Es ist der erste Jahresbericht, den der vzbv veröffentlicht. Der Dachverband der deutschen Verbraucherorganisationen war Ende 2000 fast zeitgleich mit dem neuen Bundesverbraucherministerium gegründet worden. "Eineinhalb Jahre später haben wir uns als ernstzunehmende Kraft der Verbraucher in Berlin etabliert," so Edda Müller. Mit der Agrarwende, einer deutlich verschärften Lebensmittelüberwachung und neuen Instrumenten beim gesundheitlichen Verbraucherschutz habe Deutschland in der Zwischenzeit die richtigen Lehren aus der BSE-Krise gezogen. Bundesverbraucherministerin Künast habe unter Beweis gestellt, dass mit der alten Klientelpolitik in der Agrarpolitik Schluss ist. "Die Bundesregierung hat seit der Gründung des Künast-Ministeriums aber zu wenig getan, um zu zeigen: Verbraucherschutz hat mit Eigenheimbau, Gewinnspielen und Strompreisen mindestens genauso viel zu tun wie mit Hühnereiern, Nitrofen und dem Euro," so Müller. Es sei bedauerlich, dass Bundesverbraucherministerin Künast den Neubeginn nicht genutzt habe, ein geschlossenes verbraucherpolitisches Programm vorzulegen.
Das Fehlen einer konsistenten verbraucherpolitischen Programmatik für die nächste Legislaturperiode zeigt sich auch in den Wahlprogrammen der politischen Parteien. Eine vom vzbv durchgeführte Analyse der Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Bündnisgrünen, FDP und PDS offenbart teilweise deutliche programmatische Schwächen. "Vor allem SPD und FDP tun sich offenkundig schwer damit, ihre verbraucherpolitischen Vorstellungen nicht nur tagespolitisch zu begründen," sagte Müller. "Hier ist mehr Einsicht erforderlich, wie wichtig Verbraucherpolitik für den Standort Deutschland ist." Nur wer ein klares Bild vom Verbraucher in der Marktwirtschaft habe, könne auch eine überzeugende Verbraucherpolitik betreiben.
Der vzbv legt nach seinen verbraucherpolitischen Wahlprüfsteinen am Donnerstag Leitlinien für eine verbraucherpolitische Programmatik für die nächste Legislaturperiode vor. Dabei wären folgende Eckpunkte von zentraler Bedeutung: Eine Aufwertung der Verbraucherpolitik soll erreicht werden durch mehr Kompetenzen für das Bundesverbraucherministerium, durch eine Finanzierung der unabhängigen Verbraucherverbände durch eine Stiftung sowie durch die dauerhafte Sicherung der Verbraucherpolitik und Verbraucheraufklärung.
Der Markt und der Wettbewerb sollen dem Verbraucher eine Chance geben und das Wettbewerbsrecht umfassend reformiert werden. Dazu gehöre auch, den Strom- und Gasmarkt für neue Anbieter und echten Wettbewerb zu öffnen.
Weiterhin schlägt der vzbv eine Ausweitung der Informationsrechte für den Verbraucher vor. Deshalb soll das im Bundesrat gescheiterte Verbraucherinformationsgesetz wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung.
Außerdem soll Prävention belohnt, Unrechtsgewinne abgeschöpft und eine Lockerung bei Arzneimittelzulassung verhindert werden. Wer Verbraucher durch irreführende Werbung, falsche Beratung oder ärztliche Behandlungsfehler schädigt, müsse für die Schäden in die Pflicht genommen werden. Solch ein Verursacherprinzip soll durchgesetzt werden.
Abschließend nennt der vzbv die Förderung eines nachhaltigen Konsums: Umweltgerechte, sozialverträgliche Produkte sollen deutlich gekennzeichnet und neue Märkte geöffnet werden.
Die Bedeutung von Verbraucherthemen würde künftig noch weiter zunehmen. "Wenn immer neue Märkte liberalisiert werden, wenn fast alle Parteien bei der sozialen Sicherung auf mehr Eigenverantwortung setzen, dann wird dies nur mit gut informierten Verbrauchern funktionieren können, die ihre Rechte genau kennen und wirksam durchsetzen," so Müller. "Früher kam der Strom aus der Steckdose - heute hat der Konsument die Wahl zwischen Dutzenden Anbietern und noch mehr Tarifen." Auch bei der Riester-Rente gebe es einen immensen Beratungsbedarf. "Die Angebote der Finanzdienstleister sind intransparent und nicht miteinander vergleichbar." Die unklaren Kostenstrukturen vieler Angebote gefährden die positiven Ansätze der Riester-Rente.
Müller warnte die Parteien davor, Verbraucherpolitik nach der Bundestagswahl als "weiches Thema" wieder in die zweite Reihe zurückzustufen. "Die Politik wird sich ebenso wie die Unternehmen darauf einstellen müssen, dass wir als neuer Dachverband der deutschen Verbraucherorganisationen unbequem und hartnäckig sein werden."