DIE Internet-Zeitung
Roma-Karawane für Bleiberecht

Landesregierung soll vor Abschiebungen Zuwanderungsgesetz abwarten

Am

Mehr als 650 Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien machen weiterhin in Düsseldorf durch Aktionen auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam. Die sogenannte Roma-Karawane setzt ihre vor der letzten Innenministerkonferenz begonnenen Aktionen fort, mit denen sie in mehreren deutschen Großstädten ein Bleiberecht eingefordert hat. Pro Asyl und die landesweiten Flüchtlingsorganisationen Nordrhein-Westfalens wandten sich am Mittwoch mit der Forderung an die Innenminister von Bund und Ländern, die Anliegen der gegen die drohende Abschiebung Protestierenden ernst zu nehmen und nicht zuzulassen, dass durch Abschiebungen vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Fakten geschaffen werden, die möglicherweise durch eine Anwendung der neuen Härtefallregelung künftig vermieden werden könnten.


"Roma und andere Minderheiten sind durch den Zerfall Jugoslawiens, das Aufleben des Nationalismus in den Nachfolgestaaten, die kriegerischen Auseinandersetzungen und die daraus resultierende Verelendung in eine verzweifelte Lage geraten", sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Wo sie nicht direkt verfolgt würden, würden sie noch mehr diskriminiert und ausgegrenzt als früher. "Die nach Deutschland Geflüchteten brauchen nun - nach überwiegend langjährigem Aufenthalt - endlich eine Perspektive", fordert er. Die Flüchtlingsorganisationen kritisieren die "offenkundige Gerechtigkeitslücke", die darin bestehe, dass Roma-Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien trotz langjährigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik die Bedingungen bisheriger Altfallregelungen nicht erfüllen konnten.

Die Beschlüsse der letzten Innenministerkonferenz würden der Lage der Roma aus dem Kosovo sowie aus Serbien und Montenegro nicht gerecht. Die IMK hatte am 6. Juni beschlossen, davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine zwangsweise Rückführung von Minderheitenangehörigen in das Kosovo - darunter Roma und Ashkali - noch in diesem Jahr gegeben sein werden. Der Beschluss wurde gefasst, obwohl die Berichte von UNHCR, UNMIK und vielen Nichtregierungsorganisationen darin übereinstimmen, dass Angehörige von Minderheiten dort keinen adäquaten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Eigentum haben, zum Teil in militärisch geschützten Enklaven leben müssen und immer noch Opfer von Gewalttaten werden.

Roma aus Serbien und Montenegro sind jederzeitig von Abschiebung bedroht. Mehr noch: In einer Protokollnotiz zum Beschluss der IMK bitten die Bundesländer den Bundesinnenminister, beim Abschluss eines neuen Rückübernahmeabkommens mit Jugoslawien darauf hinzuwirken, dass in absehbarer Zeit auch nichtalbanische Minderheiten aus dem Kosovo in das übrige Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien zurückgeführt werden können. Roma, die niemals in Serbien oder Montenegro gelebt haben, würden sich dann mit einer Abschiebung dorthin konfrontiert sehen.

"Das Herumschieben der überall entrechteten, diskriminierten und zum Teil verfolgten Roma muss ein Ende haben", mahnt Isabel Basterra vom Arbeitskreis Asyl NRW. Die Politik müsse die Konsequenzen aus der Tatsache ziehen, dass die Sicherheitslage für Roma aus dem Kosovo auch mittelfristig Zwangsrückführungen nicht zulasse und eine veränderte Minderheitenpolitik in Serbien und Montenegro noch in den Kinderschuhen stecke. Im übrigen hätten die Absichtserklärungen der jeweiligen Regierungen an der Lage der Minderheiten konkret kaum etwas geändert. Selbst der Lagebericht des Auswärtigen Amtes konstatiere für Serbien und Montenegro, dass die Pflege der Kultur, die Freizügigkeit, der Zugang zu Bildung, die freie Berufswahl und andere Rechte zwar nicht per Gesetz, aber doch de facto eingeschränkt sind. Das sei nichts anderes als die diplomatisch zurückhaltende Beschreibung extremer Diskriminierung, die eine Existenzsicherung unmöglich mache.

Die Lage der Roma in Serbien und Montenegro habe sich sogar, so UNHCR im April 2002, in den letzten 10 Jahren aufgrund der Sanktionen und des wirtschaftlichen Niedergangs verschlechtert. "Wer Roma jetzt nach Serbien und Montenegro abschiebt, nimmt sehenden Auges in Kauf, dass sie dort ohne jede Perspektive dastehen," kritisiert Irene Dulz für den Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen.

Angesichts von 230.000 Binnenflüchtlingen innerhalb des Landes und vielen provisorisch untergebrachten Flüchtlingen aus Kroatien und Bosnien bestehe selbst bei einer weiter verbesserten Minderheitenpolitik in diesen Staaten objektiv kaum eine Möglichkeit, rückkehrenden Roma eine Lebensperspektive zu eröffnen. Der Demokratisierungsprozess in Serbien und Montenegro mit seinem Bekenntnis zu einem verbesserten Minderheitenschutz dürfe nicht durch Abschiebungen unmöglich gemacht werden.

Landesregierung soll vor Abschiebungen Zuwanderungsgesetz abwarten

Roma-Karawane für Bleiberecht

Mehr als 650 Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien machen weiterhin in Düsseldorf durch Aktionen auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam. Die sogenannte Roma-Karawane setzt ihre vor der letzten Innenministerkonferenz begonnenen Aktionen fort, mit denen sie in mehreren deutschen Großstädten ein Bleiberecht eingefordert hat. Pro Asyl und die landesweiten Flüchtlingsorganisationen Nordrhein-Westfalens wandten sich am Mittwoch mit der Forderung an die Innenminister von Bund und Ländern, die Anliegen der gegen die drohende Abschiebung Protestierenden ernst zu nehmen und nicht zuzulassen, dass durch Abschiebungen vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Fakten geschaffen werden, die möglicherweise durch eine Anwendung der neuen Härtefallregelung künftig vermieden werden könnten. "Roma und andere Minderheiten sind durch den Zerfall Jugoslawiens, das Aufleben des Nationalismus in den Nachfolgestaaten, die kriegerischen Auseinandersetzungen und die daraus resultierende Verelendung in eine verzweifelte Lage geraten", sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Wo sie nicht direkt verfolgt würden, würden sie noch mehr diskriminiert und ausgegrenzt als früher. "Die nach Deutschland Geflüchteten brauchen nun - nach überwiegend langjährigem Aufenthalt - endlich eine Perspektive", fordert er. Die Flüchtlingsorganisationen kritisieren die "offenkundige Gerechtigkeitslücke", die darin bestehe, dass Roma-Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien trotz langjährigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik die Bedingungen bisheriger Altfallregelungen nicht erfüllen konnten.

Die Beschlüsse der letzten Innenministerkonferenz würden der Lage der Roma aus dem Kosovo sowie aus Serbien und Montenegro nicht gerecht. Die IMK hatte am 6. Juni beschlossen, davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine zwangsweise Rückführung von Minderheitenangehörigen in das Kosovo - darunter Roma und Ashkali - noch in diesem Jahr gegeben sein werden. Der Beschluss wurde gefasst, obwohl die Berichte von UNHCR, UNMIK und vielen Nichtregierungsorganisationen darin übereinstimmen, dass Angehörige von Minderheiten dort keinen adäquaten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit und Eigentum haben, zum Teil in militärisch geschützten Enklaven leben müssen und immer noch Opfer von Gewalttaten werden.

Roma aus Serbien und Montenegro sind jederzeitig von Abschiebung bedroht. Mehr noch: In einer Protokollnotiz zum Beschluss der IMK bitten die Bundesländer den Bundesinnenminister, beim Abschluss eines neuen Rückübernahmeabkommens mit Jugoslawien darauf hinzuwirken, dass in absehbarer Zeit auch nichtalbanische Minderheiten aus dem Kosovo in das übrige Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien zurückgeführt werden können. Roma, die niemals in Serbien oder Montenegro gelebt haben, würden sich dann mit einer Abschiebung dorthin konfrontiert sehen.

"Das Herumschieben der überall entrechteten, diskriminierten und zum Teil verfolgten Roma muss ein Ende haben", mahnt Isabel Basterra vom Arbeitskreis Asyl NRW. Die Politik müsse die Konsequenzen aus der Tatsache ziehen, dass die Sicherheitslage für Roma aus dem Kosovo auch mittelfristig Zwangsrückführungen nicht zulasse und eine veränderte Minderheitenpolitik in Serbien und Montenegro noch in den Kinderschuhen stecke. Im übrigen hätten die Absichtserklärungen der jeweiligen Regierungen an der Lage der Minderheiten konkret kaum etwas geändert. Selbst der Lagebericht des Auswärtigen Amtes konstatiere für Serbien und Montenegro, dass die Pflege der Kultur, die Freizügigkeit, der Zugang zu Bildung, die freie Berufswahl und andere Rechte zwar nicht per Gesetz, aber doch de facto eingeschränkt sind. Das sei nichts anderes als die diplomatisch zurückhaltende Beschreibung extremer Diskriminierung, die eine Existenzsicherung unmöglich mache.

Die Lage der Roma in Serbien und Montenegro habe sich sogar, so UNHCR im April 2002, in den letzten 10 Jahren aufgrund der Sanktionen und des wirtschaftlichen Niedergangs verschlechtert. "Wer Roma jetzt nach Serbien und Montenegro abschiebt, nimmt sehenden Auges in Kauf, dass sie dort ohne jede Perspektive dastehen," kritisiert Irene Dulz für den Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen.

Angesichts von 230.000 Binnenflüchtlingen innerhalb des Landes und vielen provisorisch untergebrachten Flüchtlingen aus Kroatien und Bosnien bestehe selbst bei einer weiter verbesserten Minderheitenpolitik in diesen Staaten objektiv kaum eine Möglichkeit, rückkehrenden Roma eine Lebensperspektive zu eröffnen. Der Demokratisierungsprozess in Serbien und Montenegro mit seinem Bekenntnis zu einem verbesserten Minderheitenschutz dürfe nicht durch Abschiebungen unmöglich gemacht werden.

Am 10-07-2002

Vierter Abschiebeversuch eines angolanischen Staatsangehörigen

Abschiebung

Dem angolanischen Staatsangehörigen Miguel M. droht der vierte Abschiebeversuch ins Herkunftsland. Der abgelehnte Asylbewerber hat sich in der Vergangenheit bereits gegen Abschiebungsversuche zur Wehr gesetzt - aus Angst vor einer Inhaftierung unmittelbar nach seiner Ankunft in Luanda. Der bislang letzte Versuch scheiterte an der Weigerung eines Piloten, den gefesselten Herrn M. zu befördern. Miguel M. stammt aus der Enklave Cabinda, die zu Angola gehört. Er ist Mitglied der Organisation FLEC-FAC, die sich für die Unabhängigkeit Cabindas einsetzt und deshalb von der Zentralregierung bekämpft wird. Pro Asyl fordert, keine Abschiebung um jeden Preis durchzusetzen. Als Mitglied der FLEC-FAC in Angola gefährdet, gelang Miguel M. 1997 die Flucht nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. Im Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) vom 30. September 1997 finden sich neben wenig differenzierten Behauptungen zur angeblichen Unglaubhaftigkeit des Asylantragstellers rassistische Untertöne.

Details der von ihm geschilderten Flucht gehörten „zum stets wiederkehrenden Repertoire einer Vielzahl afrikanischer Asylbewerber, ohne dass nach der Art der Einlassungen davon ausgegangen werden kann, dass sie die geschilderten Vorfälle wirklich erlebt haben.“ Mehr Wohlwollen schlug Herrn M. auch bei den Verwaltungsgerichten nicht entgegen. Die Durchführung eines Folgeverfahrens wurde vom BAFl im Juli 2002 abgelehnt. Seit Oktober 2002 sitzt er in Leipzig in Abschiebungshaft.

Miguel M. fürchtet, im Fall seiner Abschiebung nach Angola von Regierungsseite inhaftiert und misshandelt zu werden. Er ist den dortigen Behörden als aktives Mitglied der FLEC-FAC bekannt, für die er in Deutschland exilpolitisch tätig war. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in der jüngsten Vergangenheit, zuletzt am 28. November 2002, mehrfach auf die schwierige humanitäre Lage in Angola hingewiesen. UNHCR spricht sich aufgrund fortdauernder Kampfhandlungen in zahlreichen Regionen Angolas ausdrücklich gegen zwangsweise Rückführungen dorthin aus.

Amnesty International hat in urgent actions vom Dezember 2002 und Januar 2003 darauf hingewiesen, dass die angolanische Regierung ihren Militäreinsatz gegen die FLEC beträchtlich intensiviert hat und zahlreiche Berichte über die vorsätzliche und willkürliche Tötung von Zivilisten sowie über willkürliche Festnahmen und Fälle von „Verschwindenlassen“ vorliegen. In der Vergangenheit seien mutmaßliche FLEC-Angehörige in der Haft gefoltert worden.

Nach einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2002 werden „die nachfolgend aufgeführten Personen besonders häufig Opfer von Entführung, Zwangsarbeit, Verstümmelung oder Exekution durch die angolanische Regierung: Personen, die zu Recht oder Unrecht verdächtigt werden, Angehörige oder SympathisantInnen illegaler separatistischer Bewegung zu sein, darunter insbesondere: FLEC, FLEC-FAC, FLEC Renovada und FDC.”

Noch in dieser Woche ist ein erneuter Abschiebeversuch geplant - mit einem durch die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz organisierten Charterflug. Pro Asyl vermutet, dass die Charter-Abschiebung mit einem Kleinflugzeug erfolgen wird und es für das weitere Vorgehen der Begleitbeamten vermutlich keine Zeugen geben wird. Betreuern gegenüber hat Herr M. Suizidabsichten geäußert. Pro Asyl appelliert an das Bundesinnenministerium, angesichts des klar erkennbaren Risikos für Angehörige der FLEC-FAC, die Abschiebung zunächst auszusetzen und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu bitten, vor diesem Hintergrund erneut sorgfältig zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse vorliegen.

Darüber hinaus appelliert PRO ASYL an Bundesinnenministerium und Bundesgrenzschutz, sich an die Maxime der für Luftabschiebungen geltenden Dienstanweisung zu halten. Die sieht vor, Abschiebungen nicht um jeden Preis durchzusetzen.

Am 26-03-2003

Aktionen zum Tag gegen Abschiebungshaft

Unmenschlich

Mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen werden Initiativen bundesweit am kommenden Samstag die Existenz von Abschiebungshaftanstalten und Ausreisezentren anprangern. Der zum zweiten Mal begangene Tag gegen Abschiebungshaft fällt auf ein besonders symbolträchtiges Datum, so die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Am 30. August verschiedener Jahre seien vier Menschen in der Haft beziehungsweise bei der Abschiebung ums Leben gekommen. Vor genau 20 Jahren stürzte sich der 23jährige türkische Asylbewerber Kemal Altun aus dem Fenster des Verwaltungsgerichts in Berlin, wo ein Klageverfahren gegen seine zuvor erfolgte Anerkennung als politisch Verfolgter verhandelt wurde. Altun hatte zuvor 13 Monate in Einzelhaft verbracht, die erst durch ein "Auslieferungsangebot" des Bundeskriminalamtes an den türkischen Staat zustande gekommen war.

Am 30. August 1994 starb der Nigerianer Kola Bankole beim sechsten Abschiebungsversuch in einer Lufthansa-Maschine am Frankfurter Flughafen. Zuvor sei er mit Klebeband und Klettbändern an Händen und Füßen gefesselt worden, "wie eine Wurst verpackt", mit Skisocken und einem Rolladengurt geknebelt, vom Bundesgrenzschutz in das Flugzeug getragen und von einem Arzt mit einer Injektion "ruhiggestellt" worden. Das Verfahren gegen die an der Abschiebung beteiligten BGS-Beamten sei eingestellt worden, lediglich der anwesende Arzt sei zu einer Geldbuße wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt worden.

Am 30. August 1999 starb Rachid Sbaai in einer Arrestzelle der JVA Büren an einer Rauchvergiftung. Er hatte seine Matratze in Brand gesteckt, anschließend aber selbst versucht, sie zu löschen und um Hilfe geschrien. Die per Alarmauslösung herbei gerufene Hilfe habe auf sich warten lassen. Erst 15 Minuten später hätten Beamte den leblosen Sbaai aus seiner Zelle gezogen. In der JVA sei später festgestellt worden, dass der Raum, in dem der Alarm ankam, zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht besetzt gewesen war.

Bei dem Versuch, aus der Abschiebungshaft zu fliehen, stürzte der 28 Jahre alte Mongole Altankhou Dagwasoundel in der Nacht zum 30. August 2000 in den Tod. Der Gefangene aus dem Abschiebegewahrsam Köpenick wurde im Krankenhaus Köpenick stationär behandelt. Dort hätte Dagwasoundel das Bettzeug von mehreren Betten verknotet und verdreht, an der Heizung befestigt und dann versucht, sich aus dem 6. Stock abzuseilen. Das Bettzeug habe seinem Gewicht nicht standgehalten.

Die Toten des 30. August sind keine tragischen Einzelfälle, so Pro Asyl. In den letzten zehn Jahren habe die Antirassistische Initiative Berlin 45 Abschiebungshäftlinge gezählt, die sich angesichts ihrer drohenden Abschiebung töteten oder bei Fluchtversuchen starben und über hundert Selbstverletzungen und Suizidversuche. Die Suizide werfen nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation ein grelles Licht auf die Dimension dessen, was Abschiebungsgefangenen zugemutet werde. Viele verstünden gar nicht, warum sie gefangen gehalten würden. Der alltägliche Skandal der Abschiebungshaft bestehe auch unter einer rot-grünen Bundesregierung unverändert in der Hinnahme einer menschenfeindlichen Praxis. Der tiefe Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen werdeleichtfertig auch für sehr lange Zeiträume angeordnet und nur schlampig überprüft.

Die in Deutschland gesetzliche Hafthöchstdauer dauere mit 18 Monaten so lange wie es in keinem anderen EU-Staat der Fall sei.

Am 29-08-2003

Antirassistische Initiative erstattet Strafanzeige gegen Abschiebe-Richter

Verbotene Knebelung befürwortet

Die Antirassistische Initiative Berlin hat Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen für Haftprüfungen in der Berliner Abschiebehaft zuständigen Richter erstattet. Dessen Sprachgebrauch sei rassistisch. Er greife nicht nur die Menschenwürde der Gefangenen dadurch an, dass er sie verächtlich mache oder verleumde, sondern er befürworte auch, dass Polizeibeamte bei der Abschiebung widerstrebende Gefangene mit verbotenen Zwangsmitteln bedrohten. Die Berliner Zeitung vom 28. Juni 2004 schreibt dem Richter am Amtsgericht Schöneberg, Dietrich Lexer, unter anderem Aussagen über verschiedene Gruppen zu: "Die Mongolen, hat er gehört, lügen aus Spaß, selbst wenn es ihnen weder schadet noch nutzt. Dafür sind sie aber, wie Chinesen und Vietnamesen, höflich. Zentralafrikaner treten eher anmaßend auf. Bei einem Araber kommt man nie zu einem Ergebnis, weil unendlich palavert wird. Zigeunerinnen können auf Knopfdruck hyperventilieren."

Über den Fall einer Nigerianerin, die sich bei ihrer Abschiebung wehrte und deshalb mit einer Charter-Maschine abgeschoben wurde, zitiert ihn das Blatt wörtlich: "Ich finde, man könnte dieser Frau im Linienflugzeug nur mal das Klebeband zeigen." Mundverschließende Maßnahmen wie Klebeband sind allerdings bei Abschiebungen wegen der damit verbundenen Lebensgefahr verboten.

"Vor dem Hintergrund der Erstickungstode von Flüchtlingen in deutschen Flugzeugen bei Abschiebungen könnte dies auch die Aufforderung zu Körperverletzung, Folter oder Tötung beinhalten", kritisiert die Antirassistische Initiative (ARI). "Es ist offensichtlich, dass er aufgrund seiner Einstellung gegen zahlreiche Bevölkerungsgruppen befangen ist - was er als Richter nicht sein darf." Eine besonders gefährliche Gewichtung erhielten seine Äußerungen durch sein hohes Amt und seine Funktion, so die ARI. Was Lexer der Berliner Zeitung gesagt habe, strotze vor rassistischen Stereotypen und Menschenverachtung.

Am 06-07-2004

UN-Flüchtlingskommissar gegen Abschiebungen in Tsunami-Gebiete

Innenminister wollen weiter abschieben

Trotz der Naturkatastrophe in Südasien sollen weiterhin Menschen nach Sri Lanka abgeschoben werden. Das berichten die Flüchtlingsvereine "Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" und "Pro Asyl". In Schleswig-Holstein sei ein Fall bekannt geworden, in der eine Familie am Donnerstag nach Sri Lanka ausgeflogen werden sollte. Erst Proteste hätten dies verhindert, berichtet Fanny Dethloff von der Bundesarbeitsgemeinschaft. Die Familie lebe seit 1995 in Deutschland und habe ein dreijähriges Kind, das ohne Impfungen in das asiatische Land ausgewiesen werden sollte. Das sei "moralisch, politisch und ethisch absolut katastrophal", so Dethloff. Noch während Nothilfe für die Flutüberlebenden organisiert würde, würden Menschen abgeschoben. "Nicht hinnehmbar" nennen die Vereine in einem Schreiben die Situation. Sie fordern einen sofortigen Stopp von Abschiebungen in die Tsunami-Gebiete. In Kanada beispielsweise seien derzeit Abschiebungen verschoben worden. Auch das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) rief am Dienstag dazu auf, für einen Zeitraum von zunächst drei Monaten keine Abschiebungen in die von der Tsunami-Flutkatastrophe betroffenen Staaten bzw. Gebiete durchzuführen.

"Zynismus" nennen die Organisationen die Auslieferungen. Denn Sri Lanka sei nicht nur von den Zerstörungen der Flut betroffen, sondern auch von Konflikten zwischen der tamilischen Guerilla im Norden des Landes und der Armee der Regierung im Süden. Die Hoffnung, durch die Naturkatastrophe könnte sich der innenpolitische Machtkonflikt entspannen, ist brüchig.

Trotz des Bürgerkriegs würden die Abschiebungen nur in Einzelfällen ausfallen, sagt Dethloff. Die deutschen Innenministerien der Länder hätten besprochen, die Abschiebungen vorerst nicht zu verschieben. In den Innenministerien werde davon ausgegangen, dass die Flüchtlinge "woanders hingehen" könnten als in die zerstörten oder umkämpften Gebiete, meint Dethloff. Zum anderen rechtfertigten sie sich dass für Sri Lanka weiterhin Werbung für den Tourismus gemacht werde und Touristen sogar sicher seien.

Sri Lanka ist nach Indonesien am stärksten von der Flutwelle betroffen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats verloren mehr als 835.000 Menschen in Sri Lanka ihre Wohnungen. 750 Lager versorgen die entwurzelten Menschen. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge lebe in den umkämpften Tamilengebieten, berichten die deutschen Flüchtlingsorganisationen. Dabei seien nur die Menschen statistisch erfasst, die durch die Flutkatastrophe obdachlos wurden. Nicht erfasst seien diejenigen, die in den vergangenen Jahren in Folge des Bürgerkriegs zu Binnenflüchtlingen wurden.

In einem Schreiben an die Ständigen Vertretungen der UN-Mitgliedsstaaten in Genf empfahl UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers, für drei Monate niemanden in die vom Tsunami betroffenen Gebiete abzuschieben. Das Ausmaß der Zerstörungen durch die Flutkatastrophe erfordere enorme Anstrengungen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen und die Grundversorgung der betroffenen Bevölkerungen sicherzustellen.

Nach Auffassung von UNHCR würden Abschiebungen vor diesem Hintergrund eine zusätzliche Erschwernis für die in Mitleidenschaft gezogene örtliche Bevölkerung darstellen, zudem die wenigen vorhandenen Ressourcen weiter belasten und die ohnehin schwierige Arbeit humanitärer Organisationen weiter komplizieren.

Die Empfehlung für einen zunächst dreimonatigen Abschiebestopp gilt für Sri Lanka, Somalia und die Malediven sowie für die indonesische Provinz Aceh und die von der Flutkatastrophe betroffenen indischen Regionen Tamil Nadu, Kerala, Pondicherry, Andhra Pradesh sowie die Inselgruppe der Andamanen und Nikobaren.

Am 11-01-2005

Abschiebung Afghanistan

Menschenrechtler sprechen von Wettbewerb um gnadenloseste Abschiebungspraxis

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wirft den Bundesländern vor, um die "gnadenloseste Abschiebungspraxis" zu wetteifern. Nachdem Hamburg mit Abschiebungen nach Afghanistan begonnen habe, nehme das Hessische Innenministerium in einem Erlass vom 17. Mai bereits die Abschiebung von alleinstehenden Frauen in den Blick, kritisierte Pro Asyl. Diese hätten aber in der afghanischen Gesellschaft kaum Rechte. So könnten sie leicht wegen "Unzucht" Probleme mit dem Gesetz bekommen. Dieser Strafbestand sei beispielsweise erfüllt, wenn eine Frau auf der Straße mit einem Mann spricht, der nicht der Ehemann ist.

Rentnerabschiebung

Eine andere Prozedur habe sich zwar später als Redaktionsversehen im hessischen Innenministerium erwiesen, zeige aber die Mentalität, mit der dort gedacht werde, so Pro Asyl. So habe es Pläne gegeben, Menschen nicht mehr nach Afghanistan abzuschieben, die älter als 71 Jahre sind. Diese "Rentnerabschiebungsregelung" von Menschen bis zum 71. Lebensjahr zeige ein Denken, mit dem "zwischen Gedankenlosigkeit und Vorsatz die Existenzvernichtung von Menschen" geplant werde. Der Planungshorizont sei damit die brutalstmögliche Variante, schrieb die Menschenrechtsorganisation. Was die Rentner angehe, plane Hessen nur über 65 Jährige vor der Abschiebung zu schützen, wenn sie keinen Anspruch auf Sozialhilfe hätten.

Pro Asyl: Nicht einmal rudimentäre Strukturen der Existenzsicherung

Die Abschiebung alter Menschen, die keine Familie in Afghanistan haben, "in ein Land, in dem nicht einmal rudimentäre Strukturen der Existenzsicherung vorhanden sind", könne im Ernstfall eine Art Todesurteil darstellen, so Pro Asyl. Entsprechende Planungen stünden in eklatantem Widerspruch zu Berichten von Menschenrechtsorganisationen und dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes. Dieser spreche von einer Lebenserwartung der afghanischen Bevölkerung von etwa 45 Jahren.

Rechtsanwalt Victor Pfaff: "Undenkbar, dass eine alleinstehende Frau Wohnraum mietet" Die Idee, über kurz oder lang alleinstehende Frauen nach Afghanistan abschieben zu wollen, beurteilte der Frankfurter Rechtsanwalt Victor Pfaff kritisch. Er ist Mitglied von Pro Asyl und hat sich vor einigen Wochen in Afghanistan auch über die Lage der Frauen informiert: "Hat eine Frau keinen familiären Rückhalt oder ist sie von ihrer Familie fallen gelassen worden, dann ist sie Freiwild - trotz ihrer formalen Gleichstellung durch die Verfassung. Es ist undenkbar, dass sich eine alleinstehende Frau - mit oder ohne Kinder - Wohnraum mietet, auch wenn sie Geld hätte." Eine Witwe zum Beispiel könne nicht alleine leben. Wer sich nicht in die patriarchalische Gesellschaft Afghanistans einordnen wolle oder könne, laufe Gefahr, Gewalttätigkeit und Willkür ausgesetzt zu sein. Diese Gefahr drohe nicht nur von einzelnen Fanatikern, sondern auch von Seiten des Staates. Von 16 Frauen, die sich im April in der Kabuler Übergangshaftanstalt befunden hätten, seien allein 14 der Unzucht beschuldigt.

Umgehung der internationalen Standards

Pro Asyl verwies auf Verhandlungen zwischen einer afghanischen Regierungsdelegation und dem Bundesinnenministerium im Februar 2005 in Kabul. Die Menschenrechtsorganisation sprach in diesem Zusammenhang von einem "Versuch einer Durchsetzung deutscher Interessen im Kolonialstil". So habe das Bundesinnenministerium gegegenüber den Länderministerien verlautbart: "Die afghanische Delegation erklärte weiterhin, dass sie einseitig von Deutschland vorgenommene Rückführungsmaßnahmen hinnehmen werde." Warum es nicht zum Abschluss eines formellen Rückübernahmeabkommens gekommen ist, stehe zwar nicht im Erlass, sei aber bekannt. Die deutsche Seite habe anders als andere Staaten kein Dreiparteienabkommen unter Beteiligung des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) gewollt. In einem solchen Abkommen hätten auch die internationalen Kriterien eine Rolle spielen müssen. Nach denen hätten sich die Innenministerien dann mit "Freiwilligkeit" und einer "Rückkehr in Würde" auseinandersetzen müssen. Deutsche Abschiebungspolitik aber bedeute, "solche Maßstäbe und die sie vertretenden Institutionen möglichst zu umgehen", so die Menschenrechtler.

Massenelend und hunderttausend Gestrandete

Pro Asyl unterstrich die Auffassung, dass Abschiebungen nach Afghanistan vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage und des Massenelendes unverantwortlich seien. Bereits hunderttausende Afghanen seien am Rand der afghanischen Städte gestrandet. Afghanistan sei nach 23 Jahren Krieg mit fast unlösbaren Problemen konfrontiert. Pro Asyl betonte: "Afghanistan braucht weiter deutsche Unterstützung." Dazu gehöre es auch, dass man das Land nicht auch noch mit einem weiteren Probleme belaste: "der unmöglichen Versorgung von Landsleuten, die deutsche Innenminister systematisch aus Deutschland vertreiben wollen."

Am 07-06-2005

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