Allein die etwa acht Millionen deutschen Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren verfügen über eine Kaufkraft von 14 Milliarden Euro in Form von Taschengeld, Geldgeschenken und Nebeneinkünften. Dies weiß natürlich auch die werbungstreibende Wirtschaft. So ist in den vergangenen Jahren eine stetige Ausweitung der an Kinder und Jugendliche gerichteten Werbung zu beobachten. Es wird geschätzt, dass Kinder allein übers Fernsehen durchschnittlich an die 1000 TV-Spots im Monat sehen. Über dies hinaus bedient sich die Werbung zunehmend neuer Medien und Formen und dringt immer stärker auch in Bereiche ein, die bislang weitgehend werbefrei waren, wie z.B. Schulen ("Schulsponsoring"). Besondere Formen der Werbung in den neuen Medien sind beispielsweise das "Spamming" (unaufgeforderte Zusenden von Werbetexten über E-Mail) oder Werbung per SMS, Telefax oder Internet. Als übergreifender Trend ist festzustellen, dass diese neuen Werbemethoden tendenziell zu einer Verwischung der klaren Grenzen zwischen redaktionellem Inhalt und Werbebotsschaften führen.
Doch nicht nur die hohe Zahl von kinderspezifischen Werbebotschaften bezeichnet der vzbv als problematisch. Auch die Inhalte der Werbung seien kritisch zu bewerten. So stünde eine massive Bewerbung gesundheitlich problematischer Lebensmittel (Limonaden, Süßwaren, Fast Food etc.) in Widerspruch zu dem gesundheitlich gebotenem Ernährungsverhalten. Besonders alarmierend sei in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Gießen: Danach gaben 40 Prozent der befragten Kinder zu Protokoll, sie bezögen ihr Wissen über Ernährung aus der Fernsehwerbung. "Da können wir mit unseren beschränkten Ressourcen gar nicht gegensteuern", so Edda Müller. Zudem werde die Werbung auf Grundlage intensiver Marktforschungen immer mehr auf die unbedarfte Zielgruppe zugeschnitten. Eine Intervention der Politik sei überfällig.
Dass Werbung unter Ausnutzung der Unerfahrenheit und leichten Beeinflussbarkeit von Kindern und Jugendlichen zu teuren überflüssigen Ausgaben führen kann, zeigen zwei vom vzbv veranlasste - nicht rechtskräftige - Unterlassungsurteile nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (LG Lübeck vom 16.04.2002 - AZ 13 0 26/02, LG Hamburg vom 14.05.2002 - AZ 312 0 845/01). Danach wurde die Werbung in Jugendzeitschriften für die Bestellung unter anderem von Klingeltönen per kostenaufwendigen Mehrwertdiensttelefonnummern (1,86 Euro/Minute) als Verstoß gegen die guten Sitten untersagt. Da die Rechtslage aber wegen nicht vorliegender Verbotsnormen unsicher ist, haben die beklagten Firmen jeweils Berufung eingelegt. Der rechtskräftige Ausgang der Verfahren ist ungewiss - eine unberechenbare und aus Sicht des Minderjährigenschutzes unbefriedigende Situation.
Für mehr Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gefährdenden und unlauteren Werbeformen fordert der vzbv eine Verankerung des Kinder- und Jugendschutzes im Rahmen der europaweiten Neuordnung des Wettbewerbsrechts und den Verzicht auf Werbung, die direkte Kaufappelle an Minderjährige richtet. Ferner sollten Aufforderungen an Kinder und Jugendliche verboten werden, ihre Eltern oder sonstige Vertrauenspersonen zum Kauf der beworbenen Ware oder Leistung zu bewegen. Minderjährige sollten zudem nicht mit Werbemitteln wie Gewinnspielen, Preisausschreiben oder Geschenken irregeführt oder zum Kauf verleitet oder ihre Spielleidenschaft ausgenutzt werden.
Der vzbv fordert zudem die Erarbeitung einheitlicher Regeln für das Schulsponsoring unter Beteiligung von Verbraucherschützern und Sozialverbänden. Kinder und Jugendliche sollten nicht mehr aufgefordert werden dürfen, personenbezogene Daten ohne die Zustimmung ihrer Eltern anzugeben. Auf Internet-Seiten, die sich vorwiegend an Kinder und Jungendliche richten, sollten Alkohol- und Tabakwerbung verboten sein. Auch Dialer-Programme sollten nach Ansicht der Verbraucherschützer auf diesen Seiten nicht zulässig sein.