"Im Wahljahr ist dem Kanzler die Gunst der Industriechefs wichtiger als die Interessen der Verbraucher", sagt Greenpeace-Sprecher Stefan Krug. "Sinnvolle Gesetze werden so weit beschnitten, dass sie die Industrie zu möglichst wenig verpflichten. Es ist gut, dass Verbraucher künftig Produktnamen und Hersteller von belasteten Lebensmitteln erfahren. Aber das muss auch für giftbelastete Textilien oder umweltschädliche Elektronikgeräte gelten." Schröder solle sich entschieden auf die Seite der Verbraucher stellen, statt seine ruhige Hand schützend über die schwarzen Schafe in der Industrie zu halten.
Der Kompromiss-Entwurf, über den das Kabinett nächsten Mittwoch abstimmen soll, wird immerhin den staatlichen Lebensmittelkontrolleuren ein wichtiges Recht geben: Sie können von ihnen aufgedeckte Verstöße gegen das Lebensmittelrecht schnell und vor allen Dingen unter Nennung von Produktnamen und Hersteller öffentlich machen. Das sind auch zentrale Forderungen von Greenpeace.
"Das stärkt zumindest die Verbraucherinteressen gegenüber der mächtigen Ernährungsindustrie", so Krug. "Nur wenn der Verbraucher schnell erfährt, welcher Kochschinken gepanscht und welcher Honig mit Antibiotika belastet ist, kann er die Produkte meiden." Bisher werden solche Verstöße entweder gar nicht bekannt oder erst dann öffentlich, wenn die Behörden Monate später ihre Jahresberichte veröffentlichen. Die Namen der verantwortlichen Hersteller dürfen nicht einmal dann genannt werden.
Bereits im letzten Sommer präsentierte Greenpeace einen eigenen Entwurf eines VIG und wies damit den Weg zu mehr Transparenz zwischen Industrie und Verbrauchern.
"Greenpeace wird beobachten, ob der Bundeskanzler auch bei anderen Verbraucherthemen einen Rückzieher macht", erklärt Stefan Krug. "Demnächst kann die Regierung bei der Diskussion über die europäische Chemikalienpolitik beweisen, ob sie die Verbraucher besser vor gefährlichen Stoffen schützen will und dafür die Industrie in die Pflicht nimmt."