Zehntausende demonstrieren
Der Krieg mit dem zynischen Titel "Operation Freiheit für Irak" startete zunächst mit offensichtlich gegen Diktator Saddam Hussein persönlich gerichteten Angriffen. Der Irak antwortete mit dem Abschuss von zwei Raketen auf Kuwait, wo neben Bundeswehr-Einheiten eine große Zahl US-amerikanischer und britischer Soldaten stationiert sind. Nahezu zeitgleich mit den Angriffen auf den Irak starteten US-Streitkräfte auch eine Offensive in Afghanistan.
Hilfsorganisationen rechnen mit bis zu einer Million Flüchtlingen durch den Irak-Krieg. Die Nachbarstaaten haben allerdings ihre Grenzen geschlossen. Dennoch dürften sich viele Verzweifelte aufmachen, um den Bombardements zu entkommen. Während das kirchliche Hilfswerk Misereor zu Spenden aufrief, kritisierte entwicklungspolitische Kinderhilfswerk terre des hommes die "informelle Arbeitsteilung" zwischen dem US-dominierten Militär und den in der Region tätigen humanitären Organisationen. "Als unabhängiges Hilfswerk halten wir es für problematisch, wenn humanitäre Organisationen unter der Aufsicht einer Kriegspartei eine Rolle bei der Betreuung der Kriegsopfer und beim Wiederaufbau des Landes zugewiesen bekommen", sagte Wolf-Christian Ramm, Pressesprecher von terre des hommes.
Demos gegen den Krieg
Die Empörung über den Angriffskrieg gegen Irak führte am ersten Kriegstag bereits Zehntausende Menschen in unzähligen Städten Deutschlands zu spontanen Protestveranstaltungen zusammen. Bereits vor Schulbeginn wurden an zahlreichen Schulen Flugblätter verteilt und erste Demonstrationen gestartet. Im Laufe des Vormittags kam es im ganzen Land zu Schülerstreiks mit anschließenden Demonstrationen. Zwischen 17 und 19 Uhr finden überall an zentralen Plätzen Protestkundgebungen, Mahnwachen und Demonstrationen statt. Nach vorläufigen Übersichten sind mehr als 300 Orte beteiligt. Vielerorts werden Kirchenglocken läuten und die Menschen zu Friedensgebeten in die Kirchen eingeladen. Der Bundesausschuss Friedensratschlag rechnet damit, dass mehrere hunderttausend Menschen sich an diesen Protesten und Gebeten beteiligen werden.
Während der Bundesausschuss Friedensratschlag sich darauf beschränkte, die Haltung der Bundesregierung zur Unterstützung der US-Streitkräfte als ungenügend zu bezeichnen, forderte die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär juristische Schritte auch gegen die Bundesregierung. Der Angriff auf den Irak sei ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Jegliche Vorbereitung und Unterstützung dazu ist nach dem Grundgesetz (Artikel 26) verfassungswidrig und nach den deutschen Strafrechtsbestimmungen (Strafgesetzbuch Paragraphen 80, 80a) kriminell.
Deutsche Unterstützung größer als von Kriegsbefürwortern
Die deutsche Unterstützung für diesen Krieg sei umfassend und übersteige deutlich die Leistungen der meisten kriegsbefürwortenden US-Alliierten. So überwachen Soldaten der Bundeswehr US-amerikanische Militäreinrichtungen in Deutschland. Diese Unterstützung entspricht einer Bitte der USA. Minister Struck kündigte an, dafür die Anzahl der deutschen Soldaten von derzeit 2.700 auf 3.700 zu erhöhen. Dadurch würden die US-amerikanischen Streitkräfte entlastet, um mehr Soldaten für den Angriff bereitstellen zu können.
Kanzler Schröder sicherte am Donnerstag nochmals ausdrücklich zu, dass den USA uneingeschränkt Überflug- und Transitrechte gewährt werden und sie ihre Militärbasen in Deutschland nutzen können. "Deutschland ist für den Angriffskrieg das internationale Drehkreuz für Nachschub, Logistik und Operationsplanung", so Ralf Siemens von der Kampagne.
Die deutsche Marine, die im Rahmen des "Antiterror-Einsatzes" am Horn von Afrika operiert, biete den US-amerikanischen Seestreitkräften und Seetransporten Geleitschutz auf dem Weg zum und vom Persischen Golf.
Der Einsatz von AWACS-Flugzeugen mit einem bedeutenden Anteil deutscher Besatzungsmitglieder in der Türkei diene der Feuerleitplanung für den Krieg. Die über den Irak gewonnenen Daten würden auf Nato-Ebene ausgewertet und stünden somit den US-Streitkräften für ihre Angriffskoordination zur Verfügung.
Auch das Überlassen von Flugabwehrraketen vom Typ Patriot an die Türkei unterstütze den Krieg. Diese Raketen sicherten die offensiven Kriegshandlungen ab, um militärische Gegenreaktionen zu neutralisieren.
Das Verbleiben der ABC-Einheit mit ihren Spürpanzern in Kuwait unterstütze zumindest indirekt die Angriffe der dort stationierten britischen und US-amerikanischen Streitkräfte. Die Verstärkung dieser Einheit sei beschlossen, um aktiv in Kriegshandlungen eingreifen zu können.
Struck und Schröder hätten diese völkerrechtswidrigen Einsätze zu verantworten, so die Kampagne. Die an diesen Einsätzen beteiligten Soldaten der Bundeswehr hätten die Pflicht, entsprechende Einsatzbefehle zu verweigern. Das Soldatengesetz schreibe in Paragraph 11 vor, dass "ein Befehl nicht befolgt werden (darf), wenn dadurch eine Straftat begangen würde." Alle Soldaten der Bundeswehr sollten Einsatzbefehle zur Unterstützung des Angriffskrieges verweigern, forderte die Kampagne. Auch viele weitere Organisationen forderten die Bundesregierung auf, ihre Unterstützung für den Krieg zu beenden.
Bush, Blair und Saddam nach Den Haag
Die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK betonte, die USA und die anderen Angreifer hätten "eindeutig gegen das Gewaltverbot der Vereinten Nationen verstoßen und sich somit internationales Rechts gebrochen". Sie müssten daher als Kriegsverbrecher bestraft werden. Durch diesen Bruch des Völkerrechts würden die USA die Institution der Vereinten Nationen beschädigen und einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der bald Nachahmer finden könnte. "Was hält dann beispielsweise Indien noch davon ab, einen Präventivkrieg gegen Pakistan zu führen?" fragte DFG-VK BundessprecherJürgen Grässlin.
Am 20. Mär. 2003
US-Präsident Bush ist in den USA sehr unpopulär
Hintergrund
George W. Bush gewährt normalerweise keine tiefen Einblicke in sein Gefühlsleben, doch an jenem schönen Tag im Juli konnte er nicht mehr an sich halten. Eine Gospelsängerin war ins Weiße Haus geladen worden, um dem Präsidenten ein Ständchen zu bringen. "Ich weiß, wie es ist, wenn man alleine ist", sang die junge Frau, "ich weiß, wie es ist, wenn man nirgends hingehört. Halt' durch, auch wenn Du nicht weißt, wie es weitergehen soll." Bush, so berichteten Augenzeugen, war zutiefst bewegt von der Darbietung. Als die Künstlerin fertig war, lief er zu ihr und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange. Um Bush ist es einsam geworden in den letzten Monaten seiner Präsidentschaft. Seine Zustimmungsrate in der Bevölkerung liegt seit beinahe zwei Jahren unter 40 Prozent - er ist so unpopulär, wie seit 70 Jahren kein Regierungschef mehr in den USA.
Selbst seine eigene Partei hat ihm den Rücken gekehrt. Beim republikanischen Parteitag war er unerwünscht und der republikanische Kandidat John McCain tut alles, um sich von Bush zu distanzieren.
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama, die Mehrheit der Medien und ein Großteil der Weltöffentlichkeit zeichnen seine Präsidentschaft unisono als Katastrophe. "Die Bush-Administration war die schlimmste seit der Zeit nach dem Bürgerkrieg", schrieben die Redakteure des einflussreichen Magazins "New Yorker" in ihrem Editorial, in dem sie ihre Leser dringlich dazu aufforderten, Obama zu wählen.
Bush, darüber ist die amerikanische Öffentlichkeit sich einig, hat in allen Bereichen versagt. So wird er praktisch allein für die derzeitige wirtschaftliche Lage verantwortlich gemacht. Im Jahr 2000, als Bush sein Amt antrat, hatte der Staatshaushalt einen Überschuss von 700 Milliarden Dollar. Der nächste Präsident startet hingegen mit einem Schuldenberg von elf Billionen Dollar in seine erste Legislaturperiode.
Vor allem aber steht Bush dafür, dass sich ein unüberbrückbarer Graben zwischen Arm und Reich in Amerika aufgetan hat. Fünf Millionen Amerikaner leben unter der Armutsgrenze, sieben Millionen Menschen haben keine Krankenversicherung .
Dennoch hat Bush die Steuern für die Reichen massiv gesenkt und für den Durchschnittsamerikaner angehoben. Deshalb schrieb der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft, Paul Krugman, auch in seinem Buch "Nach Bush", dass es Bush vor allem darum gegangen sei "alle Maßnahmen zu beseitigen, die einer kleinen begüterten Elite wehtun." Damit spricht Krugman neben der wachsenden Ungleichheit in Amerika auch eine zweite Hinterlassenschaft der Bush-Jahre an, mit der sein Nachfolger zu kämpfen haben wird: Eine alle Bereiche der Politik durchdringende Kultur der Korruption. "Die Vetternwirtschaft und Korruption berührt alles, was die Regierung Bush anfasst, von der unsäglichen Reaktion auf den Hurrikan Katrina bis zum gescheiterten Wiederaufbau des Irak", schreibt Krugman.
Der Irak-Krieg, in den laut den "New Yorker"-Redakteuren "Bush die amerikanische Öffentlichkeit hineinmanipuliert hat", nur um ihn dann in "jeder Hinsicht desaströs zu handhaben", ist wohl der schwerwiegendste Fehlschlag der Bush-Regierung und gleichzeitig derjenige, den man am Dauerhaftesten mit Bush verbinden wird.
600 Milliarden Dollar hat der Krieg die USA bereits gekostet, das Leben von 4000 amerikanischen Soldaten, Zehntausende irakischen Zivilisten und eine unbekannte Zahl irakischer Soldaten. Vor allem hat der Alleingang in den Irak jedoch die USA endgültig das Wohlwollen und das Ansehen ihrer Verbündeten in der ganzen Welt gekostet.
Irak war allerdings nicht der einzige Grund für die Isolation der USA unter Bush. Hinzu kam, wie das Nachrichtenmagazin "Newsweek" schrieb, "Bushs sture Obstruktion" jeglicher fortschrittlicher, multilateraler Umwelt- und Energiepolitik zugunsten der Washingtoner Öl-Lobby.
Am schwierigsten wiedergutzumachen ist jedoch der Image-Schaden, den die USA durch die staatliche Legitimierung von Folter sowie die Unterhaltung des Strafgefangenenlagers von Guantanamo erlitten haben. "Es wird eine der anhaltenden Vermächtnisse dieser Administration sein", schreibt die Wochenzeitschrift "The Nation", "dass die Vereinigten Staaten nun rund um die Welt dafür bekannt sind, Folter zu sanktionieren."
Bush jedoch verteidigt trotzig seine Verdienste, wenn er darauf angesprochen wird: "Ich hoffe die Nachwelt sagt von mir, ich hätte die Bedrohungen und Herausforderungen unserer Zeit klar erkannt und sei nicht davor zurückgeschreckt, das zu tun, was notwendig und richtig war", sagte er jüngst einem ägyptischen Reporter.
Am 03. Nov. 2008