Flüchtlingsrats-Sprecher Seyit Gül ist empört: "Hakkan Temel wurde abgeschoben und gefoltert, weil die deutschen Behörden ihm zu Unrecht Asyl verweigerten. Nun soll er die Kosten für die Abschiebung in den Folterkeller selbst bezahlen! Soll das Folteropfer vielleicht auch noch für die Kosten seiner Folterer aufkommen?"
Hakkan Temel hatte vor seiner Abschiebung erfolglos in Deutschland Asyl gesucht. In seinem Asylverfahren hatte er u.a. angegeben, dass seine in der Türkei lebenden Familienangehörigen wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten in Untersuchungshaft genommen und gefoltert worden seien. Er fürchte im Fall einer Abschiebung um sein Leben. Dennoch wurde Hakkan Temel am 14.08.2000 vom Lahn-Dill-Kreis in die Türkei abgeschoben.
Unmittelbar nach der Ankunft wurde er auf dem Flughafen Istanbul von türkischen Sicherheitskräften festgenommen und der Anti-Terror-Abteilung überstellt, wo er verhört und gefoltert wurde. Die Sicherheitskräfte hielten ihm Mitgliedschaft in der PKK vor. Sie verfügten dabei über detaillierte Informationen zu Temels politischen Aktivitäten in Deutschland.
Zu befürchten ist, dass die türkischen Sicherheitskräfte über das so genannte deutsch-türkische Konsultationsverfahren die Informationen erhielten, die sie Temel nach seiner Abschiebung im Verhör vorhielten.
Anders ist für uns nicht erklärbar, wie Einzelheiten aus dem deutschen Asylverfahren an die türkischen Verfolgungsbehörden gelangen konnten. Die Zentrale Ausländerstelle des LK Gießen bestätigte zunächst, dass im Fall Temel das Konsultationsverfahren am 20.02.1998 durchgeführt wurde. Später wurde dies jedoch vom Hessischen Innenministerium dementiert.
Im Herbst 2000 gelang Hakkan Temel die erneute Flucht nach Deutschland. Am 29.11.2001 wurde er als Flüchtling anerkannt. Das Bundesamt hielt es für glaubhaft, dass Temel nach seiner Abschiebung im August 2000 von türkischen Sicherheitskräften festgenommen, verhört und gefoltert wurde. Der Niedersächsische Flüchtlingsrat und PRO ASYL fordern den Landkreis Lahn-Dill-Kreis auf, Hakkan Temel die ihm zustehende Aufenthaltsbefugnis auszustellen und den Kostenbescheid zurückzunehmen. Des weiteren erhoffen sich die Organisationen einen zukünftig sensibleren Umgang mit (potenziellen) Folteropfern.
Anwalt sieht Mitverantwortung der rot-grünen Bundesregierung wegen Folter
"Vier Jahre Haft und Folter"
Der Rechtsanwalt des aus Bremen stammenden und seit vier Jahren in Guantanamo festgehaltenen Murat Kurnaz, Bernhard Docke, schließt straf- und zivilrechtliche Schritte seines Mandanten gegen Politiker der früheren rot-grünen Bundesregierung nicht aus. Das berichtet die "Berliner Zeitung". Der Anwalt reagierte damit auf Berichte, wonach das Bundeskanzleramt 2002 ein Angebot der US-Behörden abgelehnt haben soll, den im US-Gefangenencamp Guantanamo festgehaltenen Kurnaz an Deutschland auszuliefern. "Wenn das stimmt, dann gibt es eine ganz direkte deutsche Mitverantwortung für mehr als vier Jahre Haft und Folter", sagte Docke der Zeitung.
Der Grünen-Politiker Christian Ströbele sprach sich für eine "genaue Aufklärung" des Vorganges aus. Es sei möglich, dass es 2002 "ernstzunehmende juristische Gründe" für die rot-grüne Bundesregierung gegeben habe, sich gegen eine Abschiebung von Kurnaz nach Deutschland auszusprechen.
Der in Bremen aufgewachsene Türke Kurnaz war im Oktober 2001 nach Pakistan gereist und dort später als angeblicher Taliban-Kämpfer festgenommen worden. Seit Anfang 2002 wird er in Guantanamo festgehalten. Am 28. Mär. 2006