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Aufruf zum Grenzcamp 2001

Am

Wir dokumentieren den Aufruf zum Grenzcamp 2001.


Überblick

Aufruf

Frankfurt ist als DIE Bankenmetropole und als Standort eines der 4 größten Flughäfen Europas Hauptumschlagplatz für Warenwirtschaft und Kapital. Mit der fortschreitenden Globalisierung dieser beiden Bereiche sowie dem Zusammenwachsen der EU ist ein deutlicher Wandel in der Struktur von Grenzen innerhalb Europas zu erkennen: Sie wandeln sich von bewachten Trennlinien zwischen Staaten zu kontrollierten Grenzräumen. An den Außenrenzen der EU wurde mit einer Novellierung des Bundesgrenzschutzgesetztes 1994 ein 30 km breiter Korridor eingerichtet, innerhalb dessen der BGS verdachtsunabhängig Identitätskontrollen durchführen und ohne richterliche Genehmigung Häuser betreten darf, verdeckte Foto- und Videoüberwachungn anwendet sowie V-Leute und nachrichtendienstliche Mittel einsetzt. Auch außerhalb dieser Zone wird die Überwachung öffentlicher Räume immer weiter ausgebaut. Private Sicherheitsdienste und Polizei patroullieren wie wild durch Innenstädte, Bahnhöfe, Flughäfen und andere öffentliche Räume, Viderokameras werden installiert; der komplette Frankfurter Hauptbahnhof und andere städtische Bahnhöfe und S-Bahn-Stationen beispielsweise werden rund um die Uhr high-tech-videoüberwacht; die zugehörige Monitorzentrale der BahnSchutzGmbH ist per Standleitung direkt mit dem BGS und LKA/BKA verbunden. Unerwünschte Personen wie Obdach- oder Mittellose, augenscheinlich Nichtdeutscheoder Prostituierte müssen ständig mit Personalienkontrollen und Platzverweisen rechnen. Für diese Entwicklung weg von der scharfen geographischen Außengrenze um den Nationalstaat BRD hin zum kontrollierten Raum mit zahlreichen inneren Grenzen, in dem die Bewegungen der Bevölkerung immer umfassender erfasst und beschnitten werden, gibt es gerade in der Yuppie-Stadt Frankfurt zahlreiche Beispiele und Angriffspunkte.

Das Überschreiten der Außengrenzen Europas - und Deutschlands im Speziellen - bleibt aber weiterhin für Angehörige solcher Personengruppen riskant bis unmöglich, die nicht als wirtschaftsförnderndes Mitglied einer Wissenselite oder als TouristIn Einlass begehren, sondern die hier als Opfer von Verfolgung, Hunger, Armut und anderer Formen von Gewalt Schutz suchen. Ihnen wird die Einreise enorm erschwert. Wer beispielsweise als Flüchtling über einen 1993 im Schengener Abkommen als solchen definierten "sicheren Drittstaat" in die BRD eingereist ist, braucht mit einer Einreisebewilligung gar nicht erst zu rechnen, da er in selbigem ebenfalls einen Asylantrag hätte stellen können; die Abschiebung dorthin folgt. Nun ist Deutschland rundum von solchen sicheren Drittstaaten umgeben.

Asylsuchenden, die in die legal BRD einreisen wollen bleibt also nur der Luft- oder Seeweg, um ihr Ziel zu erreichen.Wer über das nötige Geld und die Beziehungen für eine Flucht per Flugzeug oder Schiff verfügt und schließlich an einem deutschen Flug- Hafen angekommen ist, wird gegebenenfalls von einer weiteren Neuerung des Asylverfahrensgesetzes von 1993 erfasst: dem Flughafenverfahren. Es wird auf Flüchtlinge angewendet, die ohne gültige Grenzübertrittspapiere oder über Zwischenstop in einem sicheren Drittstaat an einem deutschen Flughafen ankommen. Obwohl auf deutschen Boden gelandet, gelten diese Personen zunächst nicht als in Deutschland eingereist. Sie werden i.d.R. unmittelbar nach ihrer Ankunft von Beamten des BGS über ihre Flucht befragt und erkennungsdienstlich behandelt. Diese Daten werden an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) weitergeleitet, bei dem auch die Asylanträge zu stellen sind. Das BAFl entscheidet innerhalb von 2 Tagen über den Antrag. Bei einer Zurückweisung werden die Flüchtlinge im Flughafengebäude festgehalten, bis die Abschiebung in ihr Heimatland erfolgen kann. Es bleibt ihnen allerdings noch die letzte Möglichkeit, vertreten durch einen zu bezahlenden Anwalt, innerhalb von 3 Tagen nach der Ablehnung des Asylantrages eine Eilklage gegen diesen Eintscheid einzureichen. Über diese Klage entscheidet das zuständige Verwaltungsgericht innerhalb der kommenden 2 Wochen, sodass sich der Aufenthalt der Hilfesuchenden in dem Flughafengefängnissen eigentlich auf max. 19 Tage belaufen sollte. Faktisch kommt es allerdings zu weit längeren Haftzeiten, wo das angebliche Herkunftsland eines Flüchtlings die Zusammenarbeit - beispielsweise bei der Beschaffung neuer Papiere - verweigert. Flüchtlinge, die länger als die besagten 19 Tage im Flughafen interniert bleiben, müssen unterschreiben, dass sie sich freiwillig dort aufhalten - andernfalls droht eine Vorführung vor den Haftrichter, der eine "Sicherung zur Zurückführung" - also Haft - anordnen kann. Diese Änderungen der deutschen Asylpolitik hatten direkte Folgen. Die Zahl derer, die weit genug in die Festung Deutschland eindringen konnten, um hier einen Antrag auf Asyl zu stellen, reduzierte sich in den Jahren von 1993 bis 1999 kontinuierlich von 320 000 auf knapp 100 000, der Anteil der Anerkennungen von 10 auf 3 Procent. Derselbe Trend ist im Zusammenhang mit dem Flughafenverfahren zu verzeichnen. Die Zahl der Betroffenen verringerte sich zwischen 1995 und 1999 von 4500 auf 1200 - der Anteil derer, deren Asylantrag vom BAFl als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurde stieg von 8 auf 44 Prozent.

Zur Zeit werden jährlich etwa 30 000 Abschiebungen aus Deutschland vorgenommen, über 10 000 davon allein vom Frankfurter Flughafen aus. Die Lufthansa führt gut die Hälfte der Abschiebungen durch. Somit stellt der Frankfurter Flughafen einen wichtigen Bestandteil der Infrastruktur des deutschen Grenzregimes dar. Bislang werden hier im Gebäude C 182 die Menschen interniert, die auf ihre Abschiebung bzw. das Ergebnis ihres Asylantrages oder ihrer Eilklage warten - seit Oktober 1999 übrigens auch unbegleitete Kinder. Eine Rückschiebehaftanstalt für Flüchtlinge mit abgelehntem Asylanträge soll noch hinzukommen.C 182 biete Schlafplätze für 70 Personnen, die in 6- oder 10-Bettzimmern untergebracht werden können. Diesen 70 Personen stehen ein Gebetsteppich,ein Fernseher, 2 Telefone und 5 Toiletten zur Verfügung, die 4 Duschkabinen sind nicht geschlechterspezifisch getrennt. Die Fenster sind entweder zugeschweißt oder nur einen Spalt breit zu öffnen; Zum frische Luft schnappen besteht 2 mal täglich die Möglichkeit, eine Stunde lang auf einer eingezäunten Rasenfläche zu promenieren. Ein BGS-Bus fährt die "Gefangenen" dorthin. Um die menschlichen Belange kümmert sich ein Flughafensozialdienst, organisiert von Caritas und dem Evangelischen Regionalverband.

Die Flüchtling stehen allerdings oft unter massivem Stress, denn viele sind durch die Erlebnisse in ihren Heimatländern traumatisiert, können sich weder untereinander noch mit dem deutschen Personal verständigen. Sie erleben extreme Langweile und Hilflosigkeit. Im Mai 2000 erhängte sich eine Algerierin nach 7 Monaten Haft, weitere 18 Selbstmordversuche allein seit 1997 schlugen fehl. Zwei Flüchtlinge kamen bisher während ihrer Abschiebung durch BGS-Beamte zu Tode: Kola Bankole 1994 und Aamir Ageep 1999.

Es wird also deutlich, dass der Frankfurter Flughafen eben nicht nur ein Symbol für Mobilität im Zeitalter der Grenzenlosigkeit ist, sondern dass hier tagtäglich der Ausschluss von Menschen aus der Gesellschaft stattfindet und Grenzen immer noch für viele unüberwindliche Hindernisse sind.

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