Überblick
Neben Chips (bis zu 1740 µg/kg), Keksen (bis zu 820 µg/kg) und Knäckebrot (bis zu 930 µg/kg) wiesen bei der Monitor -Untersuchung vor allem Diätprodukte Höchstwerte auf. So fand sich bei Butterkeksen des gleichen Herstellers in der Diätvariante eine dreimal höhere Acrylamid-Belastung (2570 µg/kg) als in den gleichen mit Zucker und Invertzucker gebackenen Keksen (820 µg/kg).
Immer mehr Wissenschaftler kritisieren inzwischen das Vorgehen der Bundesregierung, die heute noch einmal ankündigte, weiter auf eine freiwillige Kooperation mit der Lebensmittelindustrie zu setzen. So hält es der Kieler Toxikologe Hermann Kruse für "unverantwortlich", dass der Bevölkerung weiter derart hohe Werte zugemutet werden. "Behörden und Politiker sind aufgefordert, hochbelastete Nahrungsmittel sofort aus dem Handel zu nehmen", sagte Kruse. Kritik gibt es von Seiten der Wissenschaft auch an der Informationspolitik der Bundesregierung. Der Kölner Pharmakologe Professor Edgar Schömig zu Monitor: "Ich kann das Verbraucherministerium nicht verstehen, dass es bei den Herstellern nicht Ross und Reiter nennt. Dann könnte der Verbraucher wenigstens selbst entscheiden, welches Risiko er eingeht."
Beunruhigend finden Wissenschaftler auch die hohen Werte, die Monitor in Diätprodukten gefunden hat. Der Nürnberger Pharmakologe Professor Fritz Sörgel: "Man weiß, dass Acrylamid auch das Nervensystem schädigt. Wenn jetzt hohe Acrylamidmengen bei Diabetikern gefunden werden, die von Hause aus eine gewisse Schädigung des Nervensystems durch ihre Erkrankung haben, dann kann das zu unkontrollierten Reaktionen führen."
Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch hält ein rechtliches Eingreifen der Bundesregierung für überfällig und möglich. "Das ,Minimierungskonzept' der Bundesregierung setzt bei den schlechtesten Acrylamid-Werten an, anstatt die jeweils Acrylamid-ärmsten Herstellungsverfahren zur Richtschnur zu erklären", kritisiert foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode und fordert, alle verfügbaren Messwerte samt Produktnamen unverzüglich und bundesweit zu veröffentlichen. foodwatch sieht zudem großen Spielraum für die Politik, um Nahrungsmittelhersteller zu schnellerem Handeln zu bewegen. "Die Verbraucher erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihr eigenes Regierungsprogramm auch umsetzt, nach dem der gesundheitliche Verbraucherschutz absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen hat", resümiert Thilo Bode.
Verbot von E 900 in Frittierölen soll Acrylamid in Lebensmitteln verringern
Acrylamid
Zur Minimierungsstrategie der Bundesregierung für den krebsauslösenden Stoff Acrylamid erklären die zuständigen Berichterstatter der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion: „Als Erkenntnis aus der öffentlichen Anhörung zu "Acrylamid in Lebensmitteln" hat sich gezeigt, dass die Minimierungsstrategie der Bundesregierung nach heutigem Erkenntnisstand der einzig sinnvolle Weg ist, mit dem Problem Acrylamid in Lebensmitteln umzugehen. Dies wurde von allen Sachverständigen bestätigt.“
Nach Expertenmeinungen könnte schon ein Verbot silikonhaltiger Frittieröle zu einer deutlichen Reduktion der Acrylamidbildung beim Frittiervorgang beitragen. Der zulässige Zusatzstoff Dimethylpolysiloxan (E 900) verhindert das Aufschäumen des Öls und erlaubt somit erhöhte Frittiertemperaturen. Der Zusatzstoff an sich fördert laut einer Studie die Acrylamidbildung bei der Herstellung von Pommes frites und birgt im Zusammenhang mit den hohen Temperaturen eine nennenswerte Ursache der Belastung mit Acrylamid.
Da die Acrylamidbildung bei Temperaturen über 175° C überproportional ansteigt, ist eine wichtige Empfehlung der guten Herstellungspraxis, diese kritische Temperatur nicht zu überschreiten. Ohne Entschäumer wird es schwieriger, ein unerwünschtes Überschreiten der Temperatur zu realisieren.
Die Minimierungsstrategie der Bundesregierung dient dem mittel- bis langfristigen Absenken der Acrylamidwerte in Lebensmitteln durch Definieren einer "guten Herstellungspraxis" von Lebensmitteln. Diese wird im Rahmen der industriellen Fertigung von Lebensmitteln verhältnismäßig einfach zu kommunizieren und umzusetzen sein. In der Gastronomie und hier insbesondere bei den kleinen Betrieben wird es schwieriger sein, den Erkenntnisgewinn in praktische Handlungen umzusetzen, da diese in der Regel nicht über die notwendigen technischen Ausstattungen verfügen.
Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes fordert die Arbeitsgruppe die Bundesministerin Renate Künast auf, den Sachverhalt detailliert zu prüfen und ein Verbot des Zusatzstoffes E 900 in Frittierölen auf nationaler und europäischer Ebene anzustrengen. Bis dahin ist die Industrie und die Gastronomie aufgefordert, auf silikonhaltige Frittieröle auf freiwilliger Basis zu verzichten.
Am 29-01-2003
Kein Grenzwert für Acrylamid
Gebackene Lebensmittel
Die Gefahr durch Acrylamid in Lebensmitteln ist nach Ansicht des Bundesverbraucherministeriums noch immer ungelöst. Zwar sei es inzwischen gelungen, die Werte in einigen Produkten deutlich zu senken. Dennoch hätten bei 340 von 3.320 Untersuchungsergebnissen die Werte über dem Signalwert gelegen. Bis die Forschung einen festgeschriebenen Grenzwert wissenschaftlich begründen könne, könnten jedoch noch Jahre vergehen. Die Festsetzung eines Grenzwertes zum jetzigen Zeitpunkt lehnt das Ministerium daher ab. Als Signalwert gilt die Acrylamidhöhe, die bei zehn Prozent der Lebensmittel einer Produktgruppe überschritten ist. Die Werte für Feine Backwaren seien nach der Erkennung der Gefahr um 17,5 Prozent, für Kartoffelchips um 20 Prozent und für Pommes frites um rund 25 Prozent gesenkt worden.
Auch die Messmethoden für Acrylamid in Lebensmitteln seien mittlerweile ausgereift. Ungeklärt sei aber nach wie vor, wie gefährlich der bei Tieren Krebs auslösende Stoff für die Gesundheit von Menschen sei.
Des Weiteren nehme die Bereitschaft der Unternehmen, den Acrylamidwert in ihren Produkten zu reduzieren, zu.
Bertrand Matthäus vom der Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung sagte, die Verbraucher müssten sich darauf einstellen, dass die Senkung der Werte auch mit einer Veränderung der bekannten Produkte einhergehe. So könnten etwa Brot und Kekse mit niedrigeren Acrylamidwerten nicht mehr so dunkel wie bisher gebacken werden. Der Geschmack müsse davon aber nicht unbedingt betroffen sein.
Am 23-04-2003
Acrylamid-Belastung von Kartoffelchips deutlich gestiegen
Krebs-Gefahr
Bei sechs von zehn getesteten Kartoffelchip-Sorten ist die Belastung mit dem krebsverdächtigen Acrylamid im letzten Jahr gestiegen. Das ergibt sich aus einem Reihentest der Verbraucherorganisation foodwatch. Keines der untersuchten Produkte habe die niedrigsten Messwerte der Vorjahre erreicht, teilten die Verbraucherschützer mit. Weil das Verbraucherministerium nicht handele, ruhten sich die Hersteller auf dem "viel zu hoch" angesetzten und seit 2002 nicht veränderten "Signalwert" aus. foodwatch forderte eine Kennzeichnung der Acrylamid-Belastung. Dadurch werde auf marktwirtschaftliche Weise eine Senkung der Belastung erreicht. "Die Bundesregierung setzt die Konsumenten einem unnötigen Krebsrisiko aus", kritisierte foodwatch-Sprecherin Barbara Hohl. Von vorbeugendem Verbraucherschutz könne nicht die Rede sein. Die Acrylamid-Belastung ließe sich leicht durch eine Produktkennzeichnung reduzieren, meint Hohl - Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) müsse sie den Herstellern nur vorschreiben.
Acrylamid steht im Verdacht, Krebs auszulösen und das Erbgut zu verändern. Die Substanz kann sich beim Backen, Braten und Frittieren bilden. Der von der Bundesregierung bestellte Sachverständigenrat für Umweltfragen warnte in seinem jüngsten Jahresgutachten 2004: "Das Krebsrisiko durch die tägliche Aufnahme von Acrylamid mit der Nahrung liegt außerhalb des tolerierbaren Bereichs." Der Sachverständigenrat geht davon aus, dass in Deutschland jährlich 10.000 Menschen durch den Verzehr von Acrylamid an Krebs erkranken.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die tägliche Belastung mit Acrylamid ein Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht nicht überschreiten. Für eine 60 Kilogramm schwere Person hieße das bezogen auf die foodwatch-Testergebnisse: Gerade mal zwei Hände voll (57,2 Gramm) Chips dürfte sie von "Funny Frisch Chipsfrisch ungarisch" essen, rechnen die Verbraucherschützer vor. Gerade diese Marken-Chips seien am stärksten belastet. Sie enthalten nach foodwatch-Angaben dreimal mehr Acrylamid als noch 2004 - und überschreiten mit 1050 Milligramm Acrylamid pro Kilogramm Chips sogar den "Signalwert".
foodwatch kritisierte die so genannte Minimierungsstrategie der Bundesregierung. Der darin vorgegebene "Signalwert" mit 1.000 Mikrogramm je Kilo Kartoffelchips sei seit 2002 unverändert und viel zu hoch. "Statt ihre Produktionsweise maximal zu verbessern, verstecken sich die Hersteller hinter dem hohen Signalwert", sagte Hohl. foodwatch-Tests der Vorjahre hätten gezeigt, dass ein Kilo Kartoffelchips nicht mehr als 100 Mikrogramm Acrylamid enthalten müsse. Diesen Wert erreichte in den aktuellen Tests kein einziges Produkt mehr.
Die Verbraucherorganisation fordert eine produktbezogene Kennzeichnung und schlägt dazu ein Modell vor: Auf einer genormten Vergleichsskala von dunkelrot (hohe Belastung) bis grün (niedrige Belastung) könne das Produkt je nach Acrylamid-Messwert eingeordnet werden. Diese Kennzeichnung würde in Form eines Aufklebers auf der Verpackung des Lebensmittels angebracht werden. Jeder Verbraucher könne dann selbst entscheiden und, wenn er wolle, unnötige Acrylamid-Belastungen vermeiden. Zugleich steige damit der marktwirtschaftliche Druck auf die Hersteller, ihre Produkte zu verbessern.
Der jetzt geltende so genannte "Signalwert" orientiert sich an den zehn Prozent der am höchsten belasteten Produkte. Er darf nicht mit einem Grenzwert für Unbedenklichkeit verwechselt werden, weil es für krebsverdächtige Substanzen keinen solchen Grenzwert gibt. Nur wenn deutsche Hersteller den jeweiligen Signalwert einer Produktgruppe überschreiten, werden sie von der Bundesregierung zur Minimierung des Problemstoffs aufgefordert.
Am 06-06-2005
Kartoffelchips offenbar stärker mit Acrylamid belastet
Verbraucherinformationsgesetz
Kartoffelchips sind nach Tests der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch offenbar stärker mit der krebsverdächtigen Substanz Acrylamid belastet als im Vorjahr. Acht der 13 auch in 2005 untersuchten Produkte weisen nach Angaben der Organisation höhere Werte auf. "Den Behörden und Herstellern ist der Acrylamidgehalt der meisten Lebensmittel bekannt. Doch ohne Informationspflicht geben sie diese nicht bekannt und gefährden so unnötigerweise die Gesundheit der Verbraucher", kritisiert Barbara Hohl von Foodwatch. Die Verbraucherschützer kritisieren in diesem Zusammenhang auch das geplante Verbraucherinformationsgesetz (VIG) der Bundesregierung, das "weder eine Auskunftspflicht noch eine Produktkennzeichnung für Risikosubstanzen wie Acrylamid" vorsehe. Insgesamt hätten "bei den diesjährigen foodwatch-Tests" so genannte Stapelchips besonders schlecht abgeschnitten. Die Sorte "Paprika" der Marke "Pringles" habe rund zehnmal soviel Acrylamid enthalten wie der Testsieger, ein Lightprodukt der Biomarke Tra'fo.
Acrylamid entsteht den Angaben zufolge bei Bräunungsreaktionen, wenn stärkehaltige Lebensmittel gebraten, gebacken, frittiert oder geröstet werden. Im Tierversuch löse sie Krebs aus und wirke schädigend auf Nerven sowie Erbgut. Die für die Bewertung von Gesundheitsrisiken zuständige Bundesbehörde, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), fordere, den Acrylamidgehalt in Lebensmitteln "so weit und so schnell wie möglich" abzusenken.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die tägliche Belastung mit Acrylamid ein Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht nicht überschreiten. Für eine 60 Kilogramm schwere Person hieße das laut Foodwatch bezogen auf die aktuellen Testergebnisse: Gerade mal ein knappes Drittel dürfte sie von einer Packung "Pringles Paprika" Stapelchips essen, um die Tageshöchstdosis nicht zu überschreiten.
Foodwatch fordert seit langem eine verpflichtende Kennzeichnung von Acrylamid auf Lebensmitteln und eine Veröffentlichung von Testergebnissen mit Nennung der Produktnamen. "Die Bundesregierung muss ihrer Pflicht zum vorsorgenden Verbraucherschutz nachkommen", so Hohl.
Das neue Verbraucherinformationsgesetz, das gegenwärtig im Bundestag beraten wird und nächste Woche verabschiedet werden soll, schöpfe die dafür notwendigen Instrumente nicht aus. Die Organisation fordert, dass die Offenlegung von Behördenwissen vor Geheimhaltung geht und dass Lebensmittelhersteller und Handel verpflichtet werden, den Verbrauchern Produktauskünfte zu geben. Der Bundestag habe jetzt noch die Chance, am vorliegenden Gesetzentwurf Änderungen vorzunehmen und "ein wirksames Verbraucherinformationsgesetz" zu verabschieden.
Am 19-06-2006