DIE Internet-Zeitung
Verteidigungspolitischen Richtlinien

"Weiterentwicklung der Reform"

Am

Der Bundesministers der Verteidigung, Dr. Peter Struck, legte am 21. Februar 2003 im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin seine Vorstellungen für eine "Weiterentwicklung der Reform" der Bundeswehr dar. Er kündigte eine Überarbeitung der "Verteidigungspolitischen Richtlinien" aus dem Jahre 1992 an, die den Weg der Bundeswehr weg von der Landesverteidigung und hin zu weltweiten Kriegseinsätzen vorsahen - nicht zuletzt zur Rohstoffsicherung und der Durchsetzung sonstiger ökonomischer Interessen. Auch Struck möchte die deutsche Armee befähigen, regelmäßig Kriege im Ausland zu führen: "Meine weiteren Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt der Aufgaben der Bundeswehr auf absehbare Zeit im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen wird ... Für die Bundeswehr stehen Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern auch über das Bündnisgebiet hinaus im Vordergrund. Die ausschließlich für die Landesverteidigung vorgehaltenen Fähigkeiten werden in aktiven Strukturen nicht länger benötigt." ngo-online dokumentiert den Redebeitrag im Wortlaut.


Bei der Übernahme des Amtes als Bundesminister der Verteidigung habe ich versprochen, die Reform der Bundeswehr konsequent weiter zu entwickeln. Und ich habe Ihnen, meine Damen und Herren, zugesagt, Sie zeitnah und umfasssend über die jeweiligen Schrittezu unterrichten. Am 5. Dezember 2002 habe ich die Neuausrichtung der Bundeswehr jenseits von der Landesverteidigung hin zu einer territorialunabhängigen Krisenbewältigung angekündigt. Der damals nicht unumstrittene Satz gilt: Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.

Das aber bedeutet, dass alle Projekte und Vorhaben der Bundeswehr sich daran messen lassen müssen. Das galt, als ich damals die anstehenden Rüstungsprojekte daraufhin überprüfen ließ. Die Ergebnisse sind ihnen bekannt.

Und das gilt erst recht für den jetzt einzuleitenden zweiten Schritt, bei dem mir der Generalinspekteur auf dieser Grundlage seine Vorschläge zu Weiterentwicklung der Reform und zur Anpassung der Fähigkeiten an zukünftige Aufgaben vorgelegt hat. Deren Grundzüge will ich ihnen heute vorstellen. Sie sind nicht los gelöst zu sehen von der von mir in Auftrag gegebenen Neufassung der "Verteidigungspolitischen Richtlinien".

Erst mit ihrer Festschreibung im Frühjahr werden nicht nur die Leitplanken, sondern auch die Fahrbahnmarkierungen der Weiterentwicklung der Bundeswehrreform endgültig stehen.

Und dann wird auch klar sein, worauf es mir ankommt. Die von meinem Vorgänger eingeleitete Reform der Bundeswehr ist und bleibt vor allem auch eine Reform für die Bundeswehr. Ich möchte, dass sich jeder Inspekteur, jeder Kommandeur, jeder Soldat mitgenommen fühlt.

Ich möchte für die Bundeswehr, dass sie, wo immer sie auch eingesetzt wird, die Mitte der Gesellschaft hinter sich hat. An dieser Akzeptanz, die sich unsere Soldaten auf dem Balkan, in Afghanistan, am Horn von Afrika, in Kuweit erworben haben, darf sich nichts ändern. Die Bundeswehr, das kann man in diesen Tagen nicht oft genug klarstellen, verteidigt nicht nur für alle den fragilen Frieden am Hindukusch.

I. Haushalt

Im Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 haben wir vereinbart, die umfassende Reform der Bundeswehr fortzusetzen - und wo erforderlich - konsequent weiterzuentwickeln. Gemeinsam mit den Berichterstattern zum Einzelplan 14 haben wir eine solide finanzielle Grundlage für den weiteren Weg der Reform geschaffen. Der Haushalt 2003 sowie die mittelfristige Finanzplanung bis 2006 sind wichtige Weichenstellungen, um den eingeschlagenen Weg erfolgreich zu Ende gehen zu können. Von 2003 bis 2006 wird der Verteidigungshaushalt über eine gleichbleibende Finanzausstattung von rund 24,4 Mrd Euro verfügen. Für Operationen zur Terrorismusbekämpfung sowie für sonstige Auslandseinsätze sind 1.153 Mio. Euro veranschlagt, die bei Bedarf über Haushaltsvermerke verstärkt werden können.

Damit ist in genügender Weise Vorsorge für internationale Einsätze getroffen. Die Ansätze für die Betriebsausgaben sind rückläufig. Damit wird Freiraum für Investitionen geschaffen. In den Personalkosten enthalten sind der geplante Aufwuchs bei den Zeit- und Berufssoldaten, einschließlich der Attraktivitätsmaßnahmen, sowie der sozialverträgliche Abbau von Zivilpersonal. Im Ergebnis wachsen die verteidigungsinvestiven Ausgaben gegenüber dem Haushalt 2002 um über 800 Mio Euro auf. Fakt ist: Seit 1999 wurde der investive Anteil des Verteidigungshaushalts kontinuierlich gesteigert, der vorangegangene Abwärtstrend gestoppt. Insgesamt hat diese Bundesregierung seit 1998 Verträge zur Verbesserung der Fähigkeiten der Bundeswehr in Höhe von rund 14 Mrd Euro abgeschlossen. Die Investitionsquote im Jahr 2003 wird nun 24,7 % betragen. Bis 2006 sollen die verteidigungsinvestiven Ausgaben deutlich auf einen Wert von mindestens 27 % ansteigen. Wir verfolgen das Ziel, Auftrag, Fähigkeiten, Ausrüstung und die der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Mittel in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

  1. Weisung GeneralinspekteurDer Generalinspekteur hat mir seine Vorschläge zur Weiterentwicklung der Reform und zur Anpassung der Fähigkeiten der Bundeswehr vorgelegt.Ich habe folgendes gebilligt: Auf der Grundlage des Konzepts "Heer der Zukunft" wird das Heer eine ausgewogene Struktur mit in sich lebensfähigen, zu flexibler Truppeneinteilung befähigten Großverbänden entwickeln und einnehmen. In diesem Prozess werden die Erfahrungen aus den laufenden Einsätzen angemessen Berücksichtigung finden. Das heißt unter anderem: die Durchhaltefähigkeit von Fernmelde-, Pionier- und ABC-Abwehrkräften wird verbessert werden. Allerdings wird das Heer auf das zweite Los der Hubschrauber TIGER verzichten. Durch den Verzicht auf das 2. Los TIGER wird der Bedarf an Rüstungsinvestitionen um 700 Mio. Euro abgesenkt. Die Luftwaffe wird die Flugabwehrraketenverbände HAWK und ROLAND (vier gemischte FlaRak Gruppen) schnellstmöglich außer Dienst stellen.

Ihre Verpflichtungen im Rahmen der deutsch-amerikanischen ROLAND-PATRIOT-Folgevereinbarung werden uneingeschränkt erfüllt. Zudem übernimmt die Luftwaffe bis Ende 2005 die Waffensysteme TORNADO und den Auftrag des Marinefliegergeschwader 2. Wir erhalten dabei das Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr in der Seekriegführung aus der Luft als Teil der verbundenen Seekriegführung uneingeschränkt und dauerhaft aufrecht. Unter dem Strich wird die Bundeswehr bis Ende 2005 zwei Geschwaderäquivalente TORNADO, auflösen. Die Luftfahrzeuge des Marinefliegergeschwaders werden in diese Untersuchung einbezogen. Durch die Auflösung von zwei Geschwaderäquivalenten TORNADO reduzieren wir den Aufwand im Betrieb um ca. 1,1 Mrd. Euro. Auf die bisher eingeplante Nutzungsdauerverlängerung in Höhe von ca. 600 Mio. Euro kann für diese Flugzeuge verzichtet werden. Schließlich wird die Marine die zehn Schnellboote der Klasse 143 bis Ende 2005 außer Dienst stellen.

III. Luft für weitere Investitionen

Wir schaffen Luft für weitere Investitionen und wir werden die Beschaffungs- und Ausrüstungsplanung künftig noch stärker an einem fähigkeitsorientierten Gesamtansatz, der alle Teilstreitkräfte umfasst, ausrichten. Beschaffung des neuen Schützenpanzers Rollenanpassung EUROFIGHTER 2000 und weitere EF-bezogene Maßnahmen (2. Tranche) Realisierung des IT-Vorhabens HERKULES Beschaffung Gepanzertes Transport Kraftfahrzeug, 1. Los Beschaffung Ausstattung für die Division Spezielle Operationen Beschaffung von Führungsinformationssystemen Entwicklung eines Taktischen Luftverteidigungssystems Beschaffung leistungsgesteigerter Flugkörper für PATRIOT Entwicklung und Beschaffung von unbemannten Luftfahrzeugen Beschaffung der Bewaffnung für die KORVETTE

Die Planung wird noch klarer an den Erfordernissen multinationaler Einsätze in einem breiten Spektrum von Operationen orientiert sein. Wir gewährleisten, dass die Bundeswehr leistungsfähig, und damit Deutschland außenpolitisch handlungsfähig bleibt.IV. Verteidigungspolitische Richtlinien Grundlage für die weiteren Untersuchungen sind aktualisierte Verteidigungspolitische Richtlinien, die ich in Kürze erlassen werde.

Sie wissen, dass seit Jahren vorrangig Aufgaben im Rahmen der internationalen Konfliktverhütung und der Krisenbewältigung die Einsatzrealität der Bundeswehr bestimmen. Meine weiteren Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt der Aufgaben der Bundeswehr auf absehbare Zeit im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen wird. Ich habe deshalb den Leiter Planungsstab beauftragt, die Verteidigungspolitischen Richtlinien an den folgenden elf Kriterien auszurichten:

Die Aufgaben der Bundeswehr werden angesichts einer gewandelten sicherheitspolitischen Lage neu gewichtet. Eine Gefährdung deutschen Territoriums durch konventionelle Streitkräfte gibt es derzeit und auf absehbare Zeit nicht. Die sicherheitspolitische Lage erfordert eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die umfassend angelegt ist und gemeinsam mit Verbündeten und Partnern organisiert ist. Die multilaterale Sicherheitsvorsorge ist ein grundlegender Bestimmungsfaktor deutscher Verteidigungspolitik. Für die Bundeswehr stehen Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern auch über das Bündnisgebiet hinaus im Vordergrund. Die ausschließlich für die Landesverteidigung vorgehaltenen Fähigkeiten werden in aktiven Strukturen nicht länger benötigt. Die knappen Ressourcen müssen künftig noch stärker als bisher vor allem zur Erfüllung der originär militärischen Aufgaben eingesetzt werden. Für die Beschaffungs- und Ausrüstungsplanung wird ein fähigkeitsorientierter Gesamtansatz entwickelt. Rüstungskooperation im europäischen und transatlantischen Rahmen ist prioritär. Die Bundeswehr kann verstärkt und rascher auf die wahrscheinlichsten Aufgaben der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung ausgerichtet werden. Die Bundeswehr benötigt nach Einsatzbereitschaft und Präsenz differenzierte Streitkräfte, die schnell und wirksam zusammen mit den Streitkräften anderer Nationen eingesetzt werden können. Die Wehrpflicht bleibt in angepasster Form für Einsatzbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr ohne Alternative.

Auf Grundlage dieser neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien werden weitere Untersuchungen mit dem Ziel, mittelfristig die Synchronisation der Planung von Betrieb und Investitionen mit der Finanzplanung sicherzustellen, durchgeführt.

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