Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), sagte voraus, die ostdeutsche Wirtschaft werde im laufenden Jahr mit 0,5 Prozent wieder langsamer wachsen als der Westen. Dennoch sei es "eine Region mit Zukunftschancen", denn die ostdeutsche Industrie bleibe "weiterhin auf einem robusten Wachstumspfad". Allerdings sei der Industriebereich noch vergleichsweise klein. Problematisch werteten die Wissenschaftler auch, dass wegen der Abwanderung junger Menschen "in absehbarer Zeit" ein Fachkräfteproblem drohe.
Zur Beseitigung der Standortschwächen schlagen die Ökonomen einen weiteren Ausbau vor allem der Verkehrsinfrastruktur vor. Ebenso sollten die Löhne stärker differenziert werden. Ostdeutschland liege in seiner Wirtschaftskraft auf dem Niveau von Portugal oder Griechenland, in einigen Regionen aber "durchaus höher". Eine Angleichung an westdeutsches Lohnniveau dürfe deshalb ebenso wenig Leitlinie sein wie eine Umsetzung des geplanten Tariftreuegesetzes.
Größere Zentren sollten sich auf die Förderung personalintensiver Industrien und Dienstleistungen konzentrieren und sich so zu "Wachstumspolen" weiterentwickeln, hieß es weiter. Ländliche Regionen sollten hingegen auf "flächenintensive Produktionen" wie Landwirtschaft und Tourismus setzen. Nötig sei zudem eine hohe Qualifizierung über Schulen und betriebliche Ausbildung und der Abbau hemmender Regulierungen wie der Handwerksordnung, sagte Ragnitz. Er mahnte zur Geduld. Der Aufbau Ost werde sicher noch einen "Zeitraum von einer Generation" dauern.
Eichel betonte, die neuen Länder hätten unter der Anpassungskrise der Bauwirtschaft zu leiden. Diese sei vor allem Folge der "undifferenziert gewährten steuerlichen Vergünstigungen" der 90er Jahre.
Stoiber hielt dem entgegen, unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei der "Aufbau Ost zum Abbau Ost geworden". Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) beklagte, besonders beim Straßenbau hinke der Osten den alten Bundesländern hinterher. Zudem habe Rot-Grün die "Wirtschaftsförderung zu sehr zurückgefahren". CDU-Ostexperte Günther Nooke kritisierte, die Bundesregierung habe geglaubt, dass sich viele Probleme durch die Abwanderung junger Menschen und niedrige Geburtenzahlen von selbst lösten.