Seit Anfang 2002 kamen nach den Angaben der Organisation bereits acht Journalisten in Ausübung ihres Berufes ums Leben. 116 Journalistinnen und Journalisten seien zurzeit inhaftiert, Nepal mit 27 Gefangenen "das größte Gefängnis für Medienvertreter". In Birma und im Iran säßen mindestens 16 bzw. 12 Journalisten hinter Gittern.
Einem Drittel der Weltbevölkerung werde das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf ungehinderten Zugang zu Informationen verweigert. In Ländern wie China, Kuba, Laos, Nordkorea und Vietnam diktierten die jeweiligen Parteien, was gedruckt, gesendet oder ins Netz gestellt wird. Aber auch in Staaten mit nicht kommunistischen Einparteien-Systemen wie Syrien und Irak oder in Diktaturen wie Birma, Tunesien und Saudi-Arabien kontrollierten Regierungen die Beschaffung und Verbreitung von Information.
Die Mehrzahl der Länder der Welt habe zwar internationale Abkommen unterzeichnet, die Meinungs- und Informationsfreiheit garantieren; auch die Pressefreiheit ist in ihren Verfassungen verankert. Doch sei dies im Jahr 2001 oft nur ein leeres Versprechen geblieben.
Seit Beginn der zweiten Intifada Ende 2000 habe sich die Lage in den von Israel besetzten Gebieten verschärft. Allein im Jahr 2001 seien acht Reporter durch Soldaten der israelischen Armee verletzt worden. "Auch im Fall des französischen Journalisten, der von einem israelischen Soldaten gezielt angeschossen wurde, bestreiten die israelischen Behörden ihre Verantwortung", kritisiert Reporter ohne Grenzen. Palästinensische und ausländische Journalisten seien Schikanen und Übergriffen der palästinensischen Autonomiebehörde ausgesetzt gewesen. Wiederholt habe sie Zeitungen verboten und Radiostationen kurzfristig schließen lassen. Verhaftungen und Verhöre hätten ein Klima von Einschüchterung und Selbstzensur geschaffen.
Der Tod von acht Journalistinnen und Journalisten im November in Afghanistan fachte erneut die Diskussion über Risiken der Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten an. Der Schutz von Journalisten wurde endlich zu einem wichtigen Thema für die Medien.
Auch die Europäische Union war kein sicherer Ort für Journalisten. Zwei Reporter wurden von militanten Gruppen in Spanien und Nordirland ermordet. In Italien, wo Premierminister Silvio Berlusconi die Mehrheit der Medien kontrolliert, wurde bei Demonstrationen gegen den G-8 Gipfel in Genua ein Mensch getötet und zahlreiche weitere Menschen verletzt, darunter 19 Journalisten. Zunehmende Medienkonzentration und politischer Druck auf Medienschaffende, z.B. in Österreich, bedrohten die Informationsvielfalt.
Seit dem 11. September sieht Reporter ohne Grenzen wachsende Bedrohungen für die Informationsfreiheit, die mit dem "Kampf gegen Terrorismus" in vielen Ländern gerechtfertigt werden. Nach der Ausrufung des Ausnahmezustandes in Nepal Ende November habe die Polizei mehr als 100 Journalisten wegen "Terrorismusverdachts" vorübergehend festgenommen, drei von ihnen seien gefoltert worden. Derzeit seien noch 27 in Haft. Die in Kanada und den USA ergriffenen Maßnahmen gefährdeten den Quellenschutz und ermöglichten eine stärkere Überwachung des Internets und der E-Mail-Kommunikation sowie Einschränkungen beim Zugang zu Informationen.
Als großes Problem bezeichnet Reporter ohne Grenzen die häufige Straflosigkeit der Täter. In Kolumbien seien 95% der gewalttätigen Übergriffe auf Journalisten immer noch ungeahndet. Drei Journalisten wurden 2001 in Ausübung ihres Berufes getötet, bisher wurde keiner der Täter ermittelt. In der Ukraine nahm die Untersuchung zur Ermordung von Georgij Gongadse in 2001 absurde Züge an, als die Staatsanwaltschaft im Mai überraschend bekannt gab, der Fall sei aufgeklärt: Gongadse sei von gewöhnlichen Kriminellen ermordet worden. Die Täter selbst seien von ihrem Bandenchef anschließend getötet worden; die "Mörder der Mörder" jedoch seien gefasst. Reporter ohne Grenzen fordert nach wie vor die Entsendung einer internationalen und unabhängigen Kommission, die die Rolle der Behörden bei der Aufklärung des Falles und Beschuldigungen gegen Staatspräsident Kutschma untersucht.
Doch es gab nach Einschätzung der Organisation auch Fortschritte und positive Entwicklungen, wenn auch mit Einschränkungen. Zwei jahrelang inhaftierte Journalisten, Symbolenfiguren gegen die Repression, kamen in 2001 frei. Der syrische Journalist Nizar Nayyuf wurde im Mai nach neun Jahren Gefängnis und Folter entlassen. Seitdem versuchten die syrischen Behörden vergeblich, dem inzwischen im Ausland lebenden Nayyuf den Mund zu verbieten, indem sie seine Familie in Syrien unter Druck setzten. Im Juli kam die Journalistin San San Nweh nach sieben Jahren im birmesischen Kerker frei. In Birma befinden sich immer noch 16 Kolleginnen und Kollegen in Haft.
"Der Sturz des Taliban-Regimes kann als positives Zeichen für die Zukunft der Pressefreiheit in Afghanistan gewertet werden", wird die Entwicklung nach dem Krieg bewertet. "Es bleibt abzuwarten, ob die neue Regierung dort das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information achtet."
Äthiopien, früher bekannt als das größte Gefängnis für Journalisten in Afrika, entließ in 2001 fast alle inhaftierten Reporter. Der letzte, Tamrat Zuma, konnte im März 2002 gegen Zahlung einer Kaution das Gefängnis verlassen.
Journalisten in Tunesien umgingen die absolute Kontrolle des Polizeistaats, indem sie der tunesischen Bevölkerung ihre kritischen Berichte mittels des arabischen Fernsehsenders Al-Mustakillah mit Sitz in London übermittelten. Die Sendung ist in Tunesien sehr populär.
Der rund 700-seitige Jahresbericht ("Report 2002" in Englisch oder Französisch) kann von Reporter ohne Grenzen gegen einen Unkostenbeitrag von 14 Euro angefordert werden oder mit Aktualisierungen auf der Website der internationalen Organisation abgerufen werden. Auch die aktuelle Liste der weltweit schärfsten Widersacher der Pressefreiheit ist dort verfügbar.