ai-China-Experte Pleiter warf der Bundesregierung eine "Politik der Leisetreterei" vor. Statt lediglich auf einen Dialog weitgehend hinter verschlossenen Türen zu setzen, müssten Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nun "offen und öffentlich" Kritik an der Situation in China üben. Der chinesischen Führung müsse deutlich gemacht werden, dass die Bekämpfung des Terrors keine Entschuldigung oder gar Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen sein darf.
Im vergangenen Jahr habe insbesondere die Verfolgung aus religiösen Gründen zugenommen, sagte Pleiter. Rund 200 Anhänger der spirituellen Bewegung Falun-Gong seien an den Folgen der Folter gestorben. Nach den Anschlägen vom 11. September in den USA verschärften die chinesischen Behörden Pleiter zufolge aber auch die Restriktionen gegen die überwiegend überwiegend muslimische Bevölkerung in der autonomen uigurischen Region Xinjiang. Dabei sei es zu einer Welle von Hinrichtungen an vermeintlichen "Separatisten" und "Terroristen" gekommen.
Weiter habe 2001 die Zahl der verhängten und vollsteckten Todesstrafen im gesamten Land "dramatisch zugenommen", sagte Pleiter. Allein im Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni 2001 seien im Zuge einer so genannten "Anti-Kriminalitäts-Kampagne" 2960 Todesurteile verhängt und mindestens 1781 vollstreckt worden. Damit sei es zu mehr Hinrichtungen gekommen als in den vergangenen drei Jahren in allen übrigen Ländern zusammen, unterstrich Pleiter.
Stellvertretend für eine Vielzahl von Fällen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker daher beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen Jiang Zemin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in vier Fällen sowie gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung in drei Fällen gestellt. "Wir erwarten, dass der Generalbundesanwalt unsere Anzeige ernst nimmt", sagte Zülch.
Die Anti-Folterkonvention sei ein zwischenstaatliches Abkommen. Verstöße seien in Deutschland unabhängig von der Staatsangehörigkeit von Opfern und Tätern nach deutschem Strafrecht zu ahnden, betonte Zülch.
Auch Reporter ohne Grenzen forderte von Bundeskanzler Gerhard Schröder stärkeres Engagement für die Menschenrechte in China. "Die gravierende Einschränkung der Medienfreiheit in China und die Lage der inhaftierten Journalisten darf während des Staatsbesuchs des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin nicht unter den Tisch fallen. Das Recht auf freie Berichterstattung und Meinungsäußerung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine demokratische Entwicklung" erklärte Elke Schäfter, Vertreterin der internationalen Menschenrechtsorganisation für die Pressefreiheit, in Berlin.