Manche Berliner Gefängnisse weisen eine Überbelegung von mehr als 25 Prozent auf. Dabei sind viele Zellen bereits regulär für mehrere Gefangene vorgesehen, obwohl jeder Häftling nach dem Gesetz einzeln unterzubringen ist. Selbst im Gesamtdurchschnitt des geschlossenen Männer-Vollzugs liegt die Überbelegung bei mehr als zehn Prozent.
"Überbelegung führt zu vermehrter Aggression. Das belegen wissenschaftliche Studien und auch die ganz alltägliche Erfahrung", berichtet Heischel. "Diese Aggression kann nicht abgebaut werden, weil die Gefangenen kaum Freizeitmöglichkeiten haben und immer länger in ihrer Zelle eingeschlossen sind. Manche kommen nur eine Stunde am Tag aus ihrer Zelle. Das bedeutet 23 Stunden am Tag in einem Raum, der teilweise kaum größer ist als das Bett", so der Jurist.
"Das immer weiter zusammengekürzte Personal in den Knästen ist nicht mehr in der Lage, dem Herr zu werden," so Heischel. Über 700 Stellen sind in den letzten Jahren bereits eingespart worden, durch die Arbeitszeiterhöhung auf 42 Stunden sollen noch einmal 180 weitere dazukommen. Offiziell 58 Beamte müssen heute hundert Gefangene bewachten und betreuen – eine Arbeit, die früher 93 gemacht haben. "Dabei ist das ein Knochenjob. Viele Stellen sind nicht besetzt, und in einzelnen Anstalten haben wir einen Krankenstand von 25 Prozent", ärgert sich der BVB-Vorsitzende.
"Selbst Senatorin Schubert hat zugeben müssen, dass die Sparmaßnahmen im Justizvollzug mittlerweile die Sicherheit bedrohen", sagt Heischel. "Wenn ein Vergewaltiger ausbricht, ist das Geschrei groß. Aber etwas gegen die Gefahr zu tun, dass jemand nach regulärer Haftentlassung rückfällig wird, ist dann doch wieder zu teuer."
Das Grundgesetz setzt hohe Hürden, einen Menschen sein ganzes Leben lang wegzusperren. Jeder Gefangene hat einen Anspruch darauf, dass die Haft ihm wenigstens die Möglichkeit bietet, genug für ein Leben ohne Straftaten zu lernen. "Die Zustände in den Gefängnissen sind aber so, dass es in vielen Fällen nur noch um ein reines Verwahren geht. Die Gefangenen müssen regelmäßig ein halbes Jahr warten, bis sich jemand mit ihnen beschäftigt und überhaupt einen Vollzugs- oder Behandlungsplan für sie aufstellt. Das ist verlorene Zeit. Es führt mit dazu, dass in Berlin die Quote der vorzeitigen Haftentlassungen mit Abstand die niedrigste in allen Bundesländern ist."
Kurze Haftstrafen, etwa für wiederholtes Schwarzfahren oder wiederholten Ladendiebstahl, sollten daher erst einmal nicht mehr vollstreckt werden. Heischel: "Es wird geschaut, ob die Verurteilten noch einmal auffällig werden. Klauen sie noch mal, landen sie im Knast." Sind sie dagegen längere Zeit gesetzestreu, wird die Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Verurteilten stehen auch dann noch mit einem Bein im Gefängnis, wenn sie Straftaten begehen. Erst wenn sie sich mehrere Jahre bewährt haben, sind sie wirklich frei.
"Die Erfahrungen mit dieser Vollstreckungsaussetzung in den Achtziger Jahren waren sehr positiv", betont Heischel. "Mit 70 Prozent der Täter musste sich die Justiz nicht mehr beschäftigen. Diese Quote ist besser als der beste Knast!" Denn für das Modell kommen nur Kleinkriminelle in Betracht. Diese ließen sich durch die dann bei jeder Dummheit drohende Haft gut abschrecken und würden nicht in die schlechte Gesellschaft in den Justizvollzugsanstalten geraten. "Die Bediensteten können sich dann um die wirklichen Problemfälle kümmern. Das dürfte die Rückfallquoten entlassener Häftlinge verringern, und damit wäre dann allen gedient."