Die Friedensbewegung wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen den von der Bundesregierung geplanten Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien. Vor Wochen schon haben Bundeskanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping und Außenminister Fischer versprochen, an einem in Aussicht gestellten NATO-Kontingent nur unter drei Bedingungen teilzunehmen:
- Müssten die terroristischen UCK-Kämpfer bereit sein, "freiwillig" ihre Waffen abzugeben, sodass die NATO sie nur "einzusammeln" bräuchte.
- Müsste im Gegenzug die mazedonische Regierung garantieren, dass der albanischen Bevölkerungsminderheit mehr Rechte eingeräumt werden (z.B. Albanisch als zweite Amtssprache, mehr Selbstverwaltung in den Kommunen).
- Müsste ein "stabiler und dauerhafter" Waffenstillstand herrschen.
Die beiden ersten Bedingungen sind nun nach dem "Friedensabkommen" vom 13. August von den Konfliktparteien in Mazedonien zumindest versprochen worden. Mit der dritten Bedingung ist es allerdings schlecht bestellt: Die UCK setzte auch nach dem Abkommen ihre Angriffe gegen makedonische Polizei- und Militärstützpunkte fort. Bisher kann noch nicht einmal davon die Rede sein, dass der Waffenstillstand begonnen habe, geschweige denn dass er sich bereits "stabilisiert" hätte und "belastbar" sei.
Dennoch will die Regierung vom Bundestag ein Mandat für einen Bundeswehreinsatz. Damit bricht sie ihr eigenes Wort und gefährdet zudem das Leben der deutschen Soldaten.
NATO Einsätze
Fünf Gründe gegen einen Bundeswehreinsatz
Wir sagen NEIN zum Einsatz der Bundeswehr und der NATO in Mazedonien, und zwar aus fünf Gründen:
- Zu allererst muss festgehalten werden, dass der innere Konflikt in Mazedonien - der noch dazu von außen, nämlich vom Kosovo her unterstützt wird - zunächst eine innere Angelegenheit der Makedonier selbst ist. Es geht um die territoriale Unversehrtheit des makedonischen Staates. Wie der mit seinen Minderheiten umgeht, ist selbstverständlich nicht mehr nur seine eigene Sache, sondern Einmischung im Sinne der Wahrung der universellen Menschenrechte ist durchaus erlaubt, ja sogar geboten. Die Einmischung selbst muss aber im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, es müssen gewaltfreie und zivile Instrumente eingesetzt werden. Die NATO-Staaten, die gerade erst vor wenigen Monaten ihr Herz für Mazedonien entdeckt haben, hätten jahrelang Gelegenheit dazu gehabt.
- Zum zweiten kann nicht oft genug auf die Eskalationsgefahr hingewiesen werden, die ein NATO-Einsatz heraufbeschwören könnte. Für die UCK, in deren kollektiver Erinnerung die NATO seit dem Jugoslawienkrieg 1999 als Verbündeter weiterlebt, bedeutet ein militärisches Eingreifen der NATO natürlich eine Bestätigung ihrer bisherigen Guerillataktik und eine riesige Ermutigung mit dieser Taktik fortzufahren. Sollte die NATO, sollten insbesondere die Truppenkontingente der Führungsmacht USA bei ihrem Einsatz stärker für die albanische Seite Partei ergreifen, werden sie unweigerlich in Konflikt mit der mazedonischen Regierung und ihrer Armee geraten. Sollten die NATO-Truppen indessen ihren Auftrag mehr im Sinne Mazedoniens erfüllen (z.B. durch ein konsequentes Vorgehen bei der Entwaffnung), werden sie die bewaffnete Feindschaft der albanischen Terroreinheiten kennen lernen. Ein Anschwellen der militärischen Auseinandersetzung bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einer Ausbreitung des Konflikts (nach Montenegro, nach Serbien) wären die wahrscheinliche Folge.
- Das heißt drittens nicht, dass die NATO "zuschauen" muss. Sie steht - als KFOR-Truppe - mit über 40.000 Soldaten im Kosovo. Dort kann sie das tun, was sie in den beiden zurückliegenden Jahren so sträflich versäumt hat: die UCK restlos entwaffnen, ihre Verbände auflösen und die Grenze zu Mazedonien für den Waffen- und Menschenschmuggel endgültig dicht machen. Die NATO hat bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien versprochen, für ein "multiethnisches" Kosovo zu kämpfen. Als Besatzungsmacht hat sie es jedoch zugelassen, dass das Kosovo bis heute ethnisch nahezu vollständig "gesäubert" wurde: Mehr als 250.000 Serben, Roma und andere nicht-albanische Bevölkerungsgruppen sind aus dem Kosovo mehr oder weniger unsanft vertrieben worden.
- Viertens gilt es, die UNO ins Spiel zu bringen. Bundesaußenminister Fischer verwies am 14. August, also einen Tag nach dem Abkommen in Skopje, triumphierend darauf, dass der UN-Sicherheitsrat am Vorabend in einem Beschluss einstimmig das diplomatische Engagement von NATO, EU und OSZE in Mazedonien begrüßt habe. Damit, so Fischer, zeige die Staatengemeinschaft ihre "geschlossene Unterstützung" für den Friedensplan (FR, 15.08.2001). Von einem wirklichen UN-Mandat für einen Militäreinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta kann aber überhaupt keine Rede sein. Der UN-Sicherheitsrat hat die mazedonischen Konfliktparteien nämlich lediglich zur Einhaltung des Waffenstillstands und zur Verwirklichung des Friedensabkommens aufgerufen. Die "volle Unterstützung" der "internationalen Gemeinschaft" für das Engagement von NATO, EU und OSZE ist nicht in der Sicherheitsratserklärung enthalten, sondern stammt aus einer Erklärung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan.
- Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Vereinten Nationen mit ihren Peace-keeping-Instrumenten (Vermittlungsdienste, Beobachter bis hin zu leicht bewaffneten "Blauhelmen") am besten dafür eignen, als Schiedsrichter in einem so gearteten Konflikt wie dem in Mazedonien aufzutreten. Gerade wenn die NATO gebetsmühlenartig wiederholt, dass ihr Einsatz nur einer "freiwilligen" Entwaffnung der UCK diene und sich jeglicher bewaffneter Einsatz gegen eine der beiden Konfliktparteien verbiete, hat sie in Mazedonien schon gar nichts zu suchen. Waffen einsammeln und registrieren kann die UNO mindestens genau so gut; hierüber verfügen die Vereinten Nationen auch schon über Erfahrungen aus verschiedenen Konfliktgebieten der Welt (z.B. zuletzt aus Sierra Leone).
Warum?
Wenn NATO und Bundesregierung dennoch so eifrig auf die eigene militärische Karte setzen, so ist dahinter eine andere Absicht zu vermuten:
- Einmal geht es wohl darum, Mazedonien in eine Art "NATO-Protektorat" zu verwandeln, um mit ihm schalten und walten zu können, wie es der NATO beliebt.
- Zum anderen soll mit dem Militäreinsatz in Mazedonien der Welt demonstriert werden, dass es in der Politik auch ohne UNO geht. Die Weltstaatengemeinschaft, die sonst so oft beschworen wird, muss erkennen, dass in ihr nur die NATO (und damit in erster Linie die übermächtigen USA) das Sagen hat.
Dem können wir nicht zustimmen. Deshalb sagen wir NEIN zum NATO- und Bundeswehreinsatz in Mazedonien.
Am 18-08-2001
Meinungsfreiheit
Das Vorhaben der Bundesregierung, kritische Meinungsäußerungen über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren zu bedrohen, ist vorläufig gescheitert. Das Bundesjustizministerium, SPD und Grüne hatten Mitte Februar Gesetzentwürfe zur Änderung des Strafgesetzbuches vorgelegt, wonach das Leugnen von als "geschichtlich gesichert anerkannten Tatsachen" unter Strafe gestellt werden sollte, zum Beispiel ein "Leugnen des Völkermords im ehemaligen Jugoslawien". Ebenso geräuschlos wie dieser Passus in die Gesetzentwürfe zur Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit aufgenommen worden war, verschwand er wieder. Als der Deutsche Bundestag am vergangenen Freitag abstimmte, fehlte die Bestimmung. Zwischenzeitlich hatten die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der FDP-Abgeordnete Max Stadler interveniert. ngo-online liegt ein Schreiben von Stadler an den zuständigen SPD-Abgeordneten Dieter Wiefelspütz vor, in dem es heißt, dass in einer Demokratie "eine strittige und kritische Auseinandersetzung" über zeithistorische Ereignisse "möglich sein muss". In der Bundestagsdebatte am 11. März wandte sich Stadler gegen "einen Schritt weiter in Richtung Gesinnungsstrafrecht". Seine Befürchtung: "Dem ersten Schritt folgt dann leicht ein zweiter." Offiziell wurde die geplante Einschränkung der Meinungsfreiheit nur verschoben, nicht jedoch aufgehoben.
1999 führte die deutsche Bundesregierung ohne UN-Mandat im Rahmen der NATO einen Krieg gegen Jugoslawien. Als Grund für den Krieg wurde genannt, in Jugoslawien finde ein Völkermord statt. Diese Bewertung ist umstritten. Ein ehemaliger Bundeswehr-General und OSZE-Beobachter und andere wiesen wiederholt darauf hin, dass die internen Lageberichte des Auswärtigen Amtes und des Bundesverteidigungsministeriums im Vorfeld des Krieges keinen Völkermord festgestellt hatten. Auch das behauptete "Racak-Massaker" und der so genannte "Hufeisenplan" wurden vielfach - wiedergegeben auch in großen Medien - als "Kriegslügen" gebrandmarkt. Derartige Kritik hätte mit dem jetzt gescheiterten Gesetzesvorhaben leicht strafrechtliche Konsequenzen haben können.
Am 11. Februar 2005 stellte das Bundesjustizministerium in einer Pressemitteilung eine Gesetzesinitiative zur Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sollte künftig nicht nur bestraft werden, wer Handlungen der "nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft" billigt, rechtfertigt, leugnet oder verharmlost. Das gleiche Strafmaß sollte künftig auch für das Leugnen von Handlungen einer "anderen Gewalt- und Willkürherrschaft" verhängt werden können. Richtete sich der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches bislang nur gegen die Leugnung des Holocaust, so sollte nach Vorstellung der Bundesregierung künftig auch das Leugnen von als "geschichtlich gesichert anerkannten Tatsachen" unter Strafe gestellt werden, zum Beispiel ein "Leugnen des Völkermords im ehemaligen Jugoslawien".
Am 15. Februar brachten die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen einen entsprechenden Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag ein. Unter dem Titel "'Leugnen des Völkermords' in Jugoslawien soll unter Strafe gestellt werden" berichtete ngo-online an diesem Tag über das Vorhaben. Am 16. Februar folgte in "Heise online" ein Bericht mit dem Titel "Bundesregierung beabsichtigt bedenkliche Verschärfung des Straftatbestands der Volksverhetzung". Am 17. Februar rechtfertigte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz das Gesetzesvorhaben im Interview mit Heise online. "Ich messe diesem Absatz aber keine überragende Bedeutung zu", so Wiefelspütz.
Am 18. Februar sagte die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit ngo-online, das Gesetzesvorhaben gehe "an die konsitutionellen Grundlagen unserer Demokratie". Sie habe "erhebliche Bedenken", ob die Einschränkung der Meinungsfreiheit mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Falls mit der Gesetzesinitiative auch Meinungsäußerungen zum Krieg der NATO gegen Jugoslawien unter Strafe gestellt werden sollten, fände sie das "erschreckend und verheerend". Die Diskussion über den Jugoslawienkrieg "mit einem Straftatbestand aus der Welt schaffen zu wollen" bezeichnete Leutheusser-Schnarrenberger als unerträglich. "Ich bin wirklich entsetzt darüber", sagte sie. Die Menschen sollten jetzt "auf die Straße gehen und die Demokratie verteidigen". Niemand ging wegen des Gesetzesvorhabens auf die Straße. Die großen Medien, die im Vorfeld des Jugoslawien-Krieges breit von Massakern und Völkermord berichteten, schwiegen zu dem Thema.
Am 24. Februar wandte sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Stadler schriftlich an seinen "Lieben Herrn Kollegen Wiefelspütz" von der SPD. Bezugnehmend auf die Debatte am 23. Februar meldete Stadler "grundsätzliche Bedenken" gegen das Vorhaben an, "die Billigung, Rechtfertigung, Leugnung oder gröbliche Verharmlosung von Völkermord, der unter einer anderen als der Naziherrschaft begangen wurde, strafrechtlich zu sanktionieren". Leider ereigneten sich in aller Welt immer wieder schreckliche Vorgänge, so Stadler, die zur gezielten Tötung vieler Menschen führen. "Solche Vorgänge werden je nach Standpunkt des Betrachters oft von der einen Seite als Völkermord qualifiziert, von der anderen Seite als legitimer Waffeneinsatz." Ein aktuelles Beispiel sei etwa der Vorwurf gegen den früheren Präsidenten Boliviens, der sich in den USA im Exil aufhalte, dem nun wegen Völkermordes der Prozess gemacht werden solle.
"Jedenfalls", so Stadler, "geht es oft um zeithistorische Ereignisse, über deren Bewertung in einer Demokratie eine strittige und kritische Auseinandersetzung möglich sein muss. Es ist meiner Meinung nach sehr bedenklich, wenn eine solche Auseinandersetzung wie sie beispielsweise unter Politikern, Journalisten oder Wissenschaftlern geführt wird, in § 130 Abs. 3 Nr. 2 StGB für einen Teil der Diskutanten unter Strafe gestellt wird."
Bezogen auf den Passus im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, wonach von der Vorschrift nur Fälle erfasst werden sollen, bei denen ein internationales Gericht einen Völkermord festgestellt habe, schrieb Stadler: "Die Vorgänge, die sich wie gesagt leider in aller Welt zutragen, sind eben häufig historisch noch nicht ein für allemal in ihrer Einordnung geklärt, selbst wenn in einem Strafprozess der Tatbestand des Völkermordes bejaht wird. Man sollte der Diskussion hierüber weiterhin Raum lassen und zwar straffreien Raum." Man solle die freie Debatte unter Zeithistorikern zulassen.
Am 8. März brachten SPD und Grüne einen Änderungsantrag in den Deutschen Bundestag ein. Mit dem Antrag zur Änderung des ursprünglichen Gesetzesvorhabens wurde der geplante § 130 Abs. 3 Nr. 2 StGB - ohne öffentliche Diskussionen - wieder gestrichen. Allerdings, so heißt es in der Begründung des Änderungsantrages, werde das Vorhaben nur "zurückgestellt, da der luxemburgische EU-Vorsitz die Beratungen zu dem Entwurf eines EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder aufgenommen" habe.
Auch Stadler hat sich in seinem Schreiben an Wiefelspütz nicht kategorisch gegen eine weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit gewandt: "Man könnte daher diese Frage bei anderer Gelegenheit wieder aufrufen, wenn mehr Zeit für eine gründliche Erwägung des Pro und Contra besteht." In der Bundestagsdebatte am 11. März erkärte Stadler dann, es sei "richtig, den Anfängen zu wehren".
Am 16-03-2005
Schwerverletzte Kläger nicht erfolgreich
Deutschland muss nicht für den folgenschweren NATO-Luftangriff auf eine Brücke der serbischen Kleinstadt Varvarin im Jahr 1999 haften. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wies am Donnerstag die Schadenersatzklage von insgesamt 35 serbischen Opfern und Hinterbliebenen auch in letzter Instanz zurück. Der BGH sah weder im Kriegsvölkerrecht zum Schutz der Zivilbevölkerung noch im deutschen Staatshaftungsrecht eine Grundlage für eine Entschädigung. Im Falle von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts stünden etwaige Wiedergutmachungsansprüche "nicht einzelnen geschädigten Personen, sondern nur deren Heimatstaat" zu, urteilten die Bundesrichter. Sie sahen auch "keine Anhaltspunkte" dafür, dass die deutschen Luftstreitkräfte über das konkrete Angriffsziel iniformiert gewesen waren, obwohl in dem Verfahren der Vorwurf im Raum stehen blieb, deutsche Luftstreitkräfte hätten den Angriff "unterstützt". Amnesty International sieht in dem Urteil eine "Missachtung der Entwicklung des Völkerrechts". Nach Auffassung des ehemaligen Bundesrichters Wolfgang Neskovic verharrt der Bundesgerichtshof "auf dem längst überwundenen Stand des archaischen Kriegsvölkerrechts".
Die Gruppe aus Serbien hatte die Bundesrepublik auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 535.000 Euro verklagt. Bei den Klägern handelt es sich um 17 Schwerverletzte des Angriffs sowie 18 Hinterbliebene der bei dem Bombardement getöteten 10 Menschen. Sämtliche Opfer sind Zivilisten. Der Luftangriff auf die Brücke der 180 Kilometer südöstlich von Belgrad gelegenen 4000-Einwohner-Stadt fand im Krieg gegen Jugoslawien am 30. Mai 1999 auf Grundlage eines NATO-Beschlusses statt.
Die Kläger hatten der Bundesregierung vorgeworfen, ihr Vetorecht in den NATO-Gremien gegen die Auswahl der Brücke als Angriffsziel nicht ausgeübt und zudem den Angriff zweier NATO-Kampfjets durch eigene Luftstreitkräfte unterstützt zu haben. Zwar waren deutsche Flugzeuge an dem Raketenangriff offenbar nicht unmittelbar beteiligt. Ob sie durch Aufklärung, Begleit- oder Luftraumschutz Unterstützung erbrachten, blieb zwischen den Parteien aber umstritten.
Der 3. Zivilsenat des BGH betonte, dass im Falle von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts etwaige Wiedergutmachungsansprüche "nicht einzelnen geschädigten Personen, sondern nur deren Heimatstaat" zustünden. Diese völkerrechtliche Lage, von der der BGH bereits in seiner "Distomo-Entscheidung" für die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ausging, bestehe "auch heute noch". Der BGH hatte im Juni 2003 entschieden, dass die Bundesrepublik für das SS-Massaker in dem griechischen Dorf Distomo im Jahr 1944 keinen Schadenersatz an die Hinterbliebenen der Opfer zahlen muss.
Der BGH verneinte jetzt auch einen Schadensersatzanspruch aus deutschem Recht. In der Distomo-Entscheidung hieß es, dass bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs deutsche militärische Kriegshandlungen im Ausland keine Amtshaftung der Bundesrepublik begründeten. Ob hieran auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes festzuhalten sei, hat der BGH nun "offen gelassen".
Den deutschen Luftstreitkräften könnten etwaige Amtspflichtverletzungen nur zugerechnet werden, wenn deutsche Dienststellen "über das konkrete Angriffsziel und Einzelheiten des betreffenden Luftangriffs informiert" gewesen wären. Dafür gebe es aber "keine Anhaltspunkte".
Eine Pflichtverletzung deutscher Dienststellen liege auch nicht darin, dass diese vorher daran mitgewirkt haben sollen, dass die Brücke von Varvarin in eine Zielliste aufgenommen worden war. Zu den "militärischen Zielen" zählten traditionell Straßen, Eisenbahnen, Brücken und Fernmeldeeinrichtungen. Die Bundesrepublik habe "darauf vertrauen dürfen, dass ein etwaiger Angriff unter Beachtung des Völkerrechts erfolgen" werde, heißt es im BGH-Urteil. (AZ: III ZR 190/05 - Urteil vom 2. November 2006)
Amnesty bestreitet die Rechtsauffassung des BGH
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty international sieht in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) eine "Missachtung der Entwicklung des Völkerrechts". Entgegen der Argumentation des BGH könnten bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Einzelpersonen Schadensersatz geltend machen und nicht nur Staaten, so der Völkerrechtsexperte der Organisation, Nils Geißler. "Genau dafür ist zum Beispiel der Internationale Strafgerichtshof geschaffen worden, den die Bundesregierung seit vielen Jahren unterstützt."
Amnesty kritisierte weiterhin, dass der Bundesgerichtshof in seiner Begründung offen gelassen hat, ob Schadensersatz nach dem deutschen Amtshaftungsrechts bestehe. "Mit Blick auf die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr sollte alle diesbezüglichen Zweifel ausgeräumt werden", so Geißler.
Das Oberlandesgericht Köln hatte im Juli 2005 entschieden, dass bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht grundsätzlich Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommen, die Klage jedoch abgewiesen, weil im konkreten Fall ein schuldhaftes Handeln der Bundesrepublik nicht nachgewiesen werden könne.
Kritik auch von ehemaligem Bundesrichter
Auch der ehemalige Bundesrichter und rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, hält die Entscheidung seiner ehemaligen Kollegen für falsch. "Das Urteil ist in der Begründung mutlos und in rechtspolitischer Hinsicht ohne Folgewirkungen", so Neskovic.
"Trotz Hilfestellung des OLG Köln in der Vorinstanz hat der BGH die historische Chance verpasst, die rasante Entwicklung des Völkerrechts seit Ende des Zweiten Weltkrieges hin zu einem humanitären Kriegsvölkerrecht mit individuellem Menschenrechtsschutz, die im Strafrecht zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs in Rom geführt hat, nun auch im Zivilrecht zu vollziehen", meint der ehemalige Bundesrichter.
Die prinzipielle Anerkennung individueller Schadenersatzansprüche gegen Staaten für Kriegsverbrechen "hätte eine enorme präventive Wirkung entfaltet, sich nicht an völkerrechtswidrigen Kriegen zu beteiligen", so Neskovic. Stattdessen verharre der BGH "auf dem längst überwundenen Stand des archaischen Kriegsvölkerrechts, das als Rechtssubjekte nur die Krieg führenden Staaten kannte".
In dieses "traurige Bild" passe es, dass der Bundesgerichtshof auch bei der Frage, ob die Bundesrepublik aus Amtshaftung Schadensersatz für militärische Kriegshandlungen der Bundeswehr im Ausland schulden könne, "gekniffen hat".
Die NATO-Bombardierung aus der Sicht der Kläger
Vavarin war eines der Ziele des 78tägigen Bombenkrieges gegen Jugoslawien. Der serbische Ort mit etwa 4000 Einwohnern liegt rund 200 Kilometer südlich von Belgrad und ebenso weit entfernt von der Grenze zum Kosovo. Nennenswerte Industriebetriebe, Transportwege oder militärische Einrichtungen gäbe es dort nicht, heißt es in der Klagebegründung.
Am Pfingstsonntag 1999 sei Markttag in Vavarin gewesen, drei Kampfflugzeuge der NATO hätten kurz nach 13 Uhr die Brücke über den Fluß Morava ins Visier genommen, auf der sich zum Zeitpunkt des Angriffs drei Pkw und viele Fußgänger und Radfahrer befunden hätten. Nachdem eine Rakete den Mittelpfeiler getroffen hätte, sei die Brücke mit den Menschen und Fahrzeugen in den Fluß gestürzt.
Nachdem die Rettungsarbeiten begonnen hätten, wenige Minuten nach dem ersten Angriff, sei ein weiteres Flugzeug von der anderen Seite angeflogen und habe zwei weitere Raketen auf die bereits zerstörte Brücke gefeuert.
Am 02-11-2006
2500 ISAF-Soldaten im Einsatz
Bei einer Großoffensive in der afghanischen Provinz Helmand tötete die NATO-"Schutztruppe" ISAF Medienberichten zufolge zahlreiche "Kämpfer" sowie Frauen und Kinder. Die "Schutztruppe" erklärte, der "Zwischenfall" habe sich am 19. September ereignet. Bei den Kämpfen sei Luftunterstützung angefordert worden. Die ISAF habe bei den Luftangriffen angeblich "nicht gewusst", dass sich in der Nähe des eigentlichen "Zieles" Zivilisten aufhielten.
Medienberichten zufolge hatten die ausländischen Truppen der NATO - aus der Sicht vieler Afghanen eine Besatzungsmacht - im Gereschk-Tal Afghanistans am Mittwoch, den 19. September, eine großangelegte Offensive gegen die laut NATO "radikalislamischen" Rebellen begonnen. Dabei waren ISAF-Angaben zufolge 2500 Soldaten im Einsatz.
Bei den Kämpfen am 21. September wurden in der Region einer Erklärung der US-geführten Koalition zufolge mehr als 40 "Kämpfer" getötet.
In Kabul wurde am 21. September offenbar ein Selbstmordanschlag auf einen französischen ISAF-Konvoi verübt, bei dem ein französischer Soldat getötet sowie sechs Zivilisten verletzt worden sein sollen. Es war Medienberichten zufolge der erste Selbstmordanschlag in der schwerbewachten Hauptstadt seit einer Attacke auf einen Konvoi deutscher Soldaten am Flughafen von Kabul am 31. August. Damals war ein afghanischer Soldat getötet worden, ein deutscher und vier belgische Soldaten wurden verletzt.
Buchholz: Auch ISAF kein Wiederaufbau sondern Kriegseinsatz
Für das Mitglied des Geschäftsführenden Parteivorstandes der Linken, Christine Buchholz, ist der Tod von unschuldigen Zivilisten durch ISAF-Truppen ist "ein weiterer Beleg dafür, dass es sich bei ISAF nicht um einen friedlichen Wiederaufbaueinsatz handelt, sondern um einen Kriegseinsatz, der durch und durch mit der Operation Enduring Freedom verwoben ist".
Die "unabhängige" afghanische Menschenrechtskommission (AIHRC) habe Anfang September gemeldet, dass 168 afghanische Zivilisten im August getötet worden seien, zwei Drittel davon durch Angriffe westlicher Truppen. Im Juli seien es laut AIHRC 144 Menschen gewesen, so Buchholz.
Jung: Erfolge in Afghanistan weiterführen
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sprach sich am 20. September im Deutschen Bundestag dafür aus, die "Erfolge" in Afghanistan weiterführen. Mit einem Appell an die Abgeordneten des Bundestages, der Verlängerung des Mandates zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zuzustimmen, schloss Jung seine Rede im Bundestag. "Wir dürfen uns nicht zurückziehen und Afghanistan den Taliban überlassen. Das Land darf nicht wieder ein Ausbildungszentrum des Terrorismus werden" , so Jung. Dies sei nicht nur für Afghanistan, sondern auch für unsere eigene Sicherheit wichtig.
Jung verwies dabei auf die Bedeutung des Konzeptes der vernetzten Sicherheit – keine Sicherheit ohne Wiederaufbau und kein Wiederaufbau ohne Sicherheit, um so das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ferner erinnerte Jung an bereits zu verzeichnende Erfolge, wie den Aufbau einer medizinischen Grundversorgung, Errichtung von Schulen sowie die Etablierung von Parlament und Verfassung.
Für die Zukunft wolle die Bundesregierung ihre Aktivitäten im Norden verstärken, so Jung. Dazu sollen, neben bereits erfolgreich operierenden Regionalen Wiederaufbauteams (PRT), auch die vom Konzept her ähnlichen, aber kleineren Regionalen Beratungsteams (PAT) zum Einsatz kommen. Somit könne das deutsche Engagement in Afghanistan weiter ausgefächert werden. Jung sagte weiter, die Anstrengungen zur Ausbildung der afghanischen Nationalarmee sollten verdreifacht werden, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu befähigen, aus eigener Kraft für die Stabilität im Land zu sorgen zu können.
Man dürfe seine Freunde nicht im Stich lassen, so Jung bezogen auf die vom Westen gestützte afghanische Regierung, deshalb werde die Bundeswehr in Notsituationen auch weiterhin für Unterstützungsleistungen im Süden des Landes zur Verfügung stehen. Dies sei bereits in der Vergangenheit mit dem Einsatz von Fernmeldespezialisten im südafghanischen Kandahar geschehen.
Jung versicherte, dass "bereits jetzt" große Anstrengungen unternommen wurden, die Anzahl der zivilen Opfer in Afghanistan zu begrenzen, und dass dies auch in Zukunft so sein werde.
Gysi: Frauen haben es bei der Nordallianz nicht besser als bei den Taliban
Links-Fraktionschef Gregor Gysi sagte in der Debatte des Bundestages, es sei zu Recht gesagt worden, dass die Taliban in Afghanistan bekämpft und entmachtet werden sollten. Es sei zwar wahr, dass das Talibanregime beseitigt worden sei. "Es wird aber nie dazu gesagt, dass die Nordallianz deutlich an Macht gewonnen hat. Die Stellung der Nordallianz zu Frauen- und zu Menschenrechten ist ähnlich wie die der Taliban." Das werde verschwiegen, so Gysi.
Es gebe jetzt eine Macht von Drogenbaronen und von Warlords, die einfach nicht hinnehmbar sei, meint der deutsche Politiker. Das Bild, das hier gemalt werde, dass jetzt alle in traumhaften Zuständen dort leben würden, habe mit der Realität nichts zu tun, sagte Gysi.
Unter Verweis auf Aussagen von Malalai Joya, einem weiblichen Mitglied der verfassunggebenden Versammlung Afghanistans sagte Gysi, das Problem sei gewesen, dass die Nordallianz nicht entwaffnet worden sei. Sie sei vielmehr aufgerüstet worden. Joya habe zudem kritisiert, dass die Nordallianz Frauenrechte genauso wenig achte wie die Taliban. Den deutschen Soldaten werfe Joya vor, dass diese sich der US-Strategie unterwerfen würde. Deshalb sei es keine Befreiung, sondern eine Besatzung geworden. "Das sagen nicht wir, das sagt diese afghanische Frau", so Gysi.
Der Linkspolitiker stellte grundsätzlich in Frage, Kriegseinsätze im Ausland mit Frauen- und Menschenrechten legitimieren zu wollen. "In wie vielen Ländern wollen Sie eigentlich aus diesem Grund intervenieren? Wie ist es um die Frauenrechte in Saudi-Arabien bestellt?", fragte Gysi. "Dort dürfen die Frauen nicht einmal Auto fahren. Sie dürfen ohne Genehmigung ihres Ehemannes nicht das Land verlassen. Sie werden schlicht und einfach unterdrückt. Aber Herr Bush und seine Familie machen dickste Geschäfte mit der herrschenden Familie in Saudi-Arabien. Deshalb interessieren ihn dort die Menschenrechte nicht."
Es gebe sehr viele Länder, in denen die Bundeswehr einmarschieren müsste, wenn es tatsächlich um die Menschenrechte ginge, so Gysi. "Selbst die USA müssten Sie wegen Guantánamo angreifen."
Es werde bezogen auf den Afghanistan-Einsatz immer wieder gefragt, was passiere, "wenn wir das Land verlassen. Als Antwort wird immer die schlimme Herrschaft der Taliban genannt. Das ist völlig falsch", so Gysi. "Wir müssen die Nordallianz entwaffnen. Sie bewaffnen hingegen die Nordallianz. Das ist die Wahrheit. Sie sehen zu, wie die Nachbarländer eine völlig unterschiedliche Politik betreiben. Ob Russland, Usbekistan, Pakistan oder der Iran: Sie alle bewaffnen entweder die Taliban oder die Nordallianz. Sie aber schauen nur zu. Das ist die Realität; darin liegt das Problem."
Gysi: Erst als die Verhandlungen der USA mit den Taliban über eine Gaspipeline gescheitert war, ging es um die Menschenrechte
Gysi warf den anderen Parteien im Bundestag vor, sie täten immer so, als ginge es um die Menschenrechte. "Ich zitiere in diesem Zusammenhang Herrn Greenspan – er ist kein Linker –, der erste Notenbankpräsident der USA, der einen ausgeglichenen Haushalt zustande gebracht hat und gerade seine Memoiren veröffentlich hat: Der wesentliche Grund für den Krieg im Irak war das Öl."
Im Übrigen hätten die USA hervorragend mit den menschenverachtenden Taliban verhandelt, und zwar über eine Gaspipeline durch Afghanistan, so Gysi. "Erst als die Verhandlungen über die Gaspipeline gescheitert waren, entdeckten sie die Menschenrechte in Afghanistan. Das ist die Wahrheit."
Gysi ließ auch das Argument nicht gelten, im Falle eines Abzugs der Soldaten müssten auch die Aufbauhelfer abgezogen werden. "In diesem Zusammenhang beziehe ich mich wieder auf einen Nichtlinken, einen ehemaligen Arzt der Bundeswehr, mit dem ich bei einer Sendung im Bayerischen Fernsehen zusammengetroffen bin und der im Süden Afghanistans Schulen baut. Er sagt, dass das nur dann funktioniert, wenn der nächste Soldat 10 Kilometer entfernt ist."
Er sei auch gebeten worden, seine Schulen für die Wahl des Präsidenten zur Verfügung zu stellen. "Er hat sich", so Gysi, "unter einer Bedingung dazu bereit erklärt, nämlich dass der nächste Soldat 10 Kilometer entfernt ist. Das hat er auch durchgesetzt mit der Folge, dass 60 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gekommen sind, davon 40 Prozent Frauen. Wo die US-Soldaten standen, betrug die Wahlbeteiligung 10 Prozent, darunter nur 1 Prozent Frauen." Das sage ein ehemaliger Arzt der Bundeswehr.
An die Grünen gewandt sagte Gysi, diese hätten "dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien und bisher allen Militäreinsätzen in Afghanistan zugestimmt. Es werde höchste Zeit, dass Sie wieder einmal auf Ihre Basis hören und Ihre Positionen schrittweise verändern."
Am 21-09-2007