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Kernaussaugen im neuen rot-grünen Koalitionsvertrag

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SPD und Grüne haben nach 16-tägigen Verhandlungen am Mittwoch die neue Koalitionsvereinbarung 2002-2006 unterzeichnet. Das 88-seitige Papier trägt den Titel "Erneuerung - Gerechtigkeit - Nachhaltigkeit" und die Unterzeile "Für ein wirtschaftliches starkes, soziales und ökologisches Deutschland. Für eine lebendige Demokratie". In zehn Kapiteln werden Eckpunkte der künftigen Regierungspolitik festgelegt.


Die Arbeitsmarktpolitik soll die Vorschläge der Hartz-Kommission vollständig umsetzen. "Beschäftigung schaffen, Vermittlung in Arbeit stärken, kundenfreundliche und effiziente Strukturen in der Arbeitsmarktpolitik schaffen", lauten die Vorgaben, darunter fiele auch die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Mit einem "Jump plus"-Programm sollen 100.000 Stellen für Jugendliche in sozialen, kulturellen und ökologischen Bereichen geschaffen werden. Angestrebt wird, das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit "in neuen Strukturen" fortzuführen.

Die Bundesregierung will wirtschaftspolitisch mehr Wohlstand für alle durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Dafür sollen Unternehmensgründungen forciert, überflüssige Bürokratie beseitigt und unternehmensfreundliche Investitionen geschaffen werden. Kern bilde eine "gezielte Politik für den Mittelstand." Zugleich soll es künftig im Wirtschaftsrecht eine Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder geben.

Die Finanzpolitik strebt das Ziel an, einen Haushalt ohne neue Schulden im Jahr 2006 zu haben. Bei der Ökosteuer steht das "Abschmelzen umweltschädlicher Subventionen" im Vordergrund. Die Eigenheimzulage wird auf Familien mit Kindern begrenzt. Im Unternehmensbereich wird es künftig nur noch eine Verlustanrechnung bis zur Hälfte der Gewinne geben und der Verlustvortrag auf sieben Jahre reduziert.

Die Steuerpolitik soll die geplanten Steuersenkungen 2004/05 umgesetzen. Rot-Grün will zudem "die Normenflut eindämmen" und die Steuererklärung durch "mutige Typisierungen und Pauschalierungen" vereinfachen. Gleichzeitig wird die Steuerpflicht von Privatpersonen für Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren erweitert. Zudem sollen durch Kontrollmitteilungen Kapitalerträge "besser erfasst" werden.

Die Förderpolitik für den Aufbau Ost mit den Schwerpunkten Investition, Innovation und Infrastruktur setzt auf die Entwicklung leistungsfähiger Pilotregionen, die in das Umland ausstrahlen. Bei der Arbeitsmarktpolitik sollen die Hartz-Vorschläge beschleunigt in Ostdeutschland umgesetzt werden. Für Jugendliche und Ältere sollen Brücken in den Arbeitsmarkt entstehen.

In der Kinder- und Familienpolitik sind 10.000 zusätzliche Ganztagsschulen sowie eine Verbesserung der Kinderbetreuung für unter Dreijährige geplant. Hier soll eine Betreuungsquote von 20 Prozent erreicht werden. Dafür stünden zusätzlich 1,5 Milliarden Euro bereit. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Bundeshaushaltes soll die steuerliche Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten ausgebaut werden.

Die Vereinbarung zum Atomausstieg soll "nach Geist und Inhalt konsequent umgesetzt" werden. Nach der endgültigen Stilllegung des AKW Mülheim-Kärlich in 2002 wird 2003 das AKW Stade vom Netz gehen, das jetzt für Ende 2004 vereinbarte Ende von Obrigheim ist nicht ausdrücklich festgeschrieben. Ab Juli 2005 sollen alle erforderlichen dezentralen Zwischenlager an den AKW-Standorten betriebsbereit sein. Die Entscheidung zu einem atomaren Endlager wird der Bundestag fällen.

Die Sicherheitspolitik soll zügig das Zuwanderungsgesetz umsetzen. Zur Stärkung der Inneren Sicherheit sollen das biometrische Verfahren zur Identitätssicherung sowie die Nutzungsmöglichkeiten der DNA-Analyse weiterentwickelt werden. Das Ziel, Volksentscheide auf Bundesebene einzuführen, wird weiterverfolgt. Das Datenschutzrecht soll reformiert und das Lebenspartnerschaftsgesetz ergänzt werden. Zur Verhinderung schwerer Straftaten ist eine erweiterte Strafmilderung vorgesehen, eine neue Kronzeugenregelung gibt es nicht. Ferner soll die Arbeit der Geheimdienste neu beurteilt werden.

In der Agrarpolitik wird die Agrarwende weitergeführt, der Anteil des ökologischen Landbaus soll in zehn Jahren auf 20 Prozent erhöht werden. Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von Lebensmitteln sollen den Verbraucherschutz erhöhen.

In der Verkehrspolitik will Rot-Grün mit einem 90-Milliarden-Euro-Programm bis Ende des Jahrzehnts die Mobilität fördern. Darin enthalten seien 2,3 Milliarden Euro für die Magnetschwebebahn. Eine LKW-Maut wird 2003 eingeführt; an eine "europäische flugstreckenbezogene Emissionsabgabe" ist gedacht. Auf den Wasserstraßen würde der Elbausbau nicht umgesetzt; Staustufen auf der Donau und der Saale würden nicht gebaut.

In der Klimaschutzpolitik strebt die Bundesregierung bis 2020 eine Senkung der Treibhausgasproduktion um 40 Prozent an. Voraussetzung ist eine Verpflichtung auf europäischer Ebene für eine 30-prozentige Reduktion. Vorgesehen sei ferner ein Förderprogramm für Passivhäuser mit 30.000 Wohneinheiten sowie der Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung und dezentralen Blockheizkraftwerke. Der Brennstoffzelle soll zum "Marktdurchbruch" verholfen werden.

In der Bildungspolitik seien die Schaffung nationaler Bildungsstandards und die Einrichtung einer Stiftung "Bildung und Erziehung" vorgesehen. Alle zwei Jahre soll es einen nationalen Bildungsbericht geben. Durch eine Reform der Ausbildung würde angestrebt, dass "kein junger Mensch nach der Schule in die Arbeitslosigkeit entlassen" wird. An den Hochschulen soll die Quote der Studienanfänger auf 40 Prozent angehoben werden.

Die Umwelt- und Energieforschung soll ausgebaut sowie der Biomedizin und Gentechnik wegen möglicher weitreichender Auswirkungen Grenzen gesetzt werden. Zudem würden Friedens- und Konfliktforschung gestärkt. Bis 2010 soll der Forschungsanteil bei öffentlichen und privaten Investitionen auf drei Prozent steigen.

Das Ziel der Frauenpolitik sei die "Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern". Die Chancengleichheit in der Privatwirtschaft soll mit gesetzlichen Regelungen erreicht werden. Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sollen verringert werden, im Bereich des Bundes durch eine Neustrukturierung des Bundesangestelltentarifs. Die Frauenerwerbsquote soll auf 60 Prozent gesteigert werden.

In der Gesundheitspolitik soll bei den gesetzlichen Krankenkassen die Versorgung "strikt am medizinisch Notwendigen" ausgerichtet und der Leistungskatalog der demografischen Entwicklung angepasst werden. Das Hausarztsystem würde ausgebaut und ein "Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin" eingerichtet werden. Die Arzneimittelversorgung würd liberalisiert. Mit der Anhebung der Pflichtversicherungsgrenze soll gut verdienenden Berufseinsteigern der Wechsel in private Kassen erschwert werden.

In der Bundeswehrpolitik würden die Einsätze in Afghanistan, auf dem Balkan und im internationalen Anti-Terror-Kampf ausdrücklich festgeschrieben. Mit der 2001 begonnenen Bundeswehrreform soll der Wandel zu einer "Armee im Einsatz" vollzogen werden. Vorgesehen ist, die Wehrverfassung und damit die allgemeine Wehrpflicht "noch vor Ende der 15. Legislaturperiode" zu überprüfen.

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