DIE Internet-Zeitung
Schiene statt Straße

Kritik am Kompromiss zur LKW-Maut

Am

Die Allianz pro Schiene hat den sich abzeichnenden Kompromiss des Bundesrates zur LKW-Maut scharf kritisiert. Es sei "verlogen", dass die unionsgeführten Länder die Absenkung der Mauthöhe mit dem Argument erzwungen hätten, die deutschen Speditionen würden im europäischen Vergleich Wettbewerbsnachteile erleiden, kritisiert der Verein. Auch ausländische LKW's zahlten die Maut auf deutschen Straßen und würden so von der niedrigeren Maut profitieren. Der so genannte Kompromiss gleiche keine Wettbewerbsnachteile aus, sondern führe die Maut als verkehrspolitisches Lenkungsinstrument ad absurdum, so die Kritik.


Laut Allianz pro Schiene verwässere der Kompromiss des Bundesrates die LKW-Maut bis zur Unkenntlichkeit. Das sei ein Rückschlag für die Umwelt, und eine schwere Niederlage für Verkehrsminister Stolpe, so Geschäftsführer Dirk Flege. Am Montag Abend war bekannt geworden, dass die Union sich mit ihren Forderungen nach einer höheren Entlastung der Spediteure durchgesetzt habe. Der ursprünglich vorgesehene Maut-Betrag von 15 Cent solle demnach auf 12,4 Cent gesenkt werden. Nun gelte es nach Einschätzung der Allianz pro Schiene, die Maut schnell einzuführen und konsequent auszubauen, um die politisch gewollte Lenkungswirkung zu erzielen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Die Mautgebühr müsse dazu schrittweise erhöht und ihr Geltungsbereich auch auf Bundesstraßen erweitert werden. Weitere Kompensationen für das LKW-Gewerbe und die Zweckbindung der Maut- Einnahmen für den Straßenbau lehnte die Allianz pro Schiene ab. Die Allianz pro Schiene ist ein Zusammenschluss von 16 Nicht-Regierungs-Organisationen, darunter die Umweltverbände NABU und BUND, sowie 31 Wirtschaftsunternehmen.

LKW-Maut bringt Milliarden für Straßenbau

Bundestag billigt Kompromiss

Die ab 31. August geplante Lkw-Maut hat ihre vorletzte gesetzgeberische Hürde genommen. Der Bundestag in Berlin stimmte am Donnerstag dem im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss mit den Stimmen von Rot-Grün und Union zu. Die FDP enthielt sich. Der Bundesrat stimmt am Freitag darüber ab. Der Kompromiss von Bundestag und Länderkammer sieht vor, dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut vollständig zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Fernstraßenbau, eingesetzt werden. Rot-Grün wollte ursprünglich die Einnahmen allgemein dem Bundeshaushalt zukommen lassen. Bund und Länder hatten sich zudem auf einen von 15 auf 12,4 Cent je Kilometer gesenkten durchschnittlichen Mautsatz pro Lastwagen verständigt. Damit stehen jedes Jahr 2,8 Milliarden Euro zusätzlich für den Straßenbau zur Verfügung. Verkehrsverbände kritisierten den Kompromiss als "verlogen und verwässert". Stolpe rechnet im Zuge der Lkw-Maut mit weniger Leerfahrten, einer größeren Auslastung bei der Beladung der Lkw und einer teilweisen Verlagerung von Transporten auf die Schiene. Zudem werde mit der Maut der Einstieg von der reinen Steuer- in die Nutzerfinanzierung vollzogen. Das System könne auch Grundlage für mehr private Betreibermodelle beim Ausbau der Infrastruktur sein.

Den Spediteuren sagte Stolpe Erleichterungen als Ausgleich zu. So soll die Kfz-Steuer für schwere Lastwagen gesenkt werden. Auch die Anschaffung besonders emissionsarmer Lkw will die Regierung fördern. In Brüssel will der Minister das vom deutschen Transportgewerbe vorgeschlagene Mautermäßigungsverfahren voranbringen.

Die Vorbereitungen für die Mauterfassung ab Ende August laufen Stolpe zufolge planmäßig. Bis zur Einführung würden 250 000 so genannte On-Board-Units zur elektronischen Erfassung der Fahrtstrecken in die Lkw eingebaut. Bis Ende 2003 werde diese Zahl verdoppelt. Ferner stünden rund 3500 Automaten für die manuelle Erhebung zur Verfügung. Schließlich gebe es die Möglichkeit, sich im Internet einzubuchen, auch von unterwegs mit internetfähigen Handys.

Grundsätzlich stößt die Maut-Einführung bei Umwelt- und Verkehrsverbänden auf Zustimmung. Sie sind jedoch gegen die Zweckbindung und gegen hohe Kompensationen etwa bei der Kfz-Steuer. Damit werde der ökologische Lenkungseffekt gemindert. Die Mautgebühr muss nach Ansicht der Allianz pro Schiene, eines Zusammenschlusses von 16 Non-Profit-Organisationen, darunter die Umweltverbände NABU und BUND, sowie 31 Wirtschaftsunternehmen,schrittweise erhöht und ihr Geltungsbereich auch auf Bundesstraßen erweitert werden.

Am 22-05-2003

Schlechter Start für Straßennutzungsgebühren durch politischen Streit

LKW-Maut

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht in dem anhaltenden Streit um die LKW-Maut ein unverantwortliches Störfeuer für den Start des Probebetriebs am Sonntag. Damit gerate die LKW-Maut unnötig in ein schlechtes Licht. Denn die Erhebung von entfernungsabhängigen Straßennutzungsgebühren für Lastwagen sei umweltpolitisch, verkehrspolitisch und auch finanzpolitisch ein sinnvolles und zukunftsweisendes Instrument. Damit würden unnötige Leerfahrten reduziert, Anreize für den Gütertransport auf der Schiene geschaffen und endlich auch ausländische Transportunternehmen zur Kasse gebeten, die bisher Deutschland als kostenloses Transitland genutzt hätten. Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin des VCD: "Die LKW-Maut ist ein gutes Projekt, da sie zur Entlastung von Mensch und Umwelt beiträgt. Außerdem läutet sie eine gerechtere Kostenverteilung bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ein. Daher hätte die Maut einen freudigen Willkommensgruß verdient. Statt dessen stimmen die üblichen Verdächtigen aus Opposition, Transportgewerbe und Industrie ihre abgedroschenen Klagegesänge an und fordern erneut Verschiebung, Nachbesserung und noch mehr Kompensationen."

Die Regierung sei der Güterverkehrslobby durch die Absenkung der Mauthöhe von durchschnittlich 15 auf 12,4 Cent bereits sehr weit entgegengekommen, weitere Forderungen seien daher nicht angemessen. Der VCD warnt auch die Opposition eindringlich vor einer Neuauflage ihrer Verzögerungs- und Behinderungstaktik im Bundesrat, die die Maut letztlich aushebeln solle. Die technischen Pannen beim Betreiber-Konsortium und die mangelhafte Ausgestaltung der Verträge seitens des Verkehrsministeriums seien angesichts der Tragweite des Projekts schon schlimm genug. Jetzt müssten alle Beteiligten mit Hochdruck an der Sache arbeiten, damit die Maut wenigstens zum 2. November offiziell starten könne.

Tischmann: "Wir brauchen die LKW-Maut dringend, denn schon heute gleicht die rechte Spur auf der Autobahn einem rollenden Lagerhaus. Das bedeutet jede Menge Treibhausgase, Staus und kaputte Straßen. Und spätestens mit der EU-Osterweiterung steht uns eine drastische Zunahme des Gütertransports bevor. Um dem wirksam zu begegnen, ist die Maut das richtige Mittel. Denn sie schafft nicht zuletzt gerechtere Wettbewerbsbedingungen im internationalen Transportgewerbe, da jedes Unternehmen die Maut zahlen muss."

Um die Lenkungswirkung der LKW-Maut zu verstärken, fordert der VCD in einem nächsten Schritt deren Ausweitung auf alle Straßen und alle LKW ab 3,5 Tonnen Gewicht. Außerdem sei eine Anhebung der durchschnittlichen Mauthöhe in festgelegten Schritten notwendig. Gleichzeitig müssten Instandsetzung und Ausbau des Schienennetzes intensiviert werden, um mehr Kapazitäten für den Gütertransport auf der Schiene zu schaffen.

Am 01-09-2003

LKW-Maut kein Grund für Preiserhöhungen

Kaum reale Auswirkungen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sehen in der neuen LKW-Maut keinen Grund für spürbare Preiserhöhungen. Der Anteil der Transportkosten am Produktpreis sei dafür zu gering und die realen Auswirkungen auf die Verbraucherpreise somit zu vernachlässigen. Die LKW-Maut diene vielen Unternehmen aber offenbar als willkommener Anlass für höhere Preise, so die Kritik. Die Verbände kritisierten die Deutsche Post, die mit ihrer Ankündigung, die Paketpreise für gewerbliche Kunden um durchschnittlich acht Cent zu erhöhen, vorgeprescht sei. Dies lasse sich durch die Lkw-Maut nicht rechtfertigen, die allenfalls Anlass, aber nicht Ursache für die Preissteigerung sei. Gleiches gelte für Nachahmer wie den Kosmetikkonzern Beiersdorf oder die Holsten-Brauerei. "Gerade die Post sollte die Maut zum Anlass nehmen, ihre Transporte wieder stärker auf die Bahn zu verlagern und so mit gutem Beispiel vorangehen", erklärte VCD-Verkehrsreferentin Heidi Tischmann.

Die Verbände gingen von kaum merklichen Auswirkungen der LKW-Maut auf das Endprodukt aus. Zwar erhöhten sich die Kosten für Lkw-Transporte durch die Maut um ein bis sieben Prozent, der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten eines Gutes liege aber für die meisten Produkte deutlich unter zwei Prozent. Dadurch ergäben sich Preiserhöhungen im Promillebereich. Das Bundesverkehrsministerium rechne bei einer durchschnittlichen Mauthöhe von 12,4 Cent pro Kilometer beispielsweise mit folgenden Auswirkungen auf die Verbraucherpreise: Bei einem Kilo Bananen etwa 1,2 Cent, einem Becher Joghurt etwa 0,4 Cent, einem Paar Schuhe etwa 0,8 - 1,2 Cent, einem Fernseher zu rund 500 Euro etwa 16 - 18 Cent und einer Einbauküche zu rund 10.000 Euro etwa 12,70.

Grundsätzlich bezeichneten die Verbände die Einführung der LKW-Maut als positiv. Dadurch würde ein Teil der Kosten für das Autobahnnetz endlich den Verursachern angelastet und Anreize zur Vermeidung von LKW-Transporten geschaffen. So könne die Lärm- und Abgasbelastung von Mensch und Natur verringert werden. "Wenn mit der LKW-Maut der Unsinn ein wenig teurer wird, französisches oder italienisches Mineralwasser im Laster quer durch Europa zu karren, dann ist das durchaus vernünftig.", so Tischmann.

Die Verbraucher seien aufgerufen, mehr Produkte aus der Region zu kaufen, da diese wegen kurzer Transportwege eine bessere Ökobilanz hätten und ohne "Mautzuschlag" blieben. "Statt zu jammern, sollten Landwirtschaft, Industrie und Handel jetzt Produkte aus der Region offensiv vermarkten und so Wettbewerbsvorteile durch die Maut gegenüber Billig-Importen nutzen", forderte vzbv-Vorstand Edda Müller.

Am 09-09-2003

Bürgerrechtsorganisationen befürchten totale Überwachung durch Maut-System

LKW-Maut

Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen fordern die deutsche Bundesregierung auf, die aktuelle Möglichkeit der Kündigung des Vertrages zur Umsetzung der LKW-Maut mit der Firma TollCollect zu nutzen. Grund hierfür ist nicht das bisherige technische und finanzielle Desaster beim Aufbau des Maut-Systems, sondern die drohende totale Verkehrsüberwachung, die mit dem Aufbau der Maut- Infrastruktur verbunden sei. Die Firma TollCollect GmbH wurde im Jahr 2002 mit dem BigBrotherAward Deutschland in der Kategorie "Technik" ausgezeichnet, für die geplante zentrale Verarbeitung von Kraftfahrzeug-Bewegungsdaten. Trotz dieser Kritik sei das technische Konzept weiterverfolgt und umgesetzt worden. Nun erweise sich, dass durch die bei dem Verfahren erfolgende Videoüberwachung nicht nur alle Lastkraftwagen (LKW), sondern zumindest kurzzeitig auch sämtliche Personenwagen (PKW) durch die über den Autobahnen installierten Maut-Brücken erfasst würden, so die Kritik. Mit Hilfe der in den LKW installierten OnBoardUnits (OBUs) sei außerdem eine jederzeitige Lokalisierung der registrierten Fahrzeuge und damit die Erstellung von präzisen Bewegungsprofilen möglich. Zwar habe der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im August 2003 erklärte, das Maut-System von TollCollect sei mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Tatsächlich erfolge mit dem System die radikale Wende vom anonymen zum individualisierten Straßenverkehr. Die Konsequenzen dieses Wandels für die Kfz- Nutzenden, die Automobilindustrie, die Wirtschaft generell, sowie für die Datenerhebung durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll und Geheimdienste seien nicht einmal ansatzweise überschaubar und gesellschaftlich noch überhaupt nicht diskutiert. Schon jetzt sei es unzweifelhaft, dass das Verfahren die totale elektronische Verkehrsüberwachung ermöglicht und die zum Datenschutz bisher vorgesehenen Sicherungen von Anfang an ungeeignet seien, so die Befürchtungen. Zwar sei nichts dagegen einzuwenden, dass die Nutzenden von Autobahnen für die dabei entstehenden Kosten zur Kasse gebeten werden. Dies lasse sich aber auch mit Mitteln erreichen, die nicht zur elektronischen Totalüberwachung führten.

Die Bürgerrechtsorganisationen äußerten den Verdacht, dass dem Maut-System von TollCollect mit seinem riesigen Überwachungspotenzial gegenüber einfacheren, billigeren und datensparsameren Systemen der Vorzug gegeben wurde, weil nur damit dem Datenbedarf insbesondere der Sicherheitsbehörden umfassend genügt werden könne. Sie fordern daher die Bundesregierung auf, sowohl alle Unterlagen zu dem System, insbesondere die mit TollCollect abgeschlossenen Verträge und die Überwachungsplanungen für die Öffentlichkeit offen zulegen als auch die Möglichkeit der Vertragskündigung zu nutzen.

Unterstützende Organisationen sind der Chaos Computer Club (CCC), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), die Internationale Liga für Menschenrechte (ILfM) , der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD), der Fördervein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG), die Humanistische Union (HU) und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD).

Am 05-11-2003

Starttermin für Lkw-Maut offen - Rückkehr zur Vignette abgelehnt

Verkehr

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) lehnt die im Bundesverkehrsministerium diskutierte Wiedereinführung der Euro-Vignette für Lkw ab. Diese pauschale Autobahngebühr sei kein adäquater Ersatz für die kilometerabhängige Lkw-Maut und bringe außerdem keine ausreichenden Einnahmen, um die entstandenen Finanzlöcher zu schließen. Auch könne die Vignette keine schnelle Abhilfe schaffen, da der Vorlauf für deren Wiedereinführung zu lang sei. Statt dessen fordert der VCD Bundesverkehrsminister Stolpe auf, die Lkw-Maut jetzt weiterzuentwickeln und sich nicht länger vom Unternehmen Toll-Collect hinhalten zu lassen. Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender: "Anstatt Personalkapazitäten und Zeit in drittklassige Übergangslösungen zu investieren, muss der Verkehrsminister den Blick in die Zukunft richten und bereits jetzt an der Erhöhung und Ausdehnung der geplanten Maut arbeiten. Nur so kann der entstandene Schaden einigermaßen kompensiert werden."

Wenn die durchschnittliche Maut bis zum endgültigen Start auf durchschnittlich 25 Cent pro Kilometer erhöht werde und sowohl für Lastwagen ab 3,5 Tonnen als auch auf allen Straßen gelte, könne im Nachhinein ausreichend Geld eingenommen werden. Gleichzeitig werde unter diesen Bedingungen mehr Verkehr auf die umweltschonende Schiene verlagert und damit die Entlastung für die Umwelt größer.

Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin des VCD: "Vorrangiges Ziel des Verkehrsministers muss es sein, dieses Stück aus dem Toll-Haus so schnell wie möglich zu beenden und eine zuverlässige und sachgerechte Technik zur Mauterfassung und -abrechnung sicherzustellen. Wenn Toll-Collect bis Ende Januar keinen akzeptablen Termin für die Einführung der Maut garantieren kann, bleibt nur die Kündigung des Vertrages. Eine weitere Blockade der Maut durch die Inkompetenz der deutschen Industrie ist jedenfalls nicht hinnehmbar."

Auch im Hinblick auf die aktuelle Neufassung der EU-Wegekostenrichtlinie sieht der VCD Handlungsbedarf. Hier sei jetzt massiver Einfluss seitens der deutschen Regierung in Brüssel notwendig, damit beispielsweise die Ausdehnung der Maut auf alle Straßen künftig ohne rechtliche Konflikte mit der EU möglich sei.

Am 07-01-2004

Ökologisch ausgerichtete LKW-Maut soll Verkehrskollaps in der EU vermeiden

Europäische Maut-Pläne im Stau

Während die LKW-Karawane auf Europas Straßen wächst und wächst, rückt eine Einigung über eine EU-weite Maut für Laster in weite Ferne. Heute und morgen tagt das EU-Parlament und wird sich in erster Lesung mit der Wegekosten-Richtlinie beschäftigen (1999/62/EG). Nach der Lesung im Parlament müssen wiederum die Verkehrsminister der EU-Mitgliedsländer über den Richtlinien-Entwurf beraten, und die blockieren bislang die Maut durch ihren Streit, wofür die Einnahmen verwendet werden dürfen. ROBIN WOOD appelliert an Bundesverkehrsminister Stolpe sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die Einnahmen aus der EU-Maut zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene verwendet werden und nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern. Durch die Neuwahl des EU-Parlaments im Juni und die neue Zusammensetzung der EU-Kommission im November ist nun wieder offen, wann und in welcher Form eine leistungsabhängige Maut in der EU kommen wird. Derweil wird sich das Problem weiter verschärfen. Seit 1991 ist der Güterverkehr auf deutschen Straßen um fast 45 Prozent gestiegen. Dabei wurden zwar kaum mehr Güter transportiert, diese aber immer weiter gefahren. Mit der EU-Osterweiterung wird Deutschland als Transitland noch stärker unter der LKW-Lawine leiden.

Die Bilanz dieser Form des Gütertransports ist schon jetzt erschreckend: Ein Drittel aller Verkehrstoten stirbt bei Unfällen mit LKW. Lärm und Abgase schädigen die Gesundheit der Menschen. Hinzu kommen Umwelt- und Klimaschäden. Schwere LKW verursachen zudem immense Straßenschäden. So macht ein einziger LKW mit 40 Tonnen Achslast eine Straße genauso kaputt wie 60.000 PKW.

"Wo sonst gibt es das noch, dass LKW die Autobahnen benutzen dürfen, ohne einen Cent dafür zu zahlen? Seit Herbst letzten Jahres müssen Brummi-Fahrer nicht einmal eine Euro-Vignette kaufen. Und das hiesige Maut-Debakel ist auch noch nicht ausgestanden", sagt Janina Welsch von ROBIN WOOD. "Wir wollen, dass endlich jene belohnt werden, die Güter umweltfreundlich mit der Bahn transportieren lassen, anstatt damit die Straßen zu verstopfen."

ROBIN WOOD fordert, die europäische Wegekosten-Richtlinie so auszugestalten, dass künftig mehr Güter mit der Bahn transportiert werden. Wer besonders umweltschädlich über die Straße transportieren lässt, soll alle Kosten tragen, die er verursacht. Deshalb sollte bei der Berechnung der Maut - über die Wegekosten hinaus - auch ein Ausgleich für Umweltschäden durch den LKW-Verkehr wie Luftverschmutzung und Bodenverseuchung berücksichtigt werden. Außerdem sollte sich die Höhe der Maut nicht bloß nach gefahrenen Kilometern, Gewicht und Emissionsklasse richten, sondern auch nach den Lärmwerten eines Lasters.

Europaweit sollte statt eines Höchstsatzes eine Mindesthöhe für die Maut festgelegt werden. Die Einnahmen sollten zweckgebunden für Ausbau und Modernisierung der Schienennetze und Reparatur der Straßen genutzt werden, nicht aber für den Bau von noch mehr Straßen. Darüber hinaus ist den Mitgliedsstaaten freizustellen, die Maut - über Autobahnen hinaus - auf das gesamte Straßennetz auszudehnen. Praktische Erfahrungen in Österreich zeigen, dass dies notwendig ist, damit Spediteure ihre Fahrer nicht auf Bundesstraßen und in Ortschaften ausweichen lassen.

Am 19-04-2004

Bahn sicherer als LKW

Transport

Die Bahn ist beim Transport gefährlicher Güter 17mal sicherer als ein LKW. So haben sich im Jahr 2003 mehr als die Hälfte aller Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen in Deutschland bei ihrem Transport ereignet, davon über 90 Prozent beim Transport mit Straßenfahrzeugen, wie das statistische Bundesamt heute mitteilte. Diese Unfallstatistik 2003 bestätigt die Berechnungen der Allianz pro Schiene, nach der die Bahnen 17mal sicherer als LKW bei der Beförderung gefährlicher Güter sind, bezogen auf die jeweils beförderten Mengen. "Die Bahnen sind das mit Abstand sicherste Verkehrsmittel, sowohl im Personenverkehr als auch beim Transport von Stoffen, die unsere Umwelt und unsere Gesundheit gefährden", erklärte Norbert Hansen, der Vorsitzende der Allianz pro Schiene. Wassergefährdende Stoffe sind vor allem Mineralöl- und Chemieerzeugnisse. Nach Berechnungen der Allianz pro Schiene ereigneten sich im Zeitraum 1999 bis 2002 im Durchschnitt monatlich drei Unfälle beim Schienentransport, dagegen 108 Unfälle mit LKW, bei denen wassergefährdende Stoffe freigesetzt wurden. Im Verhältnis zur Verkehrsleistung, also zu den beförderten Mengen und den zurückgelegten Entfernungen auf Schiene und Straße, bedeute das, dass LKW mit gefährlicher Fracht 17mal häufiger verunglücken als die Bahnen.

Als häufigste Ursache für Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen gibt das statistische Bundesamt auch in diesem Jahr "menschliches Fehlverhalten" an: Über die Hälfte aller Schadensfälle wurden durch menschliches Fehlverhalten verursacht. Diese Unfallursache tritt besonders häufig bei der Beförderung gefährlicher Güter im Straßenverkehr auf, wie das Amt bereits anlässlich des "Tag des Wassers" mitteilte. Hier liegt nach Ansicht der Allianz pro Schiene ein entscheidender Sicherheitsvorteil des Systems Schiene, in dem das Fehlverhalten von Einzelnen aufgrund der hochgradigen Vernetzung und Regulierung korrigiert wird, während im Individualverkehr auf der Straße naturgemäß die Fehler voneinzelnen Fahrern häufiger zu Unfällen führen.

Am 29-10-2004

LKW-Maut startet 2005

Güterverkehr

Die Maut soll auf deutschen Autobahnen nun am 1. Januar 2005 starten. Sie werde mit einem sogenannten "fliegenden Start" beginnen, denn das System laufe bereits, sagte Bundesminister Manfred Stolpe anlässlich der Erteilung der Vorläufigen Betriebserlaubnis für das Lkw-Mautsystem. Ab dem 1. Januar würden dann aber "richtige und nicht nur virtuelle Rechnungen erstellt". Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) werde bei den Kontrollen und der Nacherhebung "so streng wie möglich" vorgehen, so Stolpe. Es werde "keine Nachsicht mit Mautprellern" geben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte den Start. Die für das Jahr 2005 erwarteten Gesamt-Mauteinnahmen bezifferte der Minister auf drei Milliarden Euro. Nach Abzug der Systemkosten und der Kosten für die Kontrollen stünden davon 2,4 Milliarden vollständig für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. Davon würden ca. 1,2 Milliarden in die Bundesfernstraßen, circa 910 Millionen in die Schienenwege und 290 Millionen in die Bundeswasserstraßen investiert.

"Die LKW-Maut schafft bessere Wettbewerbsbedingungen zwischen Bahn und Straße." sagt Gerhard Timm, BUND-Bundesgeschäftsführer. Der Schienengüterverkehr trage bereits seine Wegekosten selbst. Jetzt müsse auch der LKW-Verkehr Wegekosten übernehmen. Die Maut müsse aber schnellstmöglich für alle Straßen eingeführt, schrittweise angehoben und auf Klein-LKW ausgedehnt werden.

Nach Ansicht des BUND sollten die Einnahmen aus der LKW-Maut für die Modernisierung des Schienennetzes sowie für den Erhalt der Straßen eingesetzt werden. Eine Zweckbindung der Maut allein zu Gunsten des Straßenbaus, wie von CDU/CSU und FDP gefordert, lehnt der BUND ab. Damit würde die erforderliche Modernisierung des Schienennetzes verhindert und die beabsichtigte Verlagerung von Gütertransporten auf die Bahn unterlaufen.

Ob die Maut wirklich zur erhofften Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene kommt, ist noch umstritten. Erste Ergebnisse aus Österreich, wo die Maut bereits seit einem Jahr läuft, konnten eine Verlagerung nicht bestätigen.

Am 15-12-2004

LKW-Maut-Ausweicher belasten Anwohner und Nutzer zahlreicher Strecken

Aktion "Maut-Flucht stoppen!"

Nach Beobachtungen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) weichen viele Laster auf Bundes- und Landesstraßen aus, um die auf Autobahnen anfallende LKW-Maut zu umgehen. Der VCD legte am Mittwoch eine erste Auswertung seiner bundesweiten Aktion "Maut-Flucht stoppen!" vor. Seit dem Start vor sechs Wochen zählte der Verkehrsclub rund 600 Rückmeldungen. Danach leiden Anwohner und Nutzerinnen zahlreicher Bundes- und Landesstraßen seit dem Start der Lkw-Maut am 1. Januar erheblich unter Lkw-Ausweichverkehr. Zumeist mieden schwere Lastwagen die Autobahnen in der Nähe ihrer Start- und Zielorte, nutzten Abkürzungen oder wichen auf gut ausgebaute Bundesstraßen um, die parallel zur Autobahn verlaufen. Auf zahlreichen Strecken gebe es Probleme, weil LKW von der Autobahn abführen, um so der Maut zu entgehen, sagte Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. In Wohnorten steige die Lärm- und Abgasbelastung, auf Pendlerstrecken stocke der Verkehr. "Wir brauchen daher dringend Maßnahmen gegen die Maut-Flucht, damit der sinnvolle Ansatz der Maut für mehr Kostengerechtigkeit im Verkehr nicht unterlaufen wird", forderte Gehrmann.

Kurzfristig müssten nun die Behörden vor Ort mit Durchfahrtverboten für Lkw, Tempobeschränkungen und Nachtfahrverboten reagieren, um den Betroffenen zu helfen. Die Bundesregierung sei zudem gefordert, die Maut schnellstmöglich auf alle Straßen und auf kleinere Lkw auszudehnen, damit Ausweichverkehr gestoppt und dem Schwerlastverkehr ein merklicher Teil der Kosten angelastet werde, den er durch Straßenabnutzung und Umweltschäden verursache.

Nach bisheriger Auswertung der VCD-Aktion hat das Lkw-Aufkommen besonders stark auf den Bundesstraßen 3, 4, 5 und 75 im Großraum Bremen - Hamburg - Braunschweig, auf der B 31 am Bodensee, im Raum Stuttgart (B 27, 29), Passau (B 8, 12) und München (B 471) zugenommen. Der Verband rief auf, auch weiterhin Streckenabschnitte zu nennen, auf denen der Lkw-Verkehr seit dem 1. Januar 2005 stark zugenommen hat.

"Unsere exemplarische Befragung geht weit über subjektive Eindrücke hinaus", sagte Heidi Tischmann, Verkehrsreferentin des VCD. Ausweichverkehr in Folge der Mauteinführung sei für viele Menschen zu einer deutlich wahrnehmbaren Belastung geworden. "Die Betroffenen schildern auf ihren Antwortbögen die unmittelbaren Folgen", sagte Tischmann: "Lärm, Abgase und Unfallgefahr nehmen zu." Das zeige die Probleme, die Güterverkehr auf der Straße allerorten mit sich bringe. "Wir brauchen deshalb eine Verkehrspolitik, die unnötigen Verkehr vermeiden hilft und Anreize zur Verlagerung von Transporten auf die umweltverträglichere Schiene bietet", so die Verkehrsreferentin.

Am 27-04-2005

Bundesregierung rechnet mit Milliarden-Einnahmen durch Lkw-Maut

Leerfahrten

Nach Angaben der deutschen Bundesregierung bringt die Lkw-Maut im ersten Jahr ihrer Erhebung voraussichtlich 2,85 Milliarden Euro Einnahmen. Für 2006 würden 2,9 Milliarden Euro veranschlagt. Die Erfassungsquote liege bei über 99 Prozent. Mehr als 23 Milliarden Fahrkilometer seien bisher abgerechnet worden. Die Maut entwickelt sich nach Auffassung von Bundesverkehrsminister Tiefensee mehr und mehr auch zu einem intelligenten System der Verkehrssteuerung. So seien die Leerfahrten nach einer Untersuchung des Bundesamtes für Güterverkehr um 15 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig habe die Zahl der Container, die statt mit dem Lkw auf der Schiene transportiert würden, um sieben Prozent zugenommen. Vom 1. Januar 2006 an benötigen nach Angaben des Verkehrsministeriums alle mautpflichtigen Lkw die neue Softwareversion OBU 2.0. Sie mache das Mautsystem flexibel für künftige Anforderungen: Mit ihr könnten neue Autobahn-Anschlussstellen, zusätzliche mautpflichtige Strecken oder veränderte Mautsätze automatisch per Mobilfunk auf die Fahrzeuggeräte überspielt werden. Darüber hinaus könne damit auch die vorgesehene stärkere Spreizung der Maut je nach dem Schadstoffausstoß der Lkw umgesetzt werden.

Das Ministerium weist auch darauf hin, dass mit Einführung der Lkw-Maut der Schwerlastverkehr auf bestimmten Bundesstraßen zugenommen habe. Die Ergebnisse von Verkehrszählungen lägen inzwischen vor und würden von den einzelnen Bundesländern bewertet. Sobald alle Rückmeldungen der Länder vorlägen, werde das erforderliche Verfahren bei der EU eingeleitet, damit die vorgeschlagenen Straßenabschnitte zügig in das Mautsystem einbezogen werden könnten. Das werde voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2006 der Fall sein, sagte der Bundesverkehrsminister.

Tiefensee verwies auch auf die zusätzlichen Regelungen des Paragraphen 45 der Straßenverkehrsordnung, mit denen die Länder die Möglichkeit erhalten hätten, bestimmte Strecken auf Bundesstraßen zu sperren, wenn die Bevölkerung erheblich erhöhten Belästigungen ausgesetzt sei: "Die Länder sollten dieses erweiterte Instrumentarium tatkräftig nutzen."

Insgesamt seien bislang acht Abschnitte von Bundesstraßen für eine Bemautung vorgeschlagen worden. In Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt seien die Bewertungen noch nicht abgeschlossen. Bremen, das Saarland und Thüringen haben laut Verkehrsministerium keine Bundesstraßenabschnitte gemeldet.

In Niedersachsen gelte dies für die B 4 zwischen Braunschweig und Lüneburg, die B 75 zwischen Rotenburg und Tostedt sowie die B 51 zwischen Osnabrück und Diepholz. In Hamburg seien es die B 75 zwischen der A 7 und der A 253 sowie die B 4 zwischen der A 23 und der Landesgrenze. In Schleswig-Holstein sei die B 4 zwischen Hamburg und Bad Bramstedt sowie die B 77 zwischen Schleswig und Rendsburg und in Hessen die B 254 zwischen Alsfeld und Fulda betroffen.

Am 22-12-2005

Bundesregierung will Kfz-Steuer für schwere Lkw senken und Maut erhöhen

Entlastung für deutsche Spediteure

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einem Gesetzentwurf von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee zugestimmt, der eine Senkung der Kfz-Steuer für schwere Lkw um insgesamt 150 Millionen Euro vorsieht. Die Einnahmeausfälle, die dadurch für die Bundesländer entstehen, werden durch eine Anhebung des durchschnittlichen Mautsatzes um 1,1 Cent kompensiert. Weiterhin soll ein Förderprogramm von 100 Millionen Euro jährlich für die Anschaffung emissionsarmer Lkw gestartet werden. Das Subventionsprogramm soll starten, wenn der Gesetzentwurf in Kraft tritt. Mit diesen Maßnahmen sollen die deutschen Lkw-Speditionen profitieren: Hintergrund ist eine Verständigung zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, bei der Einführung der Lkw-Maut das deutsche Speditionsgewerbe um jährlich insgesamt 600 Millionen Euro zu entlasten. Deutschland begründet diese Privilegierung mit "unterschiedlichen Wettbewerbsbedingen im europäischen Güterverkehr". Ursprünglich war laut Bundesregierung vorgesehen, Spediteuren, die in Deutschland tanken, einen Teil der Mineralölsteuer zu erstatten. Sie hätten so einen Teil ihrer Mautkosten zurückholen können, wenn sie deutsche Tankquittungen einreichten. Doch das wurde von der EU-Kommission abgelehnt. Nach Auffassung der Kommission hätte dies ausländische Spediteure benachteiligt. Sie tankten seltener in Deutschland und würden somit diskriminiert.

Das Mautsystem selbst kritisierte die EU-Kommission aber nicht. Sie befürwortet die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren für schwere Lkw.

Derzeit wird die "Entlastung" des deutschen Speditionsgewerbes um jährlich 600 Millionen Euro laut Bundesregierung durch eine Absenkung des durchschnittlichen Mautsatzes von 15 Cent auf 12,4 Cent erreicht. Der Betrag von 15 Cent errechne sich aus den von den mautpflichtigen Fahrzeugen verursachten Wegekosten.

Die jetzt vorgesehene Senkung der Kfz-Steuer für schwere Lkw und das vorgesehene Förderprogramm hätten zusammen ein Volumen von 250 Millionen Euro jährlich. Um diese Maßnahme gegenzufinanzieren, werde der durchschnittliche Mautsatz um 1,1 Cent erhöht.

Seit 1. Januar 2005 wird den Angaben zufolge auf allen Bundesautobahnen von Lastkraftwagen ab einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 12 Tonnen eine "streckenbezogene" Maut erhoben. Die Höhe der vom Nutzer zu zahlenden Maut hängt von den tatsächlich gefahrenen Autobahnkilometern ab. Die Maut gilt für inländische wie für ausländische Fahrzeuge und ersetzt die frühere zeitbezogene Euro-Vignette. Der durchschnittliche Mautsatz beträgt 12,4 Cent pro Kilometer.

Am 27-07-2006

ADAC contra Lkw-Maut: Die übliche Motorweltrechnung

<<KOPF ODER ZAHL?>>

Zahlen und Statistiken werden häufig eingesetzt, um nicht selber nachdenken und nicht selber, als Kopf und Persönlichkeit, etwas entscheiden zu müssen. Stattdessen dient eine willkürlich ausgewählte und passend zurechtfrisierte Zahl als jener Sachzwang, zu dem es angeblich keine Alternative gibt. Jens Jürgen Korff, Mitautor des Buches »Lügen mit Zahlen - Wie wir mit Statistiken manipuliert werden«, spießt in dieser neuen Kolumne aktuelle Beispiele auf. Um Geld für die dringend notwendige Sanierung von Straßenbrücken einzutreiben, hat NRW-Verkehrsminister Michael Groscheck eine allgemeine Straßenmaut für Klein-Lkw ins Spiel gebracht. Spediteure und ADAC riefen, wie zu erwarten, sofort den drohenden Untergang des Abendlandes aus. Dabei wuchtete der ADAC einmal mehr seine 53 Milliarden € aufs Tapet, die sonst dazu dienen, das Mantra „Autofahrer-sind-die-Melkkühe-der-Nation“ zu unterfüttern. So viel Geld kassiert der Staat angeblich jedes Jahr „von den Autofahrern“, um dann – böse, böse – nur ein Drittel davon in den Straßenbau zu stecken. Das ist eine typische Motorweltrechnung, eine Rechnung ohne den Rest der Welt. In die 53 Mrd. € des ADAC geht zum Beispiel die Mehrwertsteuer auf Autos und Benzin mit ein. Der ADAC verschweigt in diesem Zusammenhang, dass der Autoverkehr in Deutschland ein Milliardengeschäft ist, mit dem viele Leute Milliarden verdienen. (Wenn es darum geht, den „volkswirtschaftlichen Nutzen des Straßenverkehrs“ darzustellen, erwähnt der ADAC das allerdings durchaus.)

Der Staat dient dazu, die vielen notwendigen Dinge zu organisieren, mit denen man kein Geld verdienen kann: Bildung, Rechtsfrieden, innere, äußere und soziale Sicherheit, Umweltschutz, öffentliche Daseinsvorsorge. Die dafür nötigen Steuern werden überall da erhoben, wo die Bürger Geschäfte machen und Geld verdienen. Anders geht es nicht. Geschäfte und Verdienste im Zusammenhang mit dem Autoverkehr dürfen keine Ausnahme bilden. Deshalb ist es völlig in Ordnung und unvermeidlich, wenn solche Steuereinnahmen in die Finanzierung sämtlicher öffentlicher Aufgaben fließen. Sie mit den Ausgaben für den Straßenbau zu vergleichen, ist nicht sinnvoller, als die Steuern und Abgaben sämtlicher Bürger, die Abwasser produzieren, mit den Ausgaben für Abwasserkanäle zu vergleichen. Man kann jeden Steuer-Euro halt nur einmal ausgeben.

Jens Jürgen Korff

Am 05-04-2013

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