Bei der Trauerfeier und dem anschließenden ökumenischen Gottesdienst spielten sich ergreifende Szenen ab. Mehrere Redner kämpften mit den Tränen, die Schüler und Lehrer des Gutenberg-Gymnasiums dokumentierten ihre Zusammengehörigkeit mit einem Anstecker an ihrer Kleidung. Eine Schülerin nahm mit einer kurzen Ansprache stellvertretend für die rund 700 Gymnasiasten Abschied von den Toten.
Der Bundespräsident forderte zu mehr Aufmerksamkeit für den Mitmenschen auf. "Wir müssen einander achten und wir müssen aufeinander achten", sagte er. Zugleich wandte Rau sich dagegen, die Schuld für die Bluttat allein bei den Medien zu suchen. Die Selbstkontrolle der Medien sei wichtig, die eigene Selbstkontrolle noch wichtiger. "Wir müssen uns gegen die Verrohung der Gesellschaft wehren. Dieser Kampf muss bei uns beginnen", betonte das Staatsoberhaupt. Jeder Mensch sei beeinflussbar, vor allem Kinder. Dennoch gebe es keinen Automatismus von Ursache und Wirkung. Es gebe auch eine letzte Verantwortung für das eigene Tun.
Oberbürgermeister Manfred Ruge (CDU) sagte, die Erfurter müssten nun intensiver als andere diskutieren und überlegen, wo die Gesellschaft Fehler gemacht oder versagt habe. Nachzudenken sei über den Umgang mit Schwachen und Schwierigen, über den Stellenwert von Menschlichkeit, Familie und Toleranz, aber auch Autorität.
Die Gutenberg-Schülerin, die namentlich nicht genannt werden wollte, sagte: "In unseren Herzen ist eine Leere eingetreten und wir sind erfüllt von tiefer Trauer um die Opfer des vergangenen Freitags." Die Getöteten seien nicht nur Lehrer, sondern auch Vertraute und Freunde gewesen. "Wir werden sie bis in Ewigkeit in unseren Herzen tragen", sagte sie.
Zu der Trauerfeier waren auch zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft angereist. Unter anderem nahmen neben Rau Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (beide SPD), mehrere Ministerpräsidenten und Bundesminister teil. Trauerfeier und Gottesdienst wurden von mehreren Fernsehsendern live übertragen.
Im Anschluss an den Gottesdienst sollten die ersten der 16 Opfer im Kreis ihrer Familien beigesetzt werden.
Die Bluttat am Gutenberg-Gymnasium hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Robert Steinhäuser, der wegen des Fälschens von Gesundheitsattesten der Schule verwiesen worden war, tötete mit gezielten Schüssen aus einer Pistole acht Lehrerinnen und vier Lehrer, eine 14 Jahre alte Schülerin, einen 15 Jahre alten Schüler, eine Schulsekretärin und einen Polizisten. Nach der Tat erschoss sich der 19-jährige Täter selbst. Er war Sportschütze. Der Amoklauf löste eine Debatte über das Waffenrecht in Deutschland und Gewaltdarstellungen in den Medien aus.