Irak-Krieg
- "Gebt dem Völkerrecht eine Chance!"
- Friedensbewegung für Überflugverbote und Reform der Bundeswehr
- Deutsche Militärhistoriker prophezeien Niederlage der Briten und Amerikanern
- RWE-Tochter soll Auftrag zum Aufbau im Irak erhalten
- Amerikanische Bauunternehmen
- Ölkonzern Total Fina Elf
- Auch Deutschland hofft auf Aufträge
- Deutsche Panzerhersteller uneins
- Friedensbewegung gibt keine Ruhe
- Verprechen einhalten
- Ziele nicht aus den Augen lassen
- Internationales Recht durchsetzen
- Interview mit Tobias Pflüger
Am 25-11-2002
"Gebt dem Völkerrecht eine Chance!"
Erklärung
Bei den gegenwärtigen Debatten um die Beilegung der sogenannten Irak-Krise wird von den Kontrahenten in hohem Maße mit politischen, ökonomischen und moralischen Argumenten um die Legitimierung oder Verwerfung einer präventiven militärischen Intervention gerungen. Wissenschaftliche, insbesondere auch völkerrechtliche Gesichtspunkte treten demgegenüber in den Hintergrund.
Die Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften weisen deshalb nachdrücklich darauf hin, daß es einen eindeutigen Völkerrechtsstandpunkt gibt, der von jedem zu respektieren ist, der sich nicht dem Vorwurf des Rechtsbruchs aussetzen will.
Die Analyse der Akademie hat folgenden Wortlaut:
- Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatten es sich die Staaten, die im Mai/Juni 1945 zur Gründungskonferenz für die neue Weltorganisation in San Francisco zusammenkamen, zum vorrangigen Ziel gesetzt, eine auf Frieden und Sicherheit gegründete Weltordnung zu errichten. Alle Streitigkeiten zwischen den Staaten sollten auf friedliche Weise beigelegt werden. Zu diesem Zwecke wurde in der UN-Charta ein umfassendes Gewaltverbot niedergelegt, das nicht nur den Krieg, sondern jedweden Einsatz militärischer Mittel untersagt. Als Garant des Gewaltverbots wurde der Sicherheitsrat geschaffen, der seit dem großen Geschichtsumbruch des Jahres 1990 die ihm übertragenen Aufgaben auch tatsächlich wahrzunehmen bereit ist.
- Nur zwei Ausnahmen lässt die UN-Charta vom Gewaltverbot ausdrücklich zu. Der Sicherheitsrat ist befugt, selbst gegen einen Friedensbrecher einzuschreiten, oder er kann einen Staat oder eine Staatengruppe zur Anwendung militärischer Gewalt ermächtigen, wenn ihm selbst die Kräfte fehlen, einer Aggression oder einem Friedensbruch wirksam entgegenzutreten. Die vom Sicherheitsrat am 8. November 2002 beschlossene Resolution 1441 enthält eine solche Ermächtigung nicht. Sie droht zwar dem Irak für den Fall eines Zuwiderhandelns "ernsthafte Konsequenzen" an, doch müssten diese Konsequenzen erst in einer neuen Resolution spezifiziert werden. In einer förmlichen Note haben China, Frankreich und Russland sogleich bei der Verabschiedung jener Resolution erklärt, dass sie nicht als Ermächtigung zur Gewaltanwendung verstanden werden dürfe.
- Die zweite Ausnahme vom Gewaltverbot bildet das Recht der Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta. Wie aus den verbindlichen Wortfassungen dieser Bestimmung in englischer und französischer Sprache hervorgeht, hat das Recht der Selbstverteidigung grundsätzlich zur Voraussetzung, dass ein bewaffneter Angriff tatsächlich stattgefunden hat. Auch die überwiegende Meinung im Schrifttum teilt diese Auffassung. Aber es kann auch Grenzsituationen geben, wo dem potentiellen Opfer ein weiteres Abwarten nicht mehr zugemutet werden kann, solange abzuwarten, bis der erste Schuss gefallen ist. So wird das Losschlagen Israels im Sechstagekrieg des Jahres 1967, als die Armeen der feindlichen arabischen Mächte sich bereits an seinen Grenzen versammelt hatten, heute durchweg als ein Fall rechtmäßiger Selbstverteidigung gewertet. Eine solche dringliche Gefahr ist im Falle des Irak nicht zu erkennen. Eine zahlreiche Mitglieder umfassende Inspektorengruppe befindet sich im Lande und hat gegenwärtig die Möglichkeit, auf irakischem Staatsgebiet jedweden Ort zu besichtigen, von dem eine Gefahr für die Nachbarstaaten ausgehen könnte. Der Irak ist im Augenblick überhaupt nicht in der Lage, unbeobachtet Kriegsvorbereitungen zu treffen. Massenvernichtungswaffen sind bisher nicht gefunden worden. Eine dringliche Gefahr, die einen sofortigen Gegenschlag rechtfertigen würde, lässt sich also ausschließen.
- Wenn die gegenwärtige US-Regierung die Notwendigkeit eines Regimewechsels im Irak unterstreicht, damit künftige Gefahren für die internationale Gemeinschaft ausgeschaltet werden, so stützt sie ihren Anspruch auf einseitiges militärisches Vorgehen auf ein Argument, das allenfalls vom Sicherheitsrat herangezogen werden dürfte. Die ihm verliehenen Machtmittel nach Kapitel VII der UN-Charta kann der Sicherheitsrat — im Gegensatz zu einem einzelnen Staat - schon dann einsetzen, wenn nicht mehr als eine "Bedrohung" des Friedens vorliegt.
- Alle Mitglieder der Vereinten Nationen, unter ihnen auch die USA, die bei den Gründungsverhandlungen in San Francisco die führende Rolle spielten, haben also dem Sicherheitsrat die ausschließliche Verantwortung übertragen, friedenswahrende Maßnahmen auch dann schon zu treffen, wenn sich politische Spannungen noch nicht in zwischenstaatlichen Kampfhandlungen entladen haben. Nichts deutet in der Gegenwart darauf hin, dass der Sicherheitsrat nicht bereit wäre, die ihm aufgetragene institutionelle Verantwortung wahrzunehmen. Unterstützung haben von ihm insbesondere die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erfahren.
- Unter den gegebenen Umständen bedeutet also ein ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates gegen den Irak geführter militärischer Schlag einen klaren Bruch des Völkerrechts. Gleichzeitig würde eine solche Missachtung des obersten Organs der internationalen Gemeinschaft zu einer schwerwiegenden Erschütterung der gesamten Völkerrechtsordnung führen, die seit 1945 auf dem Gewaltverbot als ihrem Zentralpfeiler ruht.
Für die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften:
Dieter Simon (Präsident)
Am 09-03-2003
Friedensbewegung für Überflugverbote und Reform der Bundeswehr
Jugoslawien & Irak
Vier Jahre nach dem Beginn des NATO-Krieges gegen Jugoslawien zog der "Bundesausschuss Friedensratschlag" einen Vergleich mit dem derzeitigen Irak-Krieg. Beide Kriege würden ohne Mandat der Vereinten Nationen geführt und seien insofern verbotene Angriffskriege. In beiden Kriegen würde - wie auch in Afghanistan - zudem gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen. Die Bombardements richteten sich gegen die Zivilbevölkerung und gegen überlebenswichtige Infrastruktureinrichtungen wie Krankenhäuser, Kraftwerke und Versorgungsleitungen. So sei in der irakischen Stadt Basra bereits die Wasserversorgung zusammengebrochen. Der Bundesausschuss fordert die Bundesregierung auf, den USA die Überflugrechte für US-Kriegsflugzeuge und die Nutzung ihrer Militärstützpunkte zu verweigern. Zudem solle die Bundesregierung den Ausbau der Bundeswehr zu einer Armee mit "strukturellen Angriffsfähigkeiten" beenden.
Im Gegensatz zum Jugoslawienkrieg von 1999 müsse man beim derzeitigen Irakkrieg sogar davon sprechen, dass er gegen den ausdrücklichen Willen des UN-Sicherheitsrats begonnen wurde, meint der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Peter Strutynski. Denn der Sicherheitsrat hatte mit Resolution 1441 im vergangenen Jahr ein klares Programm zur Abrüstung des Irak beschlossen, "dessen weitere Umsetzung die USA und Großbritannien durch ihren Krieg verhindert haben". "Kollateralschäden"
Eine Gemeinsamkeit beider Kriege liege wiederum darin, dass - wie auch in Afghanistan - offenkundig gegen elementare Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts, nämlich gegen zahlreiche Bestimmungen der Genfer Konvention, verstoßen wurde bzw. wird.
Die meisten Opfer des Krieges 1999 waren Zivilpersonen, sogenannte "Kollateralschäden", erklärt der Bundesausschuss in seiner Analyse. Neben Menschen wurden viele zivile Objekte und Infrastruktureinrichtungen wie Brücken, Industriebetriebe, Krankenhäuser, Kraftwerke, Rundfunk- und Fernsehsender zerstört.
Auch der Einsatz von Streubomben und von uranhaltiger Munition verstoße nach gängiger Auffassung gegen die Genfer Konvention.
"Der bisherige Kriegsverlauf im Irak lässt vermuten, dass es die Alliierten mit ihren angeblich gezielten Raketen- und Bombenangriffen mit der Schonung der Zivilbevölkerung auch nicht so genau nehmen," kritisiert Strutynski. Die Zahl der zivilen Opfer werde dramatisch ansteigen, wenn in den großen Städten die Strom- und Wasserversorgung unter dem Bombenhagel ganz zusammenbrechen werde.
Kriegsgefangene im Fernsehen
Nach Auffassung von Strutynski ist es in dem Zusammenhang "scheinheilig", wenn US-Präsident Bush die irakische Führung des Bruchs der Genfer Konventionen anklagt, weil sie US-amerikanische Kriegsgefangene im Fernsehen vorgeführt hat. Natürlich sei das verboten. Doch wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen. "Die US-Kriegführung schert sich bei ihrem Angriffskrieg gegen Irak weder um den von der Genfer Konvention geforderten Schutz der Zivilbevölkerung, noch um das Völkerrecht insgesamt. Und das Schicksal der rund 800 Gefangenen der USA auf Guantánamo, die keinerlei rechtlichen Schutz genießen, darf hier nicht unerwähnt bleiben."
"Weltmachtansprüche" und Ölinteressen
Der Jugoslawienkrieg, an dem sich 1999 auch die Bundeswehr beteiligt hatte, wurde mit der Verhinderung einer angeblich drohenden "humanitären Katastrophe" begründet. Beim Irakkrieg heißt es jetzt, es gehe um Entwaffnung, um einen Regimewechsel und um den "Kampf gegen Terror".
Der Bundesausschuss der Friedensbewegung geht davon aus, dass es den USA heute "ganz offensichtlich" sowohl um die Durchsetzung globaler Weltmachtansprüche als auch um eine direkte Kontrolle über die strategisch wichtigen irakischen Ölreserven geht. Als Beleg werden zwei offizielle Dokumente angeführt: Das neue strategische Konzept der NATO von 1999 und die neue Nationale Sicherheitsdoktrin der USA vom September 2002.
Strutynski ist davon überzeugt, dass es sowohl beim Jugoslawienkrieg als auch beim Irakkrieg vor allem um die militärische Durchsetzung der Weltmachtsansprüche als auch um den Zugriff auf die Ölreserven geht.
"Reform" der Bundeswehr
An der neuen Friedfertigkeit der deutschen Außenpolitik hegt Strutynski erhebliche Zweifel. Zwar beziehe Deutschland derzeit strikt Position gegen den Irakkrieg, während SPD und Grüne vor vier Jahren die Bundeswehr in den Krieg gegen Jugoslawien geschickt hätten.
Doch werde die Bundeswehr weiterhin zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee umgewandelt. Dies habe bereits das Rühe-Konzept von 1992 mit den sogenannten "Verteidigungspolitischen Richtlinien" vorgesehen. Die rot-grüne Bundesregierung habe diese Planungen übernommen und sogar forciert.
In den kommenden 15 Jahren sollen für rund 200 Mrd. DM neue Waffen und Ausrüstungen beschafft werden. Die Stärke der für Interventionen - "so genannte Kriseneinsätze" bzw. "Friedensmissionen" - zur Verfügung stehenden Truppen solle auf über 150.000 Soldatinnen und Soldaten ausgelegt werden.
"Wesensmerkmal der Bundeswehr"
Vor kurzem hatte Verteidigungsminister Peter Struck angekündigt, die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 1992 zu überarbeiten. Seine am 21. Februar 2003 vorgelegten "11 Kriterien" dafür haben nach Auffassung der Friedensbewegung vor allem ein Ziel: "Der Kurs der Herausbildung einer weltweit einsetzbaren Interventionstruppe wird zum Wesensmerkmal der Bundeswehr. Sie stellt den endgültigen Abschied von einer Verteidigungsarmee dar, wie sie in Artikel 87a des Grundgesetzes vorgeschrieben ist."
Am 24-03-2003
Deutsche Militärhistoriker prophezeien Niederlage der Briten und Amerikanern
Irak-Krieg
Noch nie in der Geschichte der Kriege sei, so Militärhistoriker, eine Großstadt wie Bagdad militärisch von einer Invasionsarmee erobert worden. Für die Alliierten im Irak gäbe es nur zwei Möglichkeiten, Badgad oder auch Basra zu erobern: Die Städte völlig zu verwüsten oder sie auszuhungern. Basra gilt schon jetzt als militärisches Ziel. Das heißt: Straßenkampf. Und der könne letztlich nicht gewonnen werden.
Professor Dr. Manfred Messerschmidt, Professor und bis 1988 in Freiburg leitender Historiker des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, ist seit 1995 pensioniert, gilt aber immer noch als der Doyen der deutschen militärhistorischen Forschung.
Messerschmidt hält eine militärische Niederlage der Alliierten für wahrscheinlich, falls sich das Regime Saddam Husseins an der Macht halte. Eine Eroberung Bagdads sei unmöglich, falls die Alliierten nicht planten, die irakische Hauptstadt in Schutt und Asche zu legen. Der Zweite Weltkrieg habe gezeigt, insbesondere die 900 Tage dauernde Belagerung Leningrads, dass ein Straßenkampf immer zur völligen Zerstörung und zu schrecklichen menschlichen Verlusten führte.
Die deutsche Wehrmacht habe zunächst gezögert, die russischen Großstädte militärisch erobern zu wollen, bis Hitler persönlich anordnete, sie entweder komplett zu zerstören oder auszuhungern. Sowohl in Leningrad als auch in Stalingrad ging dieses Konzept nicht auf. Eine Millionenstadt könne man nicht sichern, Invasoren könnten sich höchstens in bestimmten Punkten einigeln. "Und wenn nach Bombardements erst Schutt auf den Straßen liegt, kommen auch Panzer nicht mehr durch", so Messerschmitt.
Die "Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung" am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg betreibt eine Website und ein Archiv, die umfassend über das weltweite Kriegsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg informieren. Wenn es den Amerikaner und Briten gelänge, die Millionenstadt Bagdad zu erobert, wäre das ein historischer Präzendenzfall, da dies unter vergleichbaren Umständen noch keiner Armee gelungen sei.
Die Amerikaner hätten offenbar nicht damit gerechnet, dass Saddam Hussein einen gewissen Rückhalt in Teilen der irakischen Bevölkerung habe. Niemand wisse genau, wie stark der sei. Die haushohe technische Überlegenheit der alliierten Truppen und ihre Luftüberlegenheit nutze bei einem Straßenkampf überhaupt nichts. Man könne keine Großstadt "sauber" einnehmen. Und die Bombardements bewirkten, dass die Bevölkerung sich um so mehr um den Diktator schare. Nichts habe die deutsche Bevölkerung "näher an Hitler herangebracht als die Bomben" der Alliierten. Das sei ein merkwürdiges Phänomen, aber auch bei anderen verbrecherischen Regimes der Geschichte zu beobachten.
Der Militärhistoriker Prof. Dr. Bernhard Kroener von der Universität Potsdam hat über die angestrebte Eroberung irakischer Städte eine klare Meinung: "Wenn Widerstand geleistet wird, ist eine Großstadt prinzipiell nicht einzunehmen." Dafür gäbe es keine historischen Beispiele, Paris 1940 und Rom 1944 seien nicht verteidigt worden, nur deshalb wäre eine militärische Okkupation möglich gewesen. Und die damals südvietnamesische Hauptstadt Saigon sei 1973 zwar erobert worden, aber nicht von "fremden" Invasoren, sondern von Vietnamesen.
Das Bewusstsein der Europäer habe sich geändert, meint Kroener. Ein Bombenkrieg wie zum Beispiel der alliierte Angriff auf Hamburg mit 30.000 Toten in zwei Nächten sei nicht mehr denkbar. Ein Straßenkampf um Bagdad auch nicht: "Jeder, der noch bei Trost ist, wird den vermeiden. Der ist nicht zu gewinnen." Alternativen gebe es nicht. Falls die Alliierten versuchten, Bagdad weiträumig abzuriegeln, müssten sie wesentlich mehr Truppen ins Land bringen und mit einer monate-, gar jahrelangen Belagerung rechnen.
Der jetzige Vorstoß auf die irakische Hauptstadt ginge offenbar immer noch von der Idee aus, dass die Bevölkerung "vom Regime schnell abfallen" würde. Das sei, meint Kroener, ein Irrtum: Selbst wenn sich die Bevölkerung passiv verhalte, reichte es auch, wenn die Elitetruppen den Widerstand noch organisieren könnten, um die Stadt zu verteidigen. "Wenn es nicht gelingt, das Regime Saddam Husseins zu destabilisieren und die Führungsspitze auszuschalten, ist die Niederlage vorprogrammiert."
Am 26-03-2003
RWE-Tochter soll Auftrag zum Aufbau im Irak erhalten
Kriegsgewinne
Während im Irak täglich dutzende oder hunderte von Menschen sterben, bemühen sich zahlreiche Unternehmen um Aufträge zum Wiederaufbau des Irak, der gerade durch Panzer und Bombem zerstört wird. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) hat sich die britische Wirtschaftsministerin Patricia Hewitt bereits mit der amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID ins Benehmen gesetzt, um potenzielle Auftragnehmer aus Großbritannien frühzeitig ins Gespräch zu bringen. Auf ihrer Vorschlagsliste stünden die Baukonzerne Balfour Beatty und Amec sowie der zum deutschen Energiekonzern RWE gehörende Wasserversorger Thames Water. Zu den von der US-Regierung bereits vorausgewählten amerikanischen Konzernen gehört auch eine Tochtergesellschaft des texanischen Ölfeldausrüsters Halliburton. Vorstandschef von Halliburton war bis zum Jahr 2000 der derzeitige amerikanische Vizepräsident Dick Cheney.
Bei der Halliburton-Tochter handelt es sich um das Unternehmen Kellog Brown & Root. Das amerikanische Verteidigungsministerium hat Kellog Brown beauftragt, einen Plan für die Bekämpfung möglicher Brände von Erdölquellen im Irak vorzulegen, berichtet die FAZ in ihrer Ausgabe vom 26. März 2003.
Amerikanische Bauunternehmen
Bislang hätten insgesamt fünf große amerikanische Bauunternehmen Angebote eingericht. Die Regierung habe die Unternehmen selbst ausgewählt und ein Schnellverfahren bei der Vergabe der Aufträge verfügt. Öffentliche Ausschreibungen habe es nicht gegeben, die Aufforderung zum Bieten sei geheim verteilt worden, kritisierte Professer Steven Schooner von der George-Washington-Universität in Washington.
Einige der ausgewählten Bauunternehmen sollen enge politische Beziehungen zur Bush-Regierung haben. So sitzt George Shultz, Außenminister unter den Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior, im Verwaltungsrat des kalifornischen Bauunternehmens Bechtel.
Ein erster Auftrag im Wert von 4,8 Millionen Dollar ist bereits vergeben worden. Er ging an das amerikanische Transportunternehmen Stevedoring Services of zum Betreiben des irakischen Hafens Umm Qasr.
Ölkonzern Total Fina Elf
Selbst der französische Ölkonzern Total Fina Elf rechnet offenbar damit, im Irak gute Geschäfte mit der Ausbeutung der Öl- und Gasfelder machen zu können. Man betreibe keine Politik, erklärte ein Sprecher des Unternehmens und die zur Erschließung des Öls notwendigen Investitionen würden mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Total Fina Elf ist der viertgrößte Ölkonzern der Welt. Total entstand im Jahre 1924 auf dem Gebiet des heutigen Irak. 1973 hatte sich das Unternehmen aus dem Land zurückgezogen. In den neunziger Jahren scheiterten Verhandlungen über eine Rückkehr.
Diese steht jetzt offenbar bevor. Der Konzern möchte sich nach dem Krieg an der Ausbeutung der mächtigen Ölvorkommen beteiligen.
Auch Deutschland hofft auf Aufträge
"Made in Germany hat im Irak einen ausgezeichneten Ruf. Das könnte nach dem Ende des gegenwärtigen Krieges der deutschen Wirtschaft beim Wiederaufbau des Landes zu Gute kommen", sagte Erich Riedl (CSU), Ex-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ehemaliger Irak-Beauftragter seiner Fraktion, gegenüber der "Süddeutschen Zeitung".
Riedl hatte noch vor einem Vierteljahr selbst Gespräche mit dem stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Tariq Aziz und Industrieminister Myassar Rijah Shlah geführt.
Ein Teil der irakischen Oberschicht, die vor dem Krieg die Kontrolle über die Bodenschätze der Region hatte, werde auch nach einem Sturz von Saddam Hussein an den Schalthebeln der Macht bleiben, prognostiziert Riedl.
So hofft auch der Fraktionsvize der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler: "Natürlich können die USA den Krieg allein gewinnen. Die Neuordnung des gesamten Nahen Ostens können sie jedoch anschließend nicht allein bewerkstelligen."
Deutsche Panzerhersteller uneins
Die deutsche Rüstungsindustrie ist sich nicht sicher in der Einschätzung, ob sich der Irak-Krieg vorteilhaft auf das Geschäft auswirkt oder nicht. Manfred Bode, Geschäftsführer des größten deutschen Panzer-Produzenten Krauss-Maffei Wegmann, erklärte gegenüber der Online-Ausgabe des "Manager-Magazins", bei der Entwicklung eines neuen Panzers für das US-Heer nicht zum Zug gekommen zu sein.
Immerhin habe Kraus-Maffei in der vergangenen Woche einen Großauftrag über die Lieferung von 170 Leopard-2-Panzern an Griechenland im Wert von 620 Millionen Euro erhalten. Vor der Auftragsvergabe konnte die deutsche Panzerschmiede offenbar US-Konkurrenten ausstechen.
Auch der zweite große Panzer- und Militärfahrzeug-Hersteller in Deutschland, Rheinmetall, sieht das US-Geschäft aufgrund der Antikriegsstimmung problembeladen: "Ich sorge mich als Bürger und Unternehmer über die Verschlechterung des politischen Klimas", so Rheinmetall-Chef Klaus Eberhardt.
"Allerdings profitieren wir mittelfristig von der wieder stärker werdenden Erkenntnis, dass wir ohne Verteidigung nicht sicher leben können", hatte Eberhardt vor Ausbruch des Irak-Krieges gegenüber der "Rheinischen Post" erklärt.
Am 26-03-2003
Friedensbewegung gibt keine Ruhe
Projekte nach Irak
Der Bundesausschuss Friedensratschlag hält ein baldiges Abflauen der Kämpfe im Irak für absehbar. Zwar sei es noch etwas voreilig, das Ende des Irakkriegs zu verheißen, jedoch habe kaum jemand bezweifelt, dass der Irakkrieg von den USA und Großbritannien militärisch "gewonnen" würde. Entgegen der bei den „Siegern" sich ausbreitenden Euphorie müsse nun daran erinnert werden, dass es für die Nachkriegsordnung im Irak keine zufriedenstellenden Konzepte gibt. Jede Planung, an der die "Siegermächte" federführend beteiligt seien, werde sich an der harten Realität stoßen.
Denn sowohl im Irak als auch in den meisten arabischen Staaten und in der übrigen islamischen Welt von Pakistan bis Indonesien hätten die Gegner der USA Zulauf bekommen. Fundamentalistische Strömungen werden den Nahen und Mittleren Osten weiter destabilisieren, befürchtet die Organisation. Es sei abzusehen, dass der Angriffskrieg der USA politisch in eine Niederlage der Aggressoren und ihrer arabischen "Verbündeten" mündet.
„Das einzig Gute, was für die Friedensbewegung zählt, ist die Tatsache, dass das Morden endlich vorbei geht.“, so Peter Strutynski vom Bundesausschusses Friedensratschlag.
Die Friedensbewegung habe aber keinen Grund, nach dem absehbaren Ende des militärischen Teils des Krieges in das allgemeine Konzert der Sieger mit einzustimmen. „Wir können keine Freude darüber empfinden, dass eine Aggressionsstreitmacht einen völkerrechtswidrigen Krieg für sich entschieden hat. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung des "Aufräumens" und der humanitären Hilfe für die geschundene Bevölkerung übergehen, solange die Invasoren das Land besetzt halten und mit anderen Mächten um die Verteilung der "Kriegsbeute" schachern.“ ergänzt Strutynski. Die Vereinten Nationen und die Staaten der Nein-Sager dürften nicht den Angriffskrieg im nachhinein dadurch legitimieren, dass sie jetzt mit den Aggressoren gemeinsame Sache machten. Man dürfe über das Schweigen der Waffen aber nicht das Unrecht des begangenen Krieges vergessen.
Verprechen einhalten
Die Friedensbewegung habe immer angekündigt, dass ihr Widerstand auch dann weiter gehen wird, wenn sich der Krieg nicht verhindern lässt. Beide Versprechen habe sie hier zu Lande, aber auch weltweit eingelöst. Mit der Großdemonstration in Berlin am 15. Februar 2003 sei die Bewegung aus dem Schatten der 80er Jahre herausgetreten und habe sich als runderneuerte außerparlamentarische Kraft im politischen Kräftespiel der Bundesrepublik Respekt verschafft.
Eine große Verantwortung steht ihr aber noch bevor, so der Bundesausschuss Friedensratschlag. Sie müsse neue Antworten finden auf die Herausforderungen der irakischen Nachkriegszeit, die zugleich eine Vorkriegszeit für andere von den USA ins Visier genommene Staaten sei.
Ziele nicht aus den Augen lassen
Erfahrungsgemäß lasse der Widerstand einer Bewegung nach, wenn ihr unmittelbares Ziel nicht erreicht wurde. Dies sei nach der Stationierung der Atomraketen im November 1993 der Fall gewesen, abenso nach dem Beginn des Golfkriegs 1991 und nach dem Beginn des Afghanistan-Kriegs im Oktober 2001. Es sei generell schwer, einem solchen "Abschlaffen" der Bewegung vorzubeugen. Dennoch dürfe die Bewegung nicht aufhören, konkrete politische Inhalte und Ziele zu fordern.
Dazu gehöre, dass das Ziel einer Beseitigung und Unschädlichmachung von Massenvernichtungswaffen und ihrer Trägersysteme nicht nur für den Irak, sondern für alle Staaten geltend gemacht werden sollte. Waffeninspekteure also auch in die USA, nach Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland. Rüstungsproduktion und Konversion sowie Rüstungsexporte müssten wieder Thema der Friedensbewegung werden.
Der Demilitarisierung des Irak müsse die Abrüstung anderer Länder der Region folgen. Regionale Sicherheit im Nahen Osten werde langfristig nur auf der Basis gleichberechtigter Beziehungen zwischen strukturell angriffsunfähigen Staaten herzustellen sein. Die enge Verknüpfung des Irakkriegs mit dem Palästinenserproblem sei von der Friedensbewegung bisher nicht hinreichend beachtet worden. Das israelisch-palästinensische Problem bleibe aber eine Schlüsselfrage für die Zukunft des Nahen Ostens.
Internationales Recht durchsetzen
Auch dem internationalen Recht müsse wieder mehr Geltung verschafft werden. Das strikte Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen und die universellen Menschenrechte müssten von allen Staaten respektiert werden. Es gelte, die völkerrechtlichen Standards und die Institutionen der Vereinten Nationen gegen den Generalangriff von Seiten der USA zu verteidigen.
Viel stärker ins Blickfeld der Friedensbewegung müsse auch die Forcierung des Umbaus der Bundeswehr zu einer Angriffsarmee gerückt werden. Die von Verteidigungsminister Struck vorgelegten "11 Kriterien"zur Überarbeitung der Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) aus dem Jahr 1992, gäben eine „höchst gefährliche“ Richtung vor. Die Friedensbewegung solle aktuell in die Diskussion um die Novellierung der VPR einsteigen und dabei insbesondere auch die Verfassungswidrigkeit der Bundeswehrplanung betonen.
Am 10-04-2003
Interview mit Tobias Pflüger
"Deutschland spielte im Irak-Krieg eine erfolgreiche Doppelstrategie"
Nach Auffassung von Tobias Pflüger, einem der Vordenker der deutschen Friedensbewegung, spielte Deutschland vor und während des Irak-Krieges eine erfolgreiche Doppelstrategie. Einerseits habe Deutschland den Krieg "umfassend militärisch unterstützt". Andererseits habe Deutschland auf diplomatischer Ebene erfolgreich seinen "weltpolitischen Aufstieg" betrieben, sagte Pflüger im Gespräch mit ngo-online. Der Geschäftsführer der Tübinger "Informationsstelle Militarisierung" sieht eine parteiübergreifende Einigkeit in der Frage der Militarisierung der deutschen Außenpolitik. Das Präventivkriegskonzept im Irak-Krieg diene als Modell für künftige Kriege um Ressourcen. Eines der "Interessengebiete" sei der Kaukasus. Die Friedensbewegung sollte sich daher eingehend mit den neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von Verteididungsminister Struck beschäftigen.
Die USA und ihre Verbündeten scheinen das irakische Regime besiegt zu haben, auch wenn die Kämpfe noch auf unabsehbare Zeit weitergehen. Sind die Bilder amerikanischer Panzer in Bagdad nicht bestechend? War es nicht richtig, diesen Krieg zu führen?
Nein, dieser Krieg war und ist - wie jeder andere Krieg - ein Verbrechen und hatte und hat als Opfer insbesondere Zivilisten und Soldaten des angegriffenen und zerbombten Landes Irak. Mindestens 1.500 getötete Zivilisten sind nachgewiesen, vermutlich sind es deutlich mehr, die körperlich Verletzten gehen in die Zehntausende. Wahrscheinlich sind rund 10.000 irakische und etwa 150 alliierte Soldaten getötet worden, die Zahlen der körperlich verletzten Soldaten sind auch hier vielfach mal so groß.
Die vielen Kriegstraumata können nicht gemessen werden. Was an Sachwerten zerbombt, zerstört und geplündert wurde, ist bis heute nicht absehbar. Allein die Idee, dass überhaupt ein Krieg richtig sein könnte, halte ich für aberwitzig. Dieser Krieg war zudem völkerrechtswidrig und nichts anderes als eine brutale Aggression. Präventive Kriege sind eine Aggression erklärte auch die deutsche Bischofskonferenz.
Die Menschen im Irak haben nun erlebt, was die westlichen Staaten unter Freiheit verstehen. Der Operationsname war ja Iraqi Freedom. Die erste Phase der sogenannten Befreiung, der Weg, die westliche Freiheit zu bringen, waren die nächtlichen und täglichen Bombardierungen. Die zweite Phase war der Einmarsch und die Zerstörungen durch Soldaten und Kampfhandlungen. Die dritte Phase ist die derzeit laufende Plünderungsphase, das Chaos, geduldet von den neuen Herren. Die können nur wichtiges wie das Ölministerium schützen. Die vierte Phase wird der Einmarsch der Besatzer, Kriegsgewinnler und Ölabsahner, aber auch Wiederaufbauer und der Hilfsorganisationen sein.
Konnte Saddam Hussein den amerikanischen Bombenangriffen entkommen oder hat man ihn bewusst laufen lassen?
Das einzig Überraschende war eigentlich nur, dass es nicht zu den langen und sehr heftigen Straßenkämpfen in Bagdad gekommen ist. Straßenkämpfe gab es, aber die Führungsclique von Saddam Hussein und mit ihr viele Soldaten in Bagdad haben offensichtlich das Feld ab einem bestimmten Punkt gewissermaßen freiwillig geräumt. So mussten wenigsten nicht noch mehr Menschen sterben.
Was mit Saddam Hussein selbst ist, ist im Grunde genommen egal. Saddam Hussein ist ein typisches Beispiel für das, was ich Frankenstein-Phänomen nenne: ein vom Westen aufgebauter Herrscher, der nicht mehr das tut, was ihm zugewiesen war.
Zentral ist, dass der offizielle Kriegsgrund, die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak, nach wie vor - erwartungsgemäß - fehlen, wahrscheinlich muss da aufgrund der in den USA nachfragenden Presse noch etwas inszeniert werden.
Die wahren Gründe des Krieges waren die Zementierung einer neuen Hegemonialordnung für den Nahen und Mittleren Osten durch Krieg. Es ging um den Zugang zum Öl des Irak und damit einhergehend um die Schwächung Saudi-Arabiens und der OPEC. Und der Kampf um die weltweite Leitwährung, den Dollar bzw. den EURO.
Außerdem, und das halte ich für zentral, war der Krieg gegen den Irak ein Testlauf für die neue sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie der USA vom 17. September 2002 mit dem Kernpunkt des Präventivkrieges.
Endlich sehen wir die versprochenen Bilder von jubelnden Irakern, die die amerikanischen Soldaten freudig empfangen. Fühlen sich die Iraker befreit?
'Die Iraker/innen' gibt es nicht. Verschiedene Gruppen der irakischen Bevölkerung haben mit dem durch einen brutalen Krieg vollzogenen Regimewechsel unterschiedlich viel. Der Ersteinmarsch der US-Truppen in Bagdad fand in einem Armenviertel, bisher Saddam-City genannt, mit einem großen Anteil an schiitischer Bevölkerung statt. Innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe wird häufiger geglaubt, dass sie nur gewinnen könnten.
Wir kennen die Bilder der jubelnden Menschen aus anderen Kriegen. Das legt sich. Es gibt Berichte, dass der Jubel inszeniert gewesen sei, an anderen Stellen in der Stadt sollen aus der Bevölkerung Proteste gegen die neuen Herren gekommen sein. Ich bin da sehr skeptisch, sowohl gegenüber den Jubelbildern als auch gegenüber dem, dass das inszeniert gewesen sei.
Befreundete Iraker sagen mir, viele Menschen im Irak seien wegen Embargo, Diktatur, Krieg, Krieg und noch mal Krieg inzwischen ziemlich abgestumpft und würden sich eben auf das einstellen, was kommt. Das westliche Wirtschaftssystem wird im Irak einziehen und die Leute werden sich darin einrichten, und es wird wie überall, wo kapitalistische Strukturen sich etablieren, neuen Reichtum und neue Armut geben.
Die Medien berichten ausführlich über getötete Journalisten. Sind Journalisten die wesentlichen Opfer dieses Krieges?
Das hat eher mit dem vor dem Krieg vermittelten Bild zu tun, dass es angeblich ein sauberer Krieg sei. Erwartungsgemäß wurden auch Journalisten getötet. Zweier Illusionen wurden dabei einige Journalistinnen und Journalisten beraubt. Erstens lebten auch die sogenannten eingebetteten Journalisten nicht sicherer. Auch von ihnen starben einige, wie der deutsche Focus-Journalist Christian Liebig.
Zweitens waren Journalisten offensichtlich ausgesuchte Ziele von US-Soldaten. Die Journalistinnen-Abschüsse kurz vor dem Ende der heißen Kämpfe in Bagdad im Journalisten-Hotel Palestine, bei Al Jazeera und Abu Dhabi TV waren erschreckend. Der Deutsche Journalisten Verband hat das auf den Punkt gebracht: ‚Heute müssen wir mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass das Hotel Palestine in Bagdad, das Hauptquartier der Journalisten aus aller Welt, von US-amerikanischem Militär gezielt unter Beschuss genommen wird.’ Aber Journalistinnen und Journalisten sind nur der kleinste Teil der Opfer. Die meisten Opfer sind bei den irakischen Soldaten zu vermuten.
Im Irak-Krieg wurde Waffen-High-Tech eingesetzt. Nach Darstellung des Fernsehmagazins MONITOR wäre dieser Krieg ohne Technologie aus Deutschland so nicht zu führen gewesen. Kann die Rüstungsindustrie mit der Effektivität ihrer Waffensysteme zufrieden sein?
Die eingesetzten Kriegswaffen haben und werden ihre Wirkung entfalten, ob dies nun die B 52 Bomber sind, die über Deutschland ins Kriegsgebiet geflogen sind, und dort die Bombenlast abgeworfen haben. Oder ob dies Streubomben oder uranhaltige DU-Munition sind, die wieder wie im Zweiten Golfkrieg, im Krieg gegen Jugoslawien oder im laufenden Afghanistankrieg eingesetzt wurden. Diese Waffen haben langfristige Folgen, ob als Minen oder durch die radioaktiven Restbestände.
Präzisionswaffen gibt es im übrigen nicht. Die Waffen mögen immer wieder Ziele präzise treffen, nur zerstören sie auch das gesamte Umfeld des jeweiligen Zieles. Häufig treffen die Waffen die Ziele, auf die sie eingestellt waren, und das sind nicht selten bewusst zivile Ziele.
Waffen sollen zerstören, insofern können die Kriegswaffenproduzenten zufrieden sein. Rheinmetall hat jetzt mitgeteilt, dass sie auf mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr hoffen. Ich zitiere aus einer AP-Meldung vom 10. April: ‚Der Düsseldorfer Rüstungs-, Autozulieferer- und Elektronikkonzern Rheinmetall hofft auf weiteres Umsatzwachstum durch künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die US-Armee setzt die Standards für die NATO. Die Bundeswehr muss da nachbessern, wenn sie ihren internationalen Verpflichtungen gerecht werden will’, so der Vorstandschef von Rheinmetall, Klaus Eberhardt. Es handelt sich um eine ebenso neue wie alte Begründung für die Militarisierung der deutschen Außenpolitik. 'Beim nächsten Krieg bitte wieder mitmachen!' Krieg ist also gut für die Kriegswaffenindustrie.
Wir wenden uns, wenn wir gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik wenden, auch immer gegen die Kriegswaffenindustrie. Dort findet derzeit ein EU-weiter Oligopolisierungsprozess statt. In jeder Sparte, ob Heer, Luftwaffe oder Marine, gibt es von der Bundesregierung unterstützte Fusionen und Übernahmen. Neue Beschaffungsprojekte werden gezielt an bestimmte Unternehmen gegeben, wie zum Beispiel Krauss-Maffei-Wegmann. Die Kriegswaffenexporte erleben unter rot-grün eine Blütezeit.
Welche Rolle spielte bzw. spielt Deutschland im Irak-Krieg?
Die Bundesregierung ist erfolgreich eine bewusste Doppelstrategie in Sachen Irakkrieg gefahren: Einerseits eine umfassende militärische Unterstützung des Krieges und andererseits agierte sie diplomatisch gegen den Krieg.
Ohne die Transporte und Überflüge über Deutschland, ohne die aktive Unterstützung durch Deutschland wäre die gesamte Kriegsdurchführung für die Regierungen der USA und Großbritanniens sehr viel schwerer gewesen. Deutschland war und ist auch als Nachschubbasis zentral. Ziel dieser deutschen Doppelstrategie ist es einerseits eine Gegenmacht gemeinsam mit Frankreich weltpolitisch zu etablieren und andererseits doch noch bei einer Nachkriegsordnung im Irak mit dabei zu sein, so die zutreffende Interpretation in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. September 2002.
Diese Doppelstrategie hat den weiteren weltpolitischen Aufstieg Deutschlands zum Ziel. Bisher hat die rot-grüne Bundesregierung den Aufstieg vor allem militärisch organisiert, d.h. durch die Teilnahme an den bisherigen Kriegen gegen Jugoslawien und noch laufend in Afghanistan.
Durch das Agieren im Irakkonflikt wurde der weltpolitische Aufstieg Deutschlands nun diplomatisch abgesichert. Keiner kommt mehr in der Weltpolitik an Deutschland vorbei. Die Bundesregierung war nie altruistisch gegen diesen Krieg, sie hat einfach andere Interessen als die US-Regierung - in der Golfregion und darüber hinaus.
Die Bundeswehr wird weiter zu einer Interventionsarmee gerüstet. Schröder hat in einem Interview mit der Zeit offen angekündigt, dass es eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr geben müsse.
Diese Schrödersche Linie wird von den zentralen Medien in Deutschland mitgetragen. Gerhard Schröder sagte gegenüber der 'Zeit', dass die Konsequenz des deutschen Neins im diplomatischen Bereich zum Irakkrieg eine Entwicklung einer eigenständigeren Politik vor allem mit Frankreich und mit der EU sein müsse.
Welche Rolle spielt die Europäische Union?
Am 29. April findet ein Sonder-Gipfel von Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg statt, bei dem eine Intensivierung der militärischen und kriegswaffenindustriellen Zusammenarbeit dieser Länder diskutiert werden soll.
Dies geht einher mit Vorschlägen von Joschka Fischer und dem französischen Außenminister De Villepen in der Arbeitsgruppe Verteidigung des EU-Konvents. Sie wollen, dass in Zukunft auch einzelne Koalitionen innerhalb der EU eigenständig Militäreinsätze durchführen können. Und im Abschlußbericht der Arbeitsgruppe "Verteidigung" des EU-Konvents, dem sogenannten Barnier-Bericht werden die Militärausgaben aller EU-Staaten zusammengerechnet und gegen die der USA gestellt. Das ist nichts anderes als interimperiales Wettrüsten, wie wir es schon lange bei der europäischen Kriegswaffenindustrie kennen.
Dies geht auch einher mit der weiteren Herausbildung der EU-Interventionstruppe mit 60.000 Mann. 18.000 der Soldaten kommen aus Deutschland, Chef ist der deutsche General Rainer Schuwirth, das Einsatzführungskommando hat seinen Sitz in Potsdam-Geltow als ‚European Headline Goal’, also der zukünftigen Stabsstelle. Die aufkommende Militärmacht EU muss eines der zentralen Themen der Antikriegs- und Friedensbewegung werden.
Wenn die USA und Großbritannien das Öl im Nahen Osten unter ihre Kontrolle bringen ... Werden Deutschland und Frankreich jetzt versuchen, die Öl-, Gas- und Kohlevorkommen des mittleren Ostens zu beherrschen? Marschieren deutsche Soldaten in einigen Jahren wieder in Richtung Kaukasus, wie der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping bereits vor wenigen Jahren andeutete?
Der Kaukasus wird von den politischen Vordenkern klar als europäisches Interessensgebiet definiert. So zum Beispiel von dem Sozialdemokraten Gernot Erler, dem Grünen Achim Schmillen oder dem Christdemokraten Volker Rühe.
‚Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt’, teilt Struck bei passender und unpassender Gelegenheit mit. Parallel dazu hat Peter Struck die Kriterien für die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Bundeswehr vorgelegt, die im Mai veröffentlicht werden sollen. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan informiert unterdessen, dass genau das dem Irakkrieg zugrundeliegende Präventivkriegskonzept Bestandteil dieser Verteidigungspolitischen Richtlinien sein soll.
Was gedenkt die Friedensbewegung dagegen zu tun?
Wir haben also als Antikriegs- und Friedensbewegung viel zu tun: Schwerpunkte der nächsten Zeit könnte die Beschäftigung mit diesen in Arbeit befindlichen ‚Verteidigungspolitischen Richtlinien’ und damit mit dem Präventivkriegskonzept sein und die Kritik der Herausbildung einer Gegen-Militärmacht Europäische Union. Ich bleibe dabei: Wir wollen keine Weltmacht USA, wir wollen aber auch keine Weltmacht Europäische Union und wir wollen schon gar keine neue Weltmacht Deutschland.
Am 16-04-2003