragssatz festsetzt, es werden immer diejenigen aufschreien, die mehr als zuvor zahlen müssen", sagte er. Die Regierung wäre gut beraten, die Bevölkerung darauf vorzubereiten. Die Ministeriumssprecherin sagte, der Fonds werde zu mehr Transparenz führen.
Rürup sagte weiter, er fürchte, dass die Gesundheitsreform zu einer Wettbewerbsverzerrung führen werde. "Krankenkassen müssen umso höhere Zusatzbeiträge erheben, je mehr einkommensschwächere Mitglieder sie haben. Daraus erwächst ein gesundheitspolitisch perverser Wettbewerb um gute Einkommen, und Kassen können nur aufgrund ihrer ungünstigen Versichertenstruktur Pleite gehen."
Die FDP rechnet wie die KKH mit einem Beitragssatz von im Schnitt über 15 Prozent zum 1. Januar 2009. Der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr forderte die Bundesregierung auf, den Gesundheitsfonds zu stoppen. Es wäre besser, den Krankenkassen die Autonomie über die Höhe ihrer Beiträge zu belassen, sagte Bahr und forderte mehr Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungen.
Heftige Kritik kam auch von der Linken, die vor einer Zwei-Klassen-Medizin warnte und einen grundlegenden Systemwechsel forderte. Nötig sei eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlten und bei der alle Einkommensarten herangezogen würden, sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch.
Der Gesundheitsfonds soll zum 1. Januar 2009 starten und aus einem von allen gesetzlichen Krankenkassen einheitlich erhobenen Beitrag und Steuermitteln finanziert werden. Aus dem Fonds erhalten die Kassen für ihre Versicherten Pauschalen zwischen 150 und 170 Euro sowie alters- und risikobezogene Zuschläge. Kassen, die damit nicht auskommen, müssen für ihre Versicherten Zusatzprämien erheben.
Am 25-03-2008
Geplanter Gesundheitsfonds funktioniert laut Gutachten nicht
CSU-Klausel soll nicht effizient sein
Der für 2009 geplante Gesundheitsfonds der großen Koalition lässt sich in der vorgesehenen Form nach Expertenmeinung nicht umsetzen. Dies geht aus einem Entwurf für ein Gutachten hervor, mit dem die Umverteilungswirkung des Fonds berechnet werden soll. Die 55 Seiten starke Expertise stammtvon den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem, Florian Buchner und Eberhard Wille, wie "Welt-Online" berichtet. Die von der CSU durchgesetzte "Konvergenzklausel", wonach der Finanztransfer zwischen den Bundesländern begrenzt werden soll, würde nach Auffassung der Gutachter zu einer "grotesken Unterfinanzierung" führen und sei unter "Effizienzgesichtspunkten" nicht sinnvoll. Der Teil in der Gesundheitsreform, mit dem die Umverteilung des Fonds begrenzt werden soll, sei "keiner sinnvollen Interpretation zugänglich", heißt es in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten. Und weiter: "Der Versuch einer wörtlichen Umsetzung würde zu einer grotesken Unterfinanzierung der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung führen."
In dem Gutachten geht es um die "Konvergenzklausel", mit der reiche Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg verhindern wollen, dass zu viel Geld über den Gesundheitsfonds in ärmere Länder fließt. Die CSU hatte der Gesundheitsreform 2007 nur unter der Bedingung zugestimmt, dass aus Bundesländern, in denen die Beitragseinnahmen der Krankenkassen besonders hoch sind, nicht mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr über den Fonds in andere Länder abfließen. Dies steht so auch im Gesetz.
Nach Auffassung der Gutachter kann die Konvergenzklausel aber "wörtlich nicht sinnhaft umgesetzt" werden. Werde sie angewendet, würden Krankenkassen mit besonders geringen Beitragssätzen Geld an Kassen mit hohen Beitragssätzen zahlen. "Dies scheint auch unter Effizienzgesichtspunkten nicht angezeigt", heißt es in dem Gutachtenentwurf.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte den Entwurf für das Gutachten bereits in der vergangenen Woche bekommen, bislang aber nicht veröffentlicht. Ein Sprecher sagte "Welt Online", das Gutachten sei "sachlich ergänzungsbedürftig" und werde von den Autoren noch überarbeitet. Es werde in dieser Woche vorliegen.
Am 08-04-2008
Schmidt bezeichnet Gesundheitsfonds als "gerecht", Spieth als "ungerecht"
Höhere Kosten befürchtet
Gut drei Monate vor der geplanten Einführung des Gesundheitsfonds streiten Koalition und Opposition erneut über die Gesundheitspolitik. Während Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Fonds am Donnerstag (18. September) als "gerecht" verteidigte und auf den Erhalt des solidarischen Gesundheitssystems verwies, befürchtet die Opposition eine "Rekordbelastung" der Versicherten durch einen Einheits-Beitragssatz von bis zu 16 Prozent. Schmidt entgegnete, es sei nicht fair, wenn Kassen für die gleichen Leistungen bei den gleichen Ärzten von ihren Versicherten Beitragssätze zwischen 11,3 und 16,5 Prozent erhöben. Grund dafür sei, dass manche Kassen viel mehr Ältere und Pflegebedürftige zu finanzieren hätten. Das bisherige System belaste jene Krankenkassen, die mehr als ein Drittel der Älteren versorgten.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) sagte, die Gesundheitsreform bringe Patienten und Versicherten wesentliche Verbesserungen. Zugleich appellierte er an die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, ihren Versorgungsauftrag zum Wohle der Patienten ernst zu nehmen und zu erfüllen.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender warnte vor zusätzlicher Belastung für die meisten Versicherten "durch einen noch nie dagewesenen Beitragssatzsprung auf ein Allzeithoch von 15,5 Prozent oder 16 Prozent". Das werde Versicherte und Arbeitgeber um jeweils drei bis fünf Milliarden Euro zusätzlich kosten. Diese "völlig irrationale Gesundheitspolitik" reiße das wieder ein, was mit den harten Arbeitsmarktreformen aufgebaut worden sei.
Die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Winterstein warnte vor einem "sozialpolitischen Experiment". Der Gesundheitsfonds gleiche einem finanziellen Blindflug, kritisierte sie. Sie forderte einen grundlegenden Systemwechsel zu einem "privaten Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung".
Nach Ansicht des Gesundheitsexperten der Linksfraktion, Frank Spieth, ist der Gesundheitsfonds "unsozial und ungerecht". Er verwies darauf, dass künftige Kostensteigerungen über die Zusatzbeiträge der Versicherten allein aufgebracht werden müssen. Schon jetzt drohe eine neue Kostenexplosion bei Arzneimitteln trotz Rabattverträge und Festpreise.
Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem rechnet beim Start des Gesundheitsfonds Anfang 2009 mit einem Einheitsbeitrag von "voraussichtlich 15,7 Prozent". Der Satz werde "keinesfalls unter 15,5 Prozent" liegen, sagte Wasem der "Passauer Neuen Presse". Denn zum derzeitigen durchschnittlichen Beitragssatz von 14,97 Prozent kämen 0,2 Prozentpunkte für die Honorarreform der Ärzte und 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte für die Reform der Krankenhausfinanzierung. Weitere 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte wären der allgemeinen Kostenentwicklung geschuldet.
Der derzeitige durchschnittliche Beitragssatz von rund 15 Prozent würde demnach um 0,7 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent steigen.
Am 18-09-2008