DIE Internet-Zeitung
Datenschutz Thema zur Bundestagswahl 2002

Sensible Daten sind schlecht geschützt

Am

Im Herbst 1998 formulierten die Datenschutzbeauftragten Berlins, Brandenburgs, Bremens, Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins zehn Punkte für einen Politikwechsel zum wirksameren Schutz der Privatsphäre. In einer Pressemitteilung zur Bundestagswahl stellen sie fest, dass viele der damaligen Forderungen noch immer offen sind. So sei ein Grundrecht auf Datenschutz noch nicht im Grundgesetz verankert. Im Zuge der Terror-Prävention wurde sogar die Überwachung von Telekommunikation, Internet und Öffentlichen Plätzen verschärft.


Die Datenschutzbeauftragten fordern daher von der neuen Regierung, wirksame Verschlüsselungsverfahren zu fördern, anstatt sie zu verbieten. Eingriffsbefugnisse im Sicherheitsbereich und Sonderbefugnissen aus der Terrorismusfahndung müssten hinreichend überprüft werden. Zudem fehle noch immer ein allgemeines Informationszugangsrecht. Im Einzelnen verlangen die Datenschützer:

  • Umfassende Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes

Jeder Mensch müsse tatsächlich selbst entscheiden können, welche Datenspuren er hinterlässt und wie diese Datenspuren verwertet werden. Wenn es um die Nutzung von Daten für Werbezwecke geht, muss die informierte und freie Einwilligung der Betroffenen vorliegen, nicht, wie bisher, erst durch Ausschaltung die ungewollte Werbung verhindert werden.

  • Förderung von datenschutzgerechter Technik

Neben der Schaffung von Gütesiegeln komme sei vor allem staatliche Forschungs- und Entwicklungsförderung gefragt. Bislang spiele das Thema Datenschutz bei den öffentlichen IT-Entwicklungsprogrammen, wenn überhaupt, allenfalls eine untergeordnete Rolle.

  • Anonyme Internetnutzung

Während in der realen Welt jeder Mensch zum Beispiel in einem Einkaufszentrum stöbern kann, ohne dass seine Bewegungen registriert werden, sei dies im Internet nicht von vornherein gewährleistet. Dort erzeugt jeder Mausklick eine oft personenbezogene Datenspur, deren Summe zu einem aussagekräftigen Persönlichkeitsprofil wird und für vielfältige Zwecke (z.B. Marketing, Auswahl unter Stellenbewerbungen, Observation von Personen) genutzt werden könne. Daher solle die Politik Internet-Provider nicht länger dazu verpflichten, präventiv alle Verbindungsdaten ohne konkreten Anlass für mögliche zukünftige Strafverfahren oder geheimdienstliche Observationen zu speichern.

  • Unabhängige Evaluierung der Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden

Durch die übereilten Gesetzesverschärfungen der letzten Monate seien diese Befugnisse so erweitert worden, dass immer weniger Freiräume für unbeobachtete individuelle oder gesellschaftliche Aktivitäten und Kommunikation bestehen. Videoüberwachung, Lauschangriff, Rasterfahndung, langfristige Aufbewahrung der Daten bei der Nutzung des Internet und der Telekommunikation, Zugriff auf Kundendaten und Geldbewegungen bei den Banken gefährdeten bürgerliche Freiheitsrechte und Datenschutz. Daher solle eine umfassende und systematische Evaluierung aller Eingriffsbefugnisse der Sicherheitsbehörden durch unabhängige Stellen aufzeigen, wo zurückgeschnitten werden muss, wo Instrumente untauglich sind oder wo die negativen Folgewirkungen überwiegen.

  • Stärkung des Schutzes von Gesundheitsdaten

Die Informatisierung der Medizin durch elektronische Aktenführung, Einsatz von Chipkarten, Nutzung des Internet zur Konsultation bis hin zur ferngesteuerten Behandlung mit Robotern sei nur zu verantworten, wenn auch die Instrumente zum Schutz von Gesundheitsdaten weiterentwickelt werden. Gesundheitsdaten müssten daher außerhalb der eigentlichen Behandlung so weit wie möglich nur anonymisiert verarbeitet werden.

  • Datenschutz und Gentechnik

Ein Gesetz zum datenschutzgerechten Umgang mit genetischen Daten sei dringend erforderlich. Niemand dürfe zu Gentests, die über die Identitätsfeststellung hinausgehen, gezwungen werden. Die Durchführung eines Tests ohne Wissen und Wollen der betroffenen Person müsse unter Strafe gestellt werden.

  • Arbeitnehmerdatenschutz

Persönlichkeitsrechte und Datenschutz seien im Arbeitsverhältnis vielfältig bedroht. Beschäftigtendaten werden in leistungsfähigen Personalinformationssystemen gesammelt und zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen genutzt. Immer wieder kommt es zu schweren Eingriffen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer: Das Arbeitsverhalten werde durch Videokameras überwacht. Die Nutzung von e-mail und das Surfen im Internet am Arbeitsplatz würden protokolliert und kontrolliert. Die Preisgabe von hochsensiblen persönlichen Informationen, etwa zum Gesundheitszustand, werde zur Voraussetzung für eine Einstellung gemacht - auch dann, wenn dies für die angestrebte Tätigkeit ohne Bedeutung ist. Drogen-screening und psychologische Testverfahren würden ohne vorhergehende Aufklärung oder gegen den Willen von Beschäftigten eingesetzt.

  • Stärkung einer unabhängigen, effizienten Datenschutzkontrolle

Die deutschen Datenschutzbehörden hätten bis heute nicht die "völlige Unabhängigkeit", die die Europäische Datenschutzrichtlinie vorschreibt. In den meisten Bundesländern sei die Aufsicht über den Datenschutz bei Privatunternehmen nach wie vor bei den Innenministerien und nachgeordneten Stellen angesiedelt. Selbst in den Fällen, in denen die Landesbeauftragten diese Aufgabe wahrnehmen, unterlägen sie zumindest einer Rechtsaufsicht der Regierung. Die Kontrollstellen müssten Strafen gegenüber den geprüften Stellen auch selbst durchzusetzen können.

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