Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, mahnt die Deutschen zu Geduld und Beharrlichkeit bei der Verwirklichung der deutschen Einheit. Vieles befinde sich noch immer in "Geburtswehen", sagte Lehmann. Die Heilung der inneren Wunden brauche länger als erwartet. "Dies haben wir alle unterschätzt", fügte Lehmann hinzu.
An dem Gottesdienst nahmen auch Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (beide SPD), Polens Staatspräsident Aleksander Kwasniewski sowie zahlreiche Minister, Landespolitiker, Parteivorsitzende und Diplomaten teil.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ruft am Tag der Deutschen Einheit zu verstärktem Einsatz für Toleranz und Sicherheit auf. Der elfte Jahrestag der Wiedervereinigung sei ein "großes historisches Glück" und Anlass, zu feiern, sagte Thierse am Mittwoch im DeutschlandRadio Berlin. Daraus entstehe aber auch die Verantwortung, für inneren Frieden, Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Ausgleich einzutreten.
Mit Blick auf Deutschland mahnte Thierse, dass der Abstand zwischen Ost und West immer noch erheblich sei. Deshalb müsse es eine zweite große Anstrengung zugunsten Ostdeutschlands geben. Deutlicher noch als in anderen Bereichen seien die neuen Länder in Wissenschaft und Bildung zurück. "Ostdeutschland muss eine Forschungs- und Bildungsregion werden, damit es überhaupt eine gleichberechtigte Chance in Deutschland und Europa hat", betonte Thierse.
Bei der Herstellung der inneren Einheit Deutschlands ist nach Ansicht von Ex-CDU-Chef Wolfgang Schäuble "das Schwierigste geschafft". Schäuble räumte am Mittwoch im "FAZ-Businessradio" aber zugleich ein, dass er sich die Verwirklichung der Einheit "nicht so schwierig im Detail" vorgestellt habe. "Das haben wir vielleicht unterschätzt", sagte der frühere Bundesinnenminister, der wesentlich an der Ausarbeitung der Einigungsverträge beteiligt war. Der zentrale Festakt zum Tag der Deutschen Einheit fand um 12.00 Uhr in der Mainzer Rheingoldhalle statt.
Der Tag der Deutschen Einheit wird auch für immer mehr Türken zum Feiertag. Nach der Reform des Staatbürgerschaftsrechts begingen viele türkische Zuwanderer diesen Feiertag zum ersten Mal als deutsche Staatsbürger, betonte am Mittwoch der Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen. Der Wissenschaftler kritisierte zugleich, dass die doppelte
Staatsbürgerschaft nach wie vor kein Regelfall ist.
Sen sagte: "Auch wenn die Einbürgerungszahlen nicht ganz den Erwartungen entsprechen, so wird die Zahl der Eingebürgerten in den kommenden Jahren doch stetig steigen." Momentan könne man von über 470.000 deutschen Staatsbürgern türkischer Herkunft ausgehen. Allerdings sei es für viele türkische Zuwanderer ein Hindernis, dass sie bei Inanspruchnahme der deutschen ihre türkische Staatsbürgerschaft abgeben müssen. Identifikation mit und Loyalität zu Deutschland und der Türkei gleichermaßen sei für die Deutschtürken kein Widerspruch, sondern Teil ihres Selbstverständnisses, betonte Sen.