Der Bundesvorstand hat in seinem "Beschluss zu einem möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien" vom 23.07.01 erklärt, aus grüner Sicht sei die Erfüllung der vom NATO-Rat am 29.06.01 festgesetzten politischen Bedingungen notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Einsatz der NATO durch das Einsammeln von Waffen das erhoffte positive Resultat erzielen könne. Dazu gehören insbesondere das Vorliegen einer allgemeinen Rahmenvereinbarung zur politischen Lösung der Probleme in Mazedonien, ein dauerhafter Waffenstillstand, eine Vereinbarung über die freiwillige Entwaffnung der ethnisch albanischen bewaffneten Gruppen. Der NATO-Rat hat am 22.08.01 das Vorliegen dieser und weiterer im Juni beschlossener Voraussetzungen festgestellt. Auf dieser Grundlage besteht begründete Aussicht, dass der Einsatz der NATO in Mazedonien im Rahmen des beschlossenen Mandates einen wirksamen Beitrag zur politischen Loesung der dortigen Probleme leisten wird.
Die völkerrechtlichen Voraussetzungen des Mazedonieneinsatzes sind gegeben. Grundlage für die geplante NATO-Operation ist die Bitte des mazedonischen Präsidenten Trajkovski vom 14.06.01 an den NATO-Generalsekretär. Der Einsatz in Mazedonien steht auch im Einklang mit der Charta der UN. Die Bundesregierung hat sich erfolgreich darum bemüht, eine politische Einbindung der UN in die Konfliktlösung zu erreichen. Der Sicherheitsrat der UN hat am 13.08.01 den Abschluss des politischen Rahmenabkommens in Mazedonien begrüßt und die Unterstützung der Implementierung durch OSZE, EU und NATO ausdrücklich gewürdigt. In diesem Sinne äußerte sich auch der Generalsekretär der UN, Kofi Annan, in einem Brief an den Präsidenten des Sicherheitsrates vom 13.08.01.
Ohne die Rahmenvereinbarung zur politischen Lösung der Probleme in Mazedonien einschliesslich des eingeleiteten Verfassungsprozesses, der Vereinbarung über einen Waffenstillstand und über die freiwillige Entwaffnung der ethnisch albanischen bewaffneten Kräfte wäre Mazedonien mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits in einen Bürgerkrieg abgerutscht. Durch diesen würde nicht nur über die Menschen in Mazedonien grosses Elend gebracht; er würde auch zu einer massiven Destabilisierung der ganzen Balkanregion beitragen. Um den beiden Seiten in Mazedonien zu helfen, den Weg in den Bürgerkrieg zu vermeiden, war die Bereitschaft zu erheblicher Unterstützung, aber auch politischer Druck von OSZE, EU und NATO erforderlich. Die internationalen Organisationen haben durch ihre Beschlüsse Verantwortung übernommen und Erwartungen geweckt, die sie nicht enttäuschen dürfen ohne sich auch als Partner einer politischen Lösung zu diskreditieren. Würde die in Aussicht gestellte und in eine politische Gesamtlösung eingebundene Mitwirkung bei der Entwaffnung der ethnisch albanischen bewaffneten Gruppen versagt, obwohl die geforderten Voraussetzungen gegeben sind, käme der ganze Prozess einer politischen Loesung unmittelbar ins Stocken und würde wahrscheinlich zusammenbrechen. Damit rückte die Gefahr des Bürgerkriegs wieder näher.
Trotz dieser Gründe für eine Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr an dem seinem Charakter nach konfliktpräventiven, friedensbewahrenden Mazedonieneinsatz der NATO kann niemand garantieren, dass dieser Einsatz tatsächlich erfolgreich sein wird. Risiken lauern im politischen Misstrauen breiter Kreise in der mazedonischen Bevölkerung, in mangelnder Kooperation bis in die Reihen der bi-ethnischen mazedonischen Regierung, in den nicht auf Frieden sondern auf Krieg gerichteten Interessen mafioeser und extremistischer Gruppen in Mazedonien sowie in der Einflussnahme äußerer Kräfte, insbesondere der UCK aus dem Kosovo, die bisher nicht wirksam unter Kontrolle gehalten wurden. Der militärische NATO-Einsatz kann nur erfolgreich sein, wenn alle Seiten weiter am Vorrang der politischen Lösung unter Sicherung der territorialen Integrität Mazedonien wie auch der Rechte beider Ethnien festhalten. Die NATO muss sicherstellen, dass die Entwaffnung realistisch durchgeführt und nicht nur pro forma veranstaltet wird. Eine kohärente und entschlossene Haltung der westlichen Staaten gegenüber der mazedonischen UCK wie der UCK im Kosovo ist zur Eindämmung ihres Nachschubs notwendig. Sollte der NATO-Einsatz das beschlossene Mandat nicht erfüllen können, weil die Konfliktparteien ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und der Waffenstillstand zusammenbricht, entfielen die Voraussetzungen unserer Zustimmung zu diesem Einsatz. Wir würden uns dann dafür einsetzen, ihn abzubrechen. Eine militärische Parteinahme der NATO oder die schleichende Umwandlung des Mandates lehnen wir ab. Sollte der NATO-Einsatz positiv verlaufen, aber binnen 30 Tagen nicht abgeschlossen sein, muss der Bundestag über die Frage einer eventuelle Verlängerung des Mandates beschliessen.
Wegen der vorhandenen Risiken besteht die Gefahr, dass Soldaten der Bundeswehr beim Einsatz in Mazedonien verletzt oder sogar getötet werden. Die politische und militärische Führung muss entsprechend dem beschlossenen Mandat daher alles Erforderliche tun, um das Leben der Soldaten zu schützen.
Die Probleme in Mazedonien ebenso wie die ungelösten Probleme in mehreren anderen Ländern der Region verweisen darauf, dass auf mittlere und längere Sicht nicht eine Fall-für-Fall-Behandlung erfolgreich sein wird, sondern nur eine integrierte Strategie im Rahmen des Stabilitätspaktes mit der Perspektive der Heranführung aller Länder der Region an die europäischen Strukturen. Die dafür erforderliche Politik der Förderung von Demokratie und wirtschaftlichen Aufbau muss von der internationalen Gemeinschaft mit Vorrang unterstützt werden. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass EU wie OSZE dafür ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, und auch selbst kontinuierliche Unterstützung leisten.