Oktober 2002
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Wehrpflicht auf dem Prüfstand
Die Wehrverfassung soll „zum Ende der Legislaturperiode“ auf den Prüfstand kommen. Damit eng verbunden ist die Frage der allgemeinen Wehrpflicht. Damit ist das Unmögliche plötzlich denkbar: Deutschland könnte im kommenden Jahrzehnt eine Berufsarmee bekommen. "Ich spüre diesen Druck", räumt selbst der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Bernhard Gertz, ein. Von den Gegnern der Wehrpflicht wird auf die europäischen Nachbarn verwiesen. So sind bereits Großbritannien, die Niederlande und Belgien auf eine Freiwilligenarmee umgeschwenkt, Frankreich und Spanien wollen die Wehrpflicht vom Jahre 2003 an aussetzen.
Bertelsmann-Chef bedauert Verhalten des Konzerns im Dritten Reich
Der deutsche Medienkonzern Bertelsmann hat das Verhalten des Unternehmens während der Nazi-Zeit bedauert. Konzernchef Gunter Thielen äußerte im Rahmen der Präsentation des Berichts der Unabhängigen Historischen Kommission (UHK) "aufrichtiges Bedauern" im Namen des Mediengiganten, berichtet die New York Times am Dienstag. Die Ergebnisse der UHK unter dem Vorsitz des Historikers Saul Friedländer sind in Form des 794 Seiten umfassenden Berichts "Bertelsmann im Dritten Reich" erschienen, der ab Dienstagabend auf der Frankfurter Buchmesse vorliegt. Demnach ist die "Legende, C. Bertelsmann sei als Widerstandsverlag geschlossen worden, nicht aufrechtzuerhalten". Diese diente vielmehr dazu, nach 1945 von den Besatzungsmächten rasch eine neue Verlagslizenz zu erhalten.
Mehr Geld für Integration
Die Kommunen fordern von der Bundesregierung eine Verschiebung des Zuwanderungsgesetzes. Dieses solle statt zu Jahresbeginn erst am 1. Juli in Kraft treten, schlug das geschäftsführende Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, am Dienstag in Berlin nach einer Sitzung der Bundesvereinigung Kommunaler Spitzenverbände vor. Zugleich verlangte er, die für Integrationskurse eingeplanten Haushaltsmittel von 169 Millionen Euro mindestens zu verdoppeln und den Rechtsanspruch auf solche Kurse auf hier lebende Ausländer und Zuwanderer aus den EU-Staaten auszudehnen.
Perspektiven der Vermögensbesteuerung in Deutschland
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) untersuchte in der Studie "Perspektiven der Vermögensbesteuerung in Deutschland" Möglichkeiten für die Ausgestaltung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer. ngo-online dokumentiert die Kurzfassung der Studie im Original:
Telekom auf der Suche
Die Deutsche Telekom hat drei Bieter für ihr Fernseh-Kabelnetz in die engere Wahl genommen. Alle drei seien jeweils am vollständigen Erwerb der sechs Kabel-Regionalgesellschaften interessiert, teilte der Konzern am Montag in Bonn mit. Sie hätten die wirtschaftlich attraktivsten Angebote vorgelegt. Über die Höhe der Gebote für das verbliebene TV-Kabel machte die Telekom keine Angaben.
Wirtschaft und Arbeit in einer Hand
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) wechselt als "Superminister" für Wirtschaft und Arbeit in das rot-grüne Bundeskabinett. Die Düsseldorfer Staatskanzlei bestätigte am Montag, dass Clement ein entsprechendes Angebot von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angenommen habe. Die Grünen signalisierten ihre Bereitschaft, die Ministerien für Arbeit und Wirtschaft zusammenzulegen. Nachfolger Clements, der seit 1998 Regierungschef in Düsseldorf ist, soll Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) werden, wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete die Berufung Clements als ein "fatales Signal" für die Wirtschaft.
Die Webradios sollen leben
Die Musikindustrie und kleine Webradios in den USA haben am Wochenende eine Vereinbarung über die im Juni vom US-Kongress beschlossene Lizenzgebühr erzielt. Die von den Webradios ersehnte Einigung soll kleinen Internet-Sendern das Überleben nach dem 20. Oktober ermöglichen, berichte die LA Times am Montag. In den USA war ein wahrer Sturm des Protestes gegen die 0,07-Cent-Gebühr ausgebrochen, die laut Branchenvertretern der Todesstoß für die überwiegende Mehrheit aller Webradios bedeutet hätte. Das Gesetz wird in knapp zwei Wochen, am 20. Oktober, gültig. Bis dahin muss der US-Kongress die Einigung in Gesetzesform gießen. Dies könnte aber durch einen Streit zwischen den Labels und den Musikern noch verhindert werden.
Weniger Splitting, mehr Kinderbetreuung
Die Grünen verteidigen ihre Forderung nach einer Begrenzung des Ehegattensplittings zur Finanzierung von Kinderkrippenplätzen. Dabei gehe es um eine "zentrale Gerechtigkeitsfrage in Deutschland", sagte Grünen-Chef Fritz Kuhn am Montag nach Beratungen der Spitzengremien seiner Partei in Berlin. Viele Alleinerziehende gerieten in die Sozialhilfe, weil sie aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze nicht arbeiten könnten. Deshalb müsse das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren ausgebaut werden. Dabei sei ein "maßvolles Abschmelzen" des Ehegattensplittings der richtige Weg zur Finanzierung.
Buchmesse Frankfurt - "Fortsetzung folgt"
Am Dienstag beginnt die jährliche Buchmesse in Frankfurt. Thematischer Schwerpunkt der bis zum 14. Oktober dauernden Messe ist unter dem Motto "Bridges for a World Divided" die Globalisierung. Als Gastland stellt in diesem Jahr der EU-Beitrittskandidat Litauen seine Kultur unter dem Motto "Fortsetzung folgt" vor. 2002 werden sich jedoch deutlich weniger Verlage präsentieren als in den Vorjahren. Nach Angaben der Messeleitung beteiligen sich knapp 6300 Aussteller. Das bedeutet ein Minus von 4,7 Prozent. Zur offiziellen Eröffnung der Buchmesse am Dienstagnachmittag werden neben Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auch der Präsident des baltischen Staates, Valdas Adamkus, erwartet. Ab Mittwoch sind die Ausstellungshallen dann für das Fachpublikum zugänglich, am Wochenende auch für Privatbesucher.
Rot-Rot in Schwerin
Mit einem Kassensturz beginnen SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern am heutigen Montag die Koalitionsverhandlungen für die Neuauflage der rot-roten Koalition. Finanzen und Verwaltungsreform sind die beiden ersten Themen der Bündnisgespräche. Der Fahrplan sieht insgesamt sieben Gesprächsrunden bis zur Konstituierung des neuen Landtags am 22. Oktober vor. Am Mittwoch werden die Gespräche mit den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft fortgesetzt.
Vodafone und T-Mobile schalten ihre Netze zusammen
Um das Wachstum auf dem Markt für Fotohandys zu beschleunigen, haben die beiden größten deutschen Mobilfunkbetreiber, Vodafone und T-Mobile, ihre Netze für das Multimedia-Messaging MMS zusammen geschaltet. Wie das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtet, können ab sofort Kunden ihre mit dem Handy aufgenommenen Fotos samt Sprachbotschaften auch in das jeweils andere Netz senden. Derzeit wachse der Dienst, den Vodafone seit vier Monaten anbiete, "schneller als SMS kurz nach dem Start“, so Vodafone-D2-Chef Jürgen von Kuczkowski.
Wehrpflicht bleibt dank immer mehr Kriegsdienstverweigerern
Die Initiative gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär appelliert angesichts der Koalitionsverhandlungen an die Bundesregierung: „Das Festhalten der rot-grünen Bundesregierung an der Wehrpflicht ist skandalös und offenbart, wie gering sie die Grundrechte junger Staatsbürger schätzt. Ohne jede glaubwürdige sicherheitspolitische Begründung werden junge Männer dazu gezwungen, einen Dienst im Rahmen der Wehrpflicht zu leisten und erfahren massive Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte. Sie unterbrechen die Berufsausbildung oder das Studium, dürfen nicht ohne Genehmigung der Wehrpflichtbehörden ins Ausland, werden an Existenzgründungen gehindert, in die Arbeitslosigkeit getrieben und müssen sich einer militärärztlichen Untersuchung unterziehen, um unter Aufhebung grundlegender Rechte neun Monate Wehr- oder zehn Monate Zivildienst zu leisten.“
Nachhaltig Wirtschaften
Der Direktor der UN-Umweltprogrammes (UNEP) Klaus Töpfer und der Gründer und Geschäftsführer der Prophyta GmbH Peter Lüth sind die neuen Träger des Deutschen Umweltpreises. Bundespräsident Johannes Rau wird den mit 500.000 Euro höchstdotierten Umweltpreis Europas am 27. Oktober in Magdeburg verleihen. Die deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) würdigt die Leistung Töpfers in der UNO für den internationalen Umweltschutz. Lüth wird für die Entwicklung und Herstellung biologischer Pflanzenschutzmittel ausgezeichnet, erklärte DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde heute, Freitag, in einer Aussendung.
BUND fordert: Grenzstreifen als Naturrefugium Grünes Band sichern
Am 12. Jahrestag der deutschen Einheit appellierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) an die künftige Bundesregierung, den früheren innerdeutschen Grenzstreifen umfassend für den Naturschutz zu sichern. Eine Bestandsaufnahme habe ergeben, wie wertvoll das so genannte Grüne Band sei. Es erfülle sämtliche Kriterien des Bundesnaturschutzgesetzes für den nationalen Biotopverbund. Anstatt bundeseigene Flächen im Grünen Band zu veräußern müssten diese - wie bereits bei 100 000 Hektar Naturschutzflächen in den neuen Ländern geschehen - unentgeltlich an Naturschutzverbände, Naturschutzstiftungen oder die Bundesländer übertragen werden. Dies müsse auch im neuen rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschrieben werden.
DIHK: EU-Vorschlag geht nicht weit genug
Der von der EU-Kommission vorgelegte neue Richtlinienentwurf zur Regelung von Unternehmensübernahmen geht nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) nicht weit genug. "Auf Grund des Widerstandes vieler Mitgliedsstaaten war die Kommission um ihre Aufgabe nicht zu beneiden, aber wir hätten uns mehr Mut gewünscht", erklärte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben am Donnerstag in Berlin.
Brandenburger Tor originalgetreu restauriert
Das über 200 Jahre alte Brandenburger Tor in Berlins Mitte hat seine 22-monatige Schönheitskur hinter sich. Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit erstrahlt das Symbol der Wiedervereinigung in porentief sauberem Sandstein-Glanz. Das von Baumeister Carl Gotthard Langhans 1791 fertig gestellte Tor symbolisierte jahrzehntelang auch die Teilung Deutschlands und die Trennung Berlins. In der Zeit des Kalten Krieges durften es die Ost-Berliner lediglich aus der Ferne bewundern. Die Mauer riegelte das Tor und den davor gelegenen Pariser Platz ab. Erst nach 1989 erwachte der Platz wieder zu neuem Leben.
Neue Grippepille keine Alternative zur Grippeschutzimpfung
Jährlich sterben in Deutschland durchschnittlich bis zu 15.000 Menschen an der Virusgrippe. Das wirksamste Mittel, sich davor zu schützen, ist und bleibt die Grippeschutzimpfung. Dies wurde aktuell anlässlich der Vorstellung eines neuen oralen Grippemittels wieder bestätigt. Die Grippepille hilft nur, wenn sie in den ersten sechsunddreißig Stunden nach Ansteckung genommen wird und erleichtert den Verlauf der Krankheit. Die Dauer der Erkrankung wird höchstens um einen Tag verkürzt.
Berliner Verwaltungsgericht lehnt Klagen der Einweglobby ab
"Die erfreulich klare Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zu 1.767 Einzelklagen der Einweglobby bedeutet eine weitere empfindliche Niederlage". Zu dieser Beurteilung kommen die Bundesverbände der mehrwegorientierten Getränkewirtschaft, der mittelständischen Privatbrauereien und die Deutsche Umwelthilfe e. V. nach dem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts.
Angeklagter belastet "Skinheads Sächsische Schweiz"
Im Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) hat am Mittwoch erstmals ein Angeklagter ausgesagt. Der mit 24 Jahren jüngste der sieben angeklagten Männer bestätigte die Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft. Bei seiner mehrstündigen Vernehmung belastete er vor dem Landgericht Dresden auch seine sechs Mitangeklagten. Den Männern im Alter von 24 bis 30 Jahren wird unter anderem Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt.
Egon Krenz wird nicht vorzeitig entlassen
Der wegen der Todesschüsse an der Mauer inhaftierte ehemalige DDR-Partei- und Staatschef Egon Krenz wird vorerst nicht aus der Haft entlassen. Gnadengesuche von rund 50 Bürgern für den früheren DDR-Spitzenpolitiker wurden am Mittwoch abgelehnt, hieß es in Justizkreisen. Bereits in den vergangenen Jahren waren wiederholt von Bürgern Gnadenanträge eingereicht worden, die alle zurückgewiesen wurden. Krenz verbüßt seit dem 13. Januar 2000 wegen Totschlags an vier DDR-Flüchtlingen eine sechseinhalbjährige Freiheitsstrafe in Berlin.