Noch sei nicht entschieden, ob für die Holding oder nur für einzelne Tochtergesellschaften ein Insolvenzantrag gestellt werde, sagte ein MobilCom-Sprecher. Dass ein Insolvenzantrag gestellt werde, sei aber sicher. Dies sei auf Grund der fehlenden Liquidität nötig und nicht wegen der aufgelaufenen Schulden, egal, wie hoch diese letztlich seien. Mittlerweile habe MobilCom auch ein Schreiben erhalten, in dem France Télécom bestätige, "dass es kein Geld mehr gibt", sagte er.
Dies war bereits am späten Donnerstagabend für 5.500 MobilCom-Mitarbeiter per E-Mail traurige Gewissheit geworden: Der einst bejubelte Partner France Télécom lasse das Unternehmen fallen, ein Antrag auf Insolvenz sei unvermeidlich, der Traum vom UMTS-Geschäft geplatzt, wurde damit deutlich. Der Pariser Konzern hatte seinen Rückzug mit "strukturellen Problemen" bei MobilCom, einem erheblichen Erlösrückgang und der zu niedrigen Kundenzahl begründet. Damit habe sich der Einstieg ins UMTS-Geschäft als nicht durchführbar erwiesen. Die Risikoübernahme für Bank- und Lieferantenkredite an MobilCom belaste die Halbjahresbilanz mit knapp sieben Milliarden Euro. Für das MobilCom-Engagement seien Rückstellungen von 7,3 Milliarden Euro vorgenommen worden. Der französische Staat ist Mehrheitseigentümer der mit 69,7 Milliarden Euro verschuldeten France Télécom, die ihrerseits 28,5 Prozent der Anteile von MobilCom hält. Die France-Télécom-Vertreter im MobilCom-Aufsichtsrat erklärten am Freitag ihren Rücktritt. MobilCom-Gründer Schmid kündigte an, er werde gegen France Télécom vor dem Landgericht Frankfurt am Main auf Schadenersatz klagen.
Indessen wurden die Gespräche des Bundeskabinetts mit der Pariser Regierung über eine mögliche Rettung des Unternehmens offenbar fortgesetzt. Sie würden in den kommenden Tagen fortgesetzt, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe seine Mitarbeiter aufgefordert, sich direkt mit Vertretern der französischen Regierung in Verbindung zu setzen. Der Bund und das Land Schleswig-Holstein würden "im Rahmen der Möglichkeiten" alles tun, um eine Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen. Denkbar seien Bürgschaften, sagte eine Sprecherin. Im Bundeswirtschaftsministerium wird am Sonntagnachmittag (15.00 Uhr) ein Gespräch zu MobilCom unter Leitung von Minister Werner Müller (parteilos) stattfinden.
Von Beobachtern werden die Rettungschancen aber unverändert als gering angesehen. Mehrere Wettbewerber zeigten sich zwar an den Kunden von MobilCom interessiert, lehnten eine Beteiligung an dem Unternehmen jedoch ab. Der Kurs der MobilCom-Aktie stürzte am Freitag bis 16.00 Uhr um 38 Prozent auf 1,12 Euro ab.
Auch der Betriebsrat von MobilCom sieht die Chancen für eine Übernahme des Unternehmens als gering an. Sprecher Thomas Schrader nannte es als wichtigste Aufgabe, die 5.500 Arbeitsplätze zu erhalten. Dazu bedürfe es eines erfahrenen Insolvenzverwalters. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten seien auch bei Insolvenzanmeldung für die nächsten drei Monate gesichert. Die IG Metall hofft, bei Insolvenz gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine Auffanglösung zu schaffen.
Schon vor einem eventuellen Insolvenzantrag der MobilCom AG haben Wettbewerber ein Auge auf deren mögliches Erbe geworfen. Die britische mm02 sieht ihre Chancen in Deutschland steigen, wenn der Büdelsdorfer Konkurrent vom Markt verschwindet. "Das dürfte uns ein größeres Kuchenstück verschaffen", sagte ein Sprecher des Londoner Unternehmens am Freitag. Der britische Mobilfunkbetreiber will nach seinen Worten aber keine Vermögenswerte von MobilCom übernehmen. Interessiert sei sein Unternehmen jedoch an den rund fünf Millionen MobilCom-Kunden, betonte der mm02-Sprecher. Noch vor einem Jahr sei sein Unternehmen mit der Aufforderung konfrontiert worden, es solle den deutschen Markt aufgeben. "Diese Haltung beginnt sich zu ändern", stellte der Sprecher fest. mm02 sei derzeit mit einem Marktanteil von sieben Prozent bundesweit der viertgrößte Mobilfunkanbieter.
Die niederländische KPN will für den Fall einer MobilCom-Insolvenz ebenfalls um deren Kunden für ihre Düsseldorfer Tochter E-Plus kämpfen. E-Plus sieht sich mit einem Anteil von 14 Prozent derzeit als drittgrößter Anbieter auf dem deutschen Markt. Die Amsterdamer KPN wolle ihre Präsenz bundesweit deutlich verstärken, sagte der Sprecher. Aber auch er stellte klar, KPN werde nicht versuchen, MobilCom oder Teile davon zu übernehmen.
Abgewinkt haben unterdessen die deutsche Tochter der britischen Vodafone und die Berner Swisscom AG. Vodafone habe kein Interesse daran, im Falle einer Insolvenz die Büdelsdorfer MobilCom AG oder Teile des Unternehmens zu übernehmen. Die Zahl der MobilCom-Kunden von fünf Millionen sei nicht entscheidend für Vodafone, hieß es am Freitag in Branchenkreisen. Das britische Mobilfunkunternehmen strebe vielmehr einen hohen monatlichen Umsatz pro Kunde an. Unter diesem Aspekt seien die MobilCom-Kunden vergleichsweise wenig attraktiv. Swisscom-Geschäftsführer Jens Alder sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagausgabe), die Verschuldung der Büdelsdorfer AG sei zu hoch. Außerdem überzeuge das MobilCom-Geschäftsmodell nicht. Für die deutsche Tochter debitel in Stuttgart sei eine derart große Akquisition auch nicht erforderlich.
Der französische Mobilfunkbetreiber Orange hat auch für den Fall eines Kollapses des früheren Partners MobilCom keine Pläne für eine Rückkehr auf den deutschen Markt. Orange-CEO Jean-Francois Pontal sagte am Freitag vor Journalisten in Paris, in Deutschland reisende Orange-Kunden würden über kommerzielle Beziehungen mit anderen Betreibern bedient. Es sei von Orange in keiner Weise beabsichtigt, engere Beziehungen mit Aktienbeteiligungen an deutschen Betreibern zu knüpfen.