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"Verteidigungspolitische Richtlinien"

Rohstoffkriege der Wirtschaftsmächte

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Sehr vieles deutet darauf hin, dass es den USA beim Irak-Krieg vor allem um den Zugriff auf die gewaltigen Ölreserven des Landes geht. Jene amerikanischen Ölkonzerne, die Bush den Weg ins Weiße Haus geebnet haben, spekulieren auf die Privatisierung und Neuverteilung der zweitgrößten bekannten Ölreserven der Welt. Auch für die Haltung Großbritanniens mag dies ausschlaggebend sein: Von den sechs größten Erdölgesellschaften sind zwei britisch, BP und Shell. Aber auch Deutschland rüstet sich für die neuen Rohstoffkriege. Mit den "Verteidigungspolitischen Richtlinien", der sympathisch klingenden "Bundeswehrreform" und den ersten Kriegseinsätzen mausert sich Nachkriegs-Deutschland möglicherweise wieder zu einer Nation, die ökonomische Interessen regelmäßig auch mit Panzern, Bombern und Raketen durchsetzt. "Blut für Öl" - dieser Gedanke ist offenbar auch Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer und Bundesverteidigungsminister Struck alles andere als fremd.


Am 26. November 1992 erließ das Bundesministerium der Verteidigung unter Verteidigungsminister Volker Rühe die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" für die Bundeswehr. Diese Richtlinien stellten eine Wende dar von einer reinen Verteidigungsarmee hin zu Kriegseinsätzen im Ausland mit sogenannten "Krisenreaktionskräften". Einer der Ausgangspunkte der Verteidigungspolitischen Richtlinien ist die Wahrung und Durchsetzung der "legitimen nationalen Interessen" Deutschlands.

Hierzu zählt auch die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt". Und die "Einflussnahme auf die internationalen Institutionen und Prozesse im Sinne unserer Interessen und gegründet auf unsere Wirtschaftskraft". An anderer Stelle heißt es: "Deutschland ist aufgrund seiner internationalen Verflechtungen und globalen Interessen vom gesamten Risikospektrum betroffen. Wir müssen daher in der Lage sein, auf entstehende Krisen im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme einwirken zu können".

Für die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsgegnerInnen" (DFG-VK) geht es bei der neuen Linie der deutschen Militärpolitik seit der Wiedervereinigung Deutschlands darum, "der deutschen Wirtschaft den gewaltsamen Zugriff auf Ressourcen und Handelswege" zu ermöglichen.

Strucks Interventionsarmee

Am 21. Februar 2003 kündigte Bundesverteidigungsminister Peter Struck eine Überarbeitung der "Verteidigungspolitischen Richtlinien" an und skizzierte erstmals seine Vorstellungen. Nach Analyse des Bundesausschusses Friedensratschlag setzt Struck den Kurs eines Umbaus der Bundeswehr hin zu einer "weltweit einsetzbaren Interventionstruppe" fort.

Struck wörtlich: "Meine weiteren Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt der Aufgaben der Bundeswehr auf absehbare Zeit im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen wird." Und weiter: "Für die Bundeswehr stehen Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern auch über das Bündnisgebiet hinaus im Vordergrund. Die ausschließlich für die Landesverteidigung vorgehaltenen Fähigkeiten werden in aktiven Strukturen nicht länger benötigt."

Im Dezember 2002 hatte Struck bereits pointiert seinen Zielen Ausdruck verliehen: Die Verteidigung Deutschlands fände auch am Hindukusch statt.

Dies stellt nach Auffassung der Friedensbewegung den endgültigen Abschied von einer Verteidigungsarmee dar, wie sie im Grundgesetz vorgeschrieben ist.

Rot-Grün will 150.000 Soldaten für Auslandseinsätze

Nach Auffassung der DFG-VK scheint es mit dem Friedenswillen der Bundesregierung nicht so weit her zu sein, "wenn die Überarbeitung der Verteidigungspolitischen Richtlinien den Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee noch beschleunigen sollen", so der Sprecher der Organisation Erwin Eisenhardt.

Unter Verteidigungsminister Rühe war geplant, Krisenreaktionskräfte mit insgesamt 52.000 Soldaten zu schaffen. Nach Angaben des Bundesausschusses Friedensratschlag beschloss die rot-grüne Bundesregierung im Juni 2000, den Umfang sogar auf 150.000 Soldaten zu verdreifachen.

Schon jetzt sind mehr als 9000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz, gab die Bundeswehr bekannt. Deutschland ist damit weltweit einer der größten Truppensteller für internationale Kriegs- und Krisen-Einsätze.

Längst habe die rot-grüne Bundesregierung die Weichen zur Erringung einer "strukturellen Angriffsfähigkeit" gestellt, meint der Friedensratschlag. Die Bildung einer "Division luftbewegliche Operationen" und der "Division Spezielle Operationen" solle die schnelle globale Einsatzfähigkeit ermöglichen.

Die dafür benötigten Ausrüstungen wurden bereits in Auftrag gegeben: 80 High-Tech-Kampfhubschrauber Tiger, 600 Marschflugkörper für Tornados und Eurofighter der Luftwaffe, drei neue Fregatten, fünf neue Korvetten (vor allem für den Beschuss von See an Land), vier supermoderne U-Boote, 60 strategische Lufttransportmaschinen Airbus und ein nationales weltweit nutzbares Radaraufklärungssatellitensystem - "um nur die innovativsten zu nennen", kommentieren Lühr Henken und Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag zynisch.

Geostrategische Ziele: Persischer Golf und Kaukasus

Strucks Vorgänger Rudolf Scharping machte in einem Vortrag an der Universität Heidelberg am 27. November 2001 deutlich, wo die künftigen Einsatzgebiete der Bundeswehr liegen: "Ein Beispiel hierfür wäre der Kaspische Raum - das Dreieck zwischen Zentralasien, dem Kaukasus und dem Mittleren Osten - der als Folge eine Reihe destabilisierender Faktoren wie religiöser Fundamentalismus, Terrorismus, Drogen oder die strittige Nutzung und Verteilung der strategischen Ressourcen Öl und Gas leicht zur Krisenregion der nächsten Jahrzehnte werden kann."

Die strategischen Ressourcen hat auch die Deutsche Bank, Deutschlands Zentrum der Macht, im Blick: in Zentralasien liegt ein Großteil der Weltreserven an Erdöl und Erdgas, weiß die Forschungsabteilung der Großbank Deutsche Bank Research. Die Deutsche Bank ist eng verflochten mit der ölbedürftigen Automobilindustrie wie Daimler-Chrysler, gleichzeitig einem der größten Rüstungskonzerne, mit der Ölindustrie und mit der übrigen Energiewirtschaft, die sich für die weltweite Erschließung der Gas- und Kohlereserven interessiert. Die Chefs der Deutschen Bank gehören seit jeher zu den engsten "Beratern" der Bundesregierung und gehörten beispielsweise während der Ölpreiskrise der 70er Jahre zum Krisenstab unter Bundeskanzler Helmut Schmidt.

Kriegsgewinne

Banken und Ölkonzerne interessieren sich für die strategischen Reserven des schwarzen Goldes. Dem Großraum Persischer Golf und Kaspisches Meer kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Hier lagern etwa 67 Prozent der besonders ergiebigen Ölquellen der Welt.

Der Irak verfügt nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Rohölreserven der Welt. Fachleute gehen von 112 Milliarden Barrel aus. Ihr derzeitiger Wert wird mit 2800 Milliarden Dollar angegeben. Die jährlichen Irak-Kriegskosten der USA mit schätzungsweise 80 Milliarden Dollar wären "peanuts" dagegen, schreibt Spiegel Online.

Bushs "Achse des Bösen" bestehe zu erheblichen Teilen aus ehemaligen Verbündeten der USA, die für die eigenen Ölinteressen einmal nützlich waren, jetzt aber beseitigt werden sollen. So paktierten die USA mit dem Schah von Persien und mit dem "Giftgaskrieger" Saddam ebenso wie mit den Taliban, mit denen sie vor dem Afghanistan-Krieg über Pipelines für das kaspische Öl verhandelten. Bin Laden wurde offenbar zum Feind der USA, weil sich beide Seiten nicht einig wurden über die geplante Ölpipeline.

Kampf der führenden Wirtschaftsnationen

Ein Irak-Krieg wäre für die amerikanische Wirtschaft ein gewaltiges Geschäft, selbst wenn ein Teil der Kriegsgewinne an Großbritannien abzutreten wäre. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer vermutet auch bei der britischen Regierung Ölinteressen als Motiv für den Kriegskurs von Tony Blair. Von den sechs größten Erdölgesellschaften sind zwei britisch, BP und Shell. BP habe 20 Jahre lang bis "in die Verwaltung des Irak hineinregiert", erläuterte Scheer im Interview mit Spiegel Online.

Neben den Briten sollten gegebenenfalls auch die anderen Ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates an den Kriegsgewinnen beteiligt werden, hat der einstige CIA-Direktor James Woolsey, einer der führenden Lobbyisten für einen Irakkrieg, schon öffentlich angeregt. Bush müsse, so Woolsey, den Regierungen Frankreichs, Russlands und Chinas als Gegenleistung für einen Veto-Verzicht in der Uno zusagen, "dass wir unser Bestes tun werden, um sicherzustellen, dass die neue Regierung und die amerikanischen Gesellschaften mit ihnen eng zusammenarbeiten werden". Allerdings: Sollten die drei Staaten im Sicherheitsrat gegen die angloamerikanischen Kriegspläne stimmen, werde es "schwierig bis unmöglich" sein, "die neue irakische Regierung zu überreden, mit ihnen zusammenzuarbeiten".

Mohssen Massarrat, Professor für Politik und Wirtschaft der Universität Osnabrück, liefert eine Erklärung für den derzeitigen Widerstand Deutschlands und Frankreichs gegen den Irak-Krieg der USA. Entscheidend sei der monopolistische Zugriff auf die wichtigsten Ölquellen der Welt, um dieses Monopol wirkungsvoll - ganz im Sinne von Brzezinskis "Geopolitik auf dem eurasischen Schachbrett" - einzusetzen. "Nicht nur gegen Russland, China und Indien, auch gegen die eigenen Verbündeten, gegen die EU, ganz besonders gegen Deutschland, nicht zuletzt auch Japan, dessen Abhängigkeit von Ölexporten extrem ist."

Bekämen die USA einen dominierenden Zugriff auf die Ölreserven im Nahen Osten, wäre Deutschland erpressbar, so Massarrat: "Die Konkurrenten der USA wären dank wachsender Abhängigkeit von knapper werdenden Ölimporten aus der Golfregion zugleich politisch abhängiger auch erpressbarer von jener Macht, die durch den Zugriff auf 67 Prozent der Welt-Ölreserven in den Besitz einer Ölwaffe gelangen würde, die sie gegen jedermann nach Belieben einsetzen könnte."

Deutschland sei kein pazifistisches Land, hat die grüne Politikerin Claudia Roth vor einiger Zeit im Deutschlandfunkt gesagt. Es scheint um anderes, als um Frieden zu gehen.

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