Im Kern geht es um Paragraf 14, Absatz 4 der Parteisatzung. Dieser sieht vor, dass Mitglieder im Bundesvorstand nicht zugleich dem Bundestag, der Bundesregierung, einem Landtag, einer Landesregierung, dem Europaparlament oder der Europäischen Kommission angehören dürfen.
Die Befürworter der strikten Trennung von Amt und Mandat sehen in diesem Prinzip ein Stück Grünen-Identität, die die Partei glaubwürdig und unverwechselbar macht. Sie befürchten, dass eine Aufhebung dieser Gewaltenteilung zu einer gefährlichen Machtballung führen und dem Filz Tür und Tor öffnen könnte. Außerdem sehen sie die Gefahr, dass die Partei weniger kreativ arbeiten würde, wenn sich ihre Vorsitzenden im politischen Tagesgeschäft verlören.
Die Gegner der Trennung von Amt und Mandat wollen der Parteispitze hingegen den Zugang zum Parlament und seinen Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen ermöglichen. Sie befürchten einen Bundesvorstand, der ohne ausreichenden Mitarbeiterstab arbeiten muss und von heimlichen Vorsitzenden und ehrgeizigen Funktionären gegängelt wird.
Ferner wollen sie den Mitgliedern mehr Entscheidungskompetenzen bei Wahlen zu den höchsten Parteiämtern einräumen. Die Kritiker der jetzigen Regelung geben zu bedenken, dass die bisherige Verfahrensweise nicht per se zu einer Machtbegrenzung geführt hat. Gerne verweisen sie dabei auf Außenminister Joschka Fischer. Der "heimliche" Grünen-Vorsitzende hat bisher nie ein Führungsamt ausgeübt.
Die nun zur Abstimmung stehende Satzungsänderung soll es künftig zumindest einem Drittel der Mitglieder des Bundesvorstands ermöglichen, zeitgleich ein Abgeordnetenmandat wahrzunehmen. Zwei von sechs Bundesvorständlern dürften somit dem Bundestag oder einem Landtag angehören. Bundesvorstandsmitglieder dürfen aber weiterhin nicht Fraktionsvorsitzende, Minister oder Mitglieder der Europäischen Kommission sein.
Die Urabstimmung war auf dem Parteitag am 7. und 8. Dezember in Hannover beschlossen worden. Acht Stimmen fehlten dort jedoch zur Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Interimslösung, durch die die damaligen Vorsitzenden Roth und Kuhn bis zum Ende der Urabstimmung weiter an der Spitze der Partei hätten stehen und gleichzeitig ihr Bundestagsmandat ausüben können.
Bis zum 13. Mai haben die Grünen-Mitglieder für ihr Votum Zeit. Die Auszählung soll am 23. Mai beendet werden. Umstritten ist allerdings, ob bei der Urabstimmung ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit für diese Satzungsänderung notwendig ist. Für die Grünen ist dies die zweite Urabstimmung in ihrer Geschichte. Die erste fand vor zehn Jahren statt. Damals ging es um die Fusion der Grünen mit der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung "Bündnis 90".