Mai 2003
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Statt Agenda 2010 "Zeichen für Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft"
Unternehmen und Bezieher von Kapitaleinkommen sollten stärker zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen werden. Das fordert die AG Öffentliche Finanzen des Wissenschaftlichen Beirats des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Der Sonderparteitag der SPD am 1. Juni 2003 solle ein Zeichen für soziale Gerechtigkeit setzen. Die Agenda 2010, die an diesem Tage zur Abstimmung steht, beinhalte eine neue Runde sozialer Ungerechtigkeit und wirtschaftlicher Unvernunft. Sie belaste einseitig die Beschäftigten, Arbeitslosen und Bezieher sozialer Leistungen. Ein Beitrag der Wohlhabenden dagegen fehle völlig.
Küstenstädte sind Regenmaschinen
Großstädte, insbesondere an der Küste, werden künftig eine immer wichtigere Rolle für das Wetter und möglicherweise auch für das Klima spielen. Denn laut einer Studie von Marshall Shepherd vom Goddard Space Flight Center der NASA und Steve Burian von der University of Arkansas heizt sich die Luft über Metropolen, in denen große Teile durch Straßen und Häuser bedeckt sind, stark auf und steigt nach oben. In Kombination mit der kühlen Meeresbrise bedingt dies einen häufigeren und stärkeren Regenfall, wie eine Analyse in der Region um Houston vor und während der Urbanisierung zeigte.
TeilnehmerInnen des Gegengipfels bereiten Aktionen vor
Rund um den Kurort Evian, an dem sich von Sonntag an die Regierungschefs der G8 versammeln, laufen die Gegenaktivitäten auf Hochtouren. Tausende von AktivistInnen haben ihre Zeltlager in Genf, Annemasse und Lausanne bezogen, nehmen am Gegengipfel teil und bereiten Aktionen vor. Die rund 1000 G8-GegnerInnen, die mit einem Sonderzug aus Deutschland und Polen angereist sind, konnten die Grenzen ohne größere Behinderung passieren und haben ihre Zelte in Annemasse (zwischen Genf und Evian) aufgeschlagen.
"Gesundheitsreform entlastet Arbeitgeber auf Kosten der Versicherten"
Der "Verbraucherzentrale Bundesverband" kritisiert die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) geplante Regelung zur Verlagerung der Kosten für das Krankengeld auf die Versicherten. Während bisher der Krankenversicherungs-beitrag im Verhältnis 50:50 von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen wird, solle das Verhältnis nun 53:47 zu Lasten der Versicherten betragen. "Diese sechs Prozent Umfinanzierung entsprechen mehr als 8 Mrd. Euro", erläuterte Prof. Dr. Edda Müller von der Verbraucherzentrale. "Für das Krankengeld werden aber nur gut 7 Mrd. Euro benötigt. Das heisst: Die Versicherten werden ganz nebenbei um eine weitere Milliarde Euro zusätzlich belastet, um die Arbeitgeberseite zu entlasten."
Gesundheit in ärmeren Ländern steht auf dem Spiel
Im Vorfeld des G8-Gipfels in Evian befürchtet die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, dass die Gesundheit der Menschen in ärmeren Ländern den Interessen der Pharmaindustrie zum Opfer fällt. Die Organisation warnt davor, dass der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, der erst 2001 auf dem G8-Gipfel in Genau eingerichtet wurde, seine Arbeit bald einstellen muss, wenn die Regierungen ihre finanziellen Zusagen nicht erfüllen. So hat die deutsche Regierung zwar 214 Millionen US-Dollar versprochen, tatsächlich jedoch erst zwölf Millionen Dollar einbezahlt. Allein für das Jahr 2003 fehlen dem Fonds 1,4 Milliarden US-Dollar, um weitere Projekte finanzieren zu können.
Protest gegen Patent-Gesetz des Bundesjustizministeriums
Greenpeace und das katholische Hilfswerk Misereor nutzen den ökumenischen Kirchentag in Berlin für eine Protestaktion gegen Patente auf Gene, Tiere, Pflanzen und Saatgut. Mit ihren Aktionen auf dem Kirchentag wenden sich die beiden Organisationen gegen den drohenden Gesetzesentwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), der Patente auf Gene, Teile des menschlichen Körpers sowie von Pflanzen und Tieren zulassen würde. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sehe vor, dass alles, was aus dem menschlichen Koerper isoliert und kommerziell verwertet werden könne, auch patentierbar sein soll - mit ernsten Folgen für die Medizin, befürchten die Organisationen.
Mehr als 40.000 sterben jährlich an typischen Raucherkrankheiten
Mehr als 40.000 Menschen sind 2001 in Deutschland an typischen Raucherkrankheiten gestorben. Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Weltnichtrauchertages (31. Mai) am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, war Lungenkrebs die fünfthäufigste Todesursache. Insgesamt seien 4,8 Prozent aller Sterbefälle auf eine für Raucher symptomatische Erkrankung zurückzuführen gewesen.
UN-Organisationen ziehen komplett in "Langen Eugen" und ins "Bundeshaus" ein
Die elf Bonner UN-Vertretungen werden künftig an einer Stelle konzentriert. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin, die Organisationen im ehemaligen Abgeordnetenhochhaus "Langer Eugen" sowie und im alten mehrgeschossigen "Bundeshaus" neben dem früheren Plenarsaal des Bundestages unterzubringen. Derzeit sind die einzelnen Organisationen der Vereinten Nationen noch über das Stadtgebiet verteilt.
amnesty kritisiert "exzessive Polizeibrutalität" in Deutschland
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) listet in ihrem jüngsten Jahresbericht 2003 Menschenrechtsverletzungen auch in Deutschland auf. Die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Barbara Lochbihler, sprach insbesondere von Fällen "exzessiver Polizeibrutalität". So schildere der Bericht Misshandlungen durch Polizisten bei Festnahmen, Hausdurchsuchungen oder in der Haft. Ferner werden zwei Todesfälle in der Haft und bei der Abschiebung in dem Bericht aufgeführt. Lochbihler beklagte, dass in den aufgeführten Fällen die Ermittlungen zu langsam vorangingen.
Toleranz und Wut wegen der Brandanschläge und der Asyldebatte der 90er Jahre
Anlässlich des zehnten Jahrestages des fremdenfeindlich motivierten Brandanschlages auf ihr Haus in Solingen ruft die Familie Genc ihre Mitbürger zu Toleranz und Respekt auf. Die Schmerzen nach dem Verlust von fünf Angehörigen seien auch heute noch sehr groß, sagte die 60-jährige Mevlüde Genc am Mittwoch in Solingen. Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau (PDS) machte in einer Pressemitteilung die Asyldebatte für die Serie rechter Anschläge Anfang der 90er Jahre verantwortlich: "Ausgelöst wurden die Brand- und Mordanschläge durch die Asyldiskussion, in der auf übelste Weise Flüchtlinge nicht als schutzsuchende Menschen, sondern als Schmarotzer des Reform der Sozialsystems dargestellt wurden. Bezeichnend ist dabei, dass die Reaktion der offiziellen Politik nicht ein entschiedenes Eintreten für den Schutz für Flüchtlinge und für die Rechte ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger war, sondern vielmehr die faktische Abschaffung eines Grundrechts durch den berüchtigten Asylkompromiss von 1993. Die Mörder und Brandstifter konnten sich bestätigt fühlen."
Ökumenischer Kirchentag in Berlin
Die Veranstalter des ersten Ökumenischen Kirchentages in Berlin erwarten von dem Großereignis wichtige Impulse auf dem Weg zur Einheit der Christen. "Der Ökumenische Kirchentag könnte ein Vorhof zur Einheit der Kirchen werden", sagte die evangelische Präsidentin, Elisabeth Raiser, am Mittwoch in Berlin. Die Christen könnten sich auf der viertägigen Veranstaltung als "große Gemeinschaft der Verschiedenen" erkennen, die sich in ihrem Glauben und ihrem Engagement eng verbunden fühlen.
Reporter ohne Grenzen fordert Freilassung eines Karikaturisten
Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" fordert sofortige Freilassung des hungerstreikenden inhaftierten Karikaturisten Ali Lmrabet. Reporter ohne Grenzen ist zutiefst besorgt um den Gesundheitszustand des in Marokko inhaftierten Karikaturisten Ali Lmrabet, der sich seit 6. Mai im Hungerstreik befindet und gestern ins Krankenhaus von Rabat verlegt werden musste. Nach Angaben des Arztes ist Lmrabet sehr schwach. Nachdem er keine Flüssigkeit mehr bei sich behält, musste er gestern an den Tropf gehängt werden. Er kann nicht mehr laufen und hat große Schwierigkeiten beim Sprechen.
Recht auf freie Akteneinsicht gefordert
Mehrere Bürgerrechtsorganisationen haben sich für eine schnelle Einführung eines allgemeinen Akteneinsichtsrechts in Deutschland ausgesprochen. Nachdem ein Informationsfreiheitsgesetz über zwei Legislaturperioden hinweg verschleppt worden sei, müsse das im Koalitionsvertrag angekündigte Informationsfreiheitsgesetz auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Am Ende der vorigen Legislaturperiode war ein Entwurf des Innenministeriums am Widerstand der Ministerien gescheitert.
Billigflieger im Wettbewerbsvorteil
Angesichts steigender Fluggastzahlen vor allem auf innerdeutschen Strecken warnt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) vor den negativen Folgen des zunehmenden Flugverkehrs für Klima und Anwohner. Passagierzuwächse von rund 15 Prozent bei Inlandsflügen, wie sie am Dienstag das statistische Bundesamt für das erste Quartal 2003 veröffentlicht hat, zeigten eine massive Fehlentwicklung im Fernverkehrssektor zu Lasten von Umwelt und Gesundheit. Ursache sei hierbei vor allem eine falsche Subventionspolitik zu Gunsten des umweltschädlichen Flugverkehrs. Die fehlende Besteuerung von Kerosin, Steuererleichterungen und direkte Beihilfen für Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugzeugindustrie verschafften dem Flugzeug einen enormen Wettbewerbsvorteil. Deshalb boomten die Billigflieger und der Umweltschutz bleibe auf der Strecke.
Sport senkt Risiko von Herzerkrankungen
Bereits ein bis zwei Stunden Sport pro Woche sollen ausreichen, um das Risiko einer Herzerkrankung zu senken. Zwei Stunden wöchentlich reduzieren das Risiko im Vergleich zu einem trägen Lebensstil bereits um mehr als die Hälfte. Eine zwischenzeitlich körperlich belastende Arbeit hingegen senkt das Risiko nicht. Zu diesem Ergebnis kommen deutsche Forscher unter der Leitung von Wolfgang König von der Abteilung Innere Medizin II - Kardiologie an der Universität Ulm. Untersucht wurden 312 Patienten mit einer Herzerkrankung im Alter zwischen 40 und 68 Jahren sowie 479 Kontrollpersonen.
Langzeit-Untersuchungen bei Gentechnologie
Die Royal Society, die britische Akademie der Wissenschaften, fordert Langzeit-Untersuchungen der Auswirkungen gentechnologisch veränderter Pflanzen. Nach einem Bericht von BBC Online könnten nur damit eventuelle Risiken bei der kommerziellen Aussaat verringert werden. Wenn Gentech- Pflanzen erlaubt werden sollen, dann müssten auch eventuelle Risiken dieser vorab bekannt sein. Das gelte sowohl für die EU als auch für Großbritannien. Die Gesellschaft forderte auch, dass Resultate von Gentech-Farmversuchen den Wissenschaftlern zugänglich zu machen sind. Bei den Untersuchungen müssen zum Beispiel eventuelle Gefahren für wildlebende Pflanzen und Tiere erforscht werden.
Einwegpfand statt Dosensteuer
Vor dem Hintergrund der Gespräche zwischen Industrie und Umweltministerium zum Thema Getränkeverpackungen hat der Naturschutzbund (NABU) die konsequente Förderung von Mehrwegsystemen und anderen ökologisch vorteilhaften Verpackungen gefordert. Die Vorschläge der Industrie zur Einführung einer Dosensteuer halte die Organisation für nicht zielführend. In diesem Zusammenhang erinnerten die Umweltschützer daran, dass Vorschläge von Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie des Umweltministeriums zu einer Einweg-Abgabe seit dem Sinken der Mehrwegquote von der Einweglobby rigoros abgelehnt wurden. Auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) wies die Forderungen nach einer Steuer auf Dosen und Einwegflaschen zurück.
Robert-Koch-Institut entwickelt SARS-Test
Das Robert Koch-Institut hat einen hat einen diagnostischen Test zum Nachweis von Antikörpern gegen das SARS-Virus entwickelt. Mit dem kommerziell Immunfluoreszenztest können laut Angaben des Instituts erstmals Antikörper gegen den SARS-Erreger bei infizierten Personen nachgewiesen werden. Dabei werden Blutproben auf das Vorhandensein und die Konzentration spezifischer Immunglobuline untersucht, heißt es in einer Aussendung.
Ein Viertel der Unternehmen will im Ausland produzieren
Fast jedes vierte deutsche Unternehmen plant eine Produktionsverlagerung ins Ausland. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Vor drei Jahren habe die Zahl der Firmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern wollten, noch bei rund 20 Prozent gelegen. Knapp 10.000 deutsche Unternehmen wurden bei der aktuellen Studie zum Thema "Produktionsverlagerung als Element der Globalisierungsstrategie von Unternehmen" befragt. Dabei sei besonders auffällig, dass zunehmend nicht nur lohnintensive Fertigungsbereiche ins Ausland verlagert würden, sondern dass jetzt auch Unternehmensteile wie Verwaltung, Forschung und Entwicklung und sogar der Sitz der Unternehmensführung auf den Prüfstand kämen, berichtet die DIHK.
Lockerung der Mediengesetze in den USA
Die US-Medienbehörde FCC wird voraussichtlich am Montag nächster Woche die Lockerung der bisher strengen Mediengesetze bekannt geben. Dabei zeichnet sich laut Berichten der New York Times (NYT) ab, dass unter anderem die Cross-Ownership-Regelung fallen wird. Dieses Gesetz sieht vor, dass ein Medienunternehmen nicht gleichzeitig einen TV-Sender und eine Tageszeitung im selben Markt besitzen darf. Die "Überkreuzbeteiligung" von Medienunternehmen wird in den USA kontrovers diskutiert. Während einige Konzerne massiv dafür eintreten, bezweifeln andere den Nutzen einer Aufhebung des bisherigen Verbots.