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Bundesverfassungsgericht entscheidet zum Glykol-Skandal

Bundesregierung darf vor gefährlichen Produkten warnen

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Die Bundesregierung darf die Bürger aktiv vor Gesundheitsrisiken warnen und zu dem Zweck auch Listen betroffener Produkte und ihrer Hersteller veröffentlichen. Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervor, das am Dienstag in Karlsruhe veröffentlicht wurde. Darin billigten die Richter die Herausgabe einer Namensliste im Glykolskandal aus dem Jahr 1985. Die Bundesregierung sieht sich damit in ihrer Politik bestätigt. Der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Alexander Müller, forderte die Union auf, nunmehr ihre "Blockadehaltung" gegenüber dem Verbraucherinformationsgesetz aufzugeben.


Nach Darlegung der Richter hat die Bundesregierung die Kompetenz zum "staatlichen Informationshandeln" aus ihrer grundgesetzlichen Aufgabe zur Staatsleitung. Dazu gehöre, "durch rechtzeitige Informationen die Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, auf Krisen schnell und sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern zu Orientierungen zu verhelfen".

Dies gelte bei Konflikten und krisenhaften Vorgängen mit überregionalem Charakter. Dadurch werde ein entsprechendes Vorgehen der Länder nicht ausgeschlossen oder behindert. Die staatlichen Informationen müssten aber sachlich und zutreffend sein, unterstrichen die Verfassungsrichter. Diffamierende oder diskriminierende Äußerungen seien untersagt.

Müller sagte, das Urteil gebe dem Bund die Möglichkeit, "genauer als bisher zu informieren". Er kündigte eine Prüfung an, weil das Gericht zwar grundsätzlich die Kompetenz und das Recht der Bundesregierung zur Information der Verbraucher festgestellt habe, die genauen Grenzen hierbei aber noch unklar seien. Die Frage sei, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliegen müsse, um Aktivitäten des Staates zu rechtfertigen, oder ob dieser auch bei Täuschungsgefahr bereits informieren und vor entsprechenden Anbietern warnen dürfe.

Anlass der Glykol-Entscheidung der Richter war ein Skandal aus dem Jahr 1985. Damals hatte das Bundesgesundheitsministerium eine Liste mit Weinen herausgegeben, in denen das Frostschutzmittel Diethylenglykol festgestellt worden war. Die Karlsruher Richter wiesen mit dem jetzigen Urteil die bereits vor elf Jahren eingereichten Verfassungsbeschwerden von zwei betroffenen Weinkellereien zurück, die durch die Listen-Veröffentlichung ihre Berufsfreiheit beeinträchtigt sahen.

Das Grundrecht der Berufsfreiheit schütze Marktteilnehmer "nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen", zumal wenn diese auf "Krisenbewältigung" abziele. Die Verfassungsrichter verwiesen auch auf "aktuelle Krisen im Agrar- und Lebensmittelbereich". Diese zeigten, "wie wichtig öffentlich zugängliche, mit der Autorität der Regierung versehene Informationen" zur Bewältigung der Situation seien. (Az. 1 BvR 558/91 und 1 BvR 1428/91).

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