Der BUND veröffentlichte am Montag in Berlin zugleich eine Studie, die verschiedene Szenarien der drohenden Kontamination der Lebensmittel mit gentechnischen Organismen untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es weiter erheblicher Anstrengungen bedarf, um die Wahlfreiheit der Verbraucher zum Kauf gentechfreier Produkte zu sichern. „Ob Babynahrung, Bioprodukte oder ganz normale Lebensmittel aus dem Supermarkt - wenn die Parteien nicht schnell handeln, werden all diese Produkte in wenigen Jahren gentechnisch verunreinigt sein." So sieht Doris Tropper, stellvertretende BUND-Bundesvorsitzende, die Wirkungen der sogenannten Grünen Gentechnik.
Laut der Studie vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin (FiBL) und dem Öko-Institut Freiburg droht die stetige gentechnische Verunreinigung der Nahrungskette die Wahlmöglichkeit der Konsumenten zum Kauf gentech-freier Produkte zu beseitigen.
Es wurden dabei drei Szenarien untersucht: Im Szenario "Bei uns nicht" bleibt das seit Oktober 1998 in der EU bestehende Moratorium auf Neuzulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen bestehen, die GVO-Anbaufläche (GVO = gentechnisch veränderte Organismen) in Nord- und Südamerika wird nur wenig ausgeweitet und die Lebensmittelindustrie produziert weiter mit Rohstoffen, die von konventionellen Pflanzen stammen.
In diesem Fall bleibt es beim Ist-Zustand: Das heißt, in verarbeiteten Produkten, die Zutaten aus Mais, Soja oder Raps enthalten, kann die absolute Gentechnikfreiheit nicht garantiert werden, wenn nicht sorgfältig auf die Herkunft der Rohstoffe und die Trennung der Warenströme geachtet wird. Deshalb sind in diesem Szenario dringende Verbesserungen bei Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Trennung der Warenströme notwendig.
Im Szenario "Anbau mit Auflagen" ist das Moratorium gefallen, international weitet sich die Gentech-Anbaufläche aus und mit neuen Gesetzen wird versucht die Gen-Kontamination einzudämmen. In diesem Fall kann die Verunreinigung im Bereich von einem Prozent gehalten werden. Die Wahlfreiheit der Konsumenten wird aufgeweicht, da Verunreinigungen bis zu einem Prozent bei Lebens- und Futtermitteln sowie bei Saatgut nicht kennzeichnungspflichtig wären. Für die Einhaltung der Ein-Prozent-Grenze für gentechnische Kontaminationen sind Abstandsregelungen beim Anbau, Rückverfolgbarkeits- und Kennzeichnungsnormen sowie die konsequente Trennung der Warenströme notwendig. Die Einhaltung dieser Maßnahmen sowie deren Kontrolle verursachen erhöhte Kosten, die je nach Nutzpflanze und Bewirtschaftungsweise bis zu 20 Prozent betragen können.
Beim Szenario "Gentechnik ohne Grenzen" fällt ebenfalls das Moratorium, die Anbaufläche in Europa und weltweit wächst, neue Normen zur Begrenzung der Kontamination werden jedoch nicht geschaffen. In diesem Fall ist die Wahlfreiheit akut gefährdet, selbst ein Schwellenwert von einem Prozent wäre bei zunehmender Verunreinigung der gesamten Nahrungsmittelkette nur unter erheblichem Aufwand zu garantieren. Die Folge ist, dass auch die Produktion von Lebensmitteln mit gentechnisch veränderten Bestandteilen unterhalb der Ein-Prozent-Grenze teurer wird. Preissteigerungen werden insbesondere den Ökolandbau treffen, der per Gesetz zur strikten Gentech-Freiheit verpflichtet ist. Produzenten, die weiter nur geringfügig verunreinigte Lebensmittel anbieten wollen und Konsumenten haben bei diesen Produkten mit drastischen Preissteigerungen zu rechnen.
Julia Meier vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin (FiBL): "Je mehr der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zunimmt, desto stärker sinkt die Möglichkeit, sich gentech-frei zu ernähren. Im Szenario eins und zwei ist die Wahlfreiheit noch gegeben, im dritten Szenario wird sie nahezu unmöglich."